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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Stadtbücherei am Marktplatz in Lichtenfels

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 20.000 EUR

STUDIO GRÜNDER KIRFEL

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Marktseitig sensibel-unspektakulär im Umgang mit dem Bestand, nähert sich die Arbeit im Hof auf völlig eigenständige und mutige Art und Weise dem Thema Leseraum/Raum für gedanklichen Austausch.
Der Entwurf besticht durch seinen geometrisch klar entwickelten, lang gestreckten Bibliothekskörper auf der Ostseite des Hofes, der ein eindrückliches Kompendium von Leseräumen beherbergt. Eine auf Hofebene angesetzte Lesetreppe bezieht den Aussenraum in analoger Weise in das Konzept ein. Es entsteht ein großzügiger Aussenraum mit Sitzstufen vor einer gläsernen Fassadenfront. Durch die Idee des gestuften Raums wird die Höhe des Innenhofs zum Stadtschloss verringert, die Proportion des Aussenraums wird dadurch entspannt. An der Stirnseite des Hofes führt eine quer angelegte Aussentreppe zum Schloss. Die reduzierte Breite und Form wird dabei kontrovers diskutiert.
Mit einer geschickt gelegten Aufzugslösung im Innern wird ein geschmeidiger Übergang zum Stadtschloss ermöglicht. Damit wird der Entwurf dem höhengestaffelten Stadtraum auf vorzügliche Weise gerecht. Durch die Platzierung des Neubaus wird die Fachwerkwand des westlichen Nachbarn sichtbares Gegenüber und markante Hofbegrenzung. Das Stadtschloss wird vom Hofraum aus ins Blickfeld gerückt. Das angestrebte Stadtgrün wird pointiert als berankte Fassade im Hof bzw. als Dachgarten zum Verweilen eingesetzt.
Die innere Erschliessung führt über das Foyer mit der Touristinformation, marktseitig sehr gut auffindbar gelegen, an einer großen Bücherwand vorbei. Die Hoffassade ist hochtransparent ausgebildet, lenkt viel Licht nach innen und gibt mit ihrer Gliederung den Rhythmus der inneren Struktur wieder.
Die zum Hof hin orientierte Erdgeschosszone mit ihren gleichmäßig ansteigenden Podesten bildet dabei eine anregende, neue Raumstruktur für den Bereich Kinder und Jungend, die zum Besitzen und Lesen einlädt. Veranstaltungen wie Lesungen und neue Bildungsformate könnten damit einen atmosphärisch wie räumlich spannenden Rahmen erhalten. Parallel zur Binnenwelt wird der Hof strukturiert - dieser kann als äußere Lesetreppe genutzt werden. In der Tiefe der östlichen Grundstückstasche werden geschossweise großzügig geschnittene und gut möblierte Leseebenen angelegt. Alle Lesebereiche sind von großer Prägnanz und durch differenzierte natürliche Belichtung gekennzeichnet. Ein Lernhaus mit Seminarräumen und Makerspace wird im 2. Obergeschoss exponiert angelegt und erhält einen schönen Bezug zur Dachterrasse mit Blick über die Stadt.
Die Höhenentwicklung dieses Baukörpers wird kritisch hinterfragt, erscheint aber aus der Maßstäblichkeit der wichtigen Bauten der Stadt (Rathaus, Schule, Schloss, nun auch Bibliothek) gerechtfertigt. Eventuelle betroffene nachbarliche Rechte könnten in einer weiteren Bearbeitungsstufe ausgeglichen werden.
Komplexer wird die Diskussion um die fehlende Barrierefreiheit in der unteren Bibliotheksebene sowie im Innenhof gesehen. Zwar ist die entwickelte Raumsituation ein absolutes Alleinstellungsmerkmal für Lichtenfels, die Benutzerfreundlichkeit sollte im Weiteren nachgewiesen werden. Weniger wird das vollflächige Niveauelement des Geschosses eingefordert, es bleibt aber die Frage, wie Bücher- und Kinderwagen im Innenraum zu den gestuften Regalbereichen geführt werden können.
Das Thema der Stufen im Innen- und Aussenraum ist bei einer weiteren Bearbeitung intensiv zu diskutieren.
Insgesamt besticht die Arbeit durch ihre intelligente städtebauliche Haltung, die disziplinierte Programmerfüllung und die Strahlkraft der Innenräume. Wie bei allen richtungsweisenden Entwürfen wird der Erfolg der Arbeit von der Akzeptanz des besonderen Raumkonzepts abhängen.