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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Sanierung und Umnutzung einer Hofanlage zum Bürgerhaus in Wiesenbronn

3. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

Architekturbüro Josef Prinz BDA

Architektur

Lintig + Sengewald

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Realisierungsteil des Projektes „Bürgerhaus Wiesenbronn“ mit einem städtebaulichen und freiraumplanerischen Ideenteil erfordert eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit den funktionalen und gestalterischen Rahmenbedingungen. Die städtebaulich wertvolle, historisch geprägte Umgebung mit ihren Erschließungs-strukturen bedarf einer detaillierten Analyse im Kontext zu dem historischen Ortskern, den ortsbildprägenden Baudenkmälern sowie den Frei- und Verkehrsräumen im Zentrum des Ortes.

Städtebauliche Zielsetzungen
Eingebettet in die landschaftliche Umgebung hat Wiesenbronn als kleiner Ort große Qualitäten. Dörflicher Charakter, menschlicher Maßstab und teils historische Bausubstanz sind noch spürbar und werden wieder zu Leitlinien für die künftige Entwicklung.
Der Umgang mit der bestehenden Scheune sowie die Herangehensweise an das neue, ergänzende Gebäude orientiert sich in seiner städtebaulichen Ausformulierung an den historisch verorteten vorgefundenen Randbedingungen. Ziel ist eine bestmöglichste Integration, bei gleichzeitig zurückhaltendem, angemessenem und behutsam Identität stiftendem Erkennungs-wert, in die jetzige Umgebung.
Das bestehende Scheunengebäude soll in seiner historischen Erscheinung unter größtem Respekt behutsam ertüchtig und in Teilen eine ergänzende Nutzung erfahren. Ergänzungen sollen städtebaulich auf keinen Fall ortsprägend sein, sondern vielmehr als ein Gesamtensemble punktuell mit dem Rathaus in Verbindung stehend in Erscheinung treten und erst auf den zweiten Blick erkennbar sein. Das benachbarte Rathaus behält hierbei seine ortsbildprägende Präsenz und trägt weiterhin zur Identität des Ortes bei.
Die neuen Gebäudeteile sollen sich gleichwertig, selbst-verständlich, zurückhaltend und unaufgeregt der Situation und der Nutzung angemessen präsentieren: Die vorgefundenen Strukturen werden aufgenommen und, ohne sich mit den neuen Gebäudeteilen in den Vordergrund drängen zu wollen, fortführt; die charakteristische Dachlandschaft des Ortes, bestehend aus Sattel-, Walm-, und Mansarddachbauten, wird hierbei aufgegriffen und fortgeschrieben.
Während die Scheune eine Auffrischung der bestehenden Putzfassade mit neuen Holztoren erfährt, bildet der neue Gebäudeteil gestützt durch die maßstäbliche Höhenentwicklung eine gläserne Fortführung des Bestandes, welche in einem zwei geschossigen, gläsernen Verbindungsgang zum Rathaus mündet. Das neue Haus und das Rathaus, gruppiert um einen Platz, verschmelzen zu einer identifikationsstiftenden Einheit, dem neuen Bürgerhaus Wiesenbronn.
Durch Abbruch des Wohnhauses, des Garagengebäudes und des kleinen Schuppens entsteht dem neuen Bürgerhaus vorgelagert ein geräumiger geschützter Gemeindeplatz, zum Straßenraum abgeschirmt, zum Sitzen unter einer Weinlaube einladend. Direkt angrenzend ein Platzraum der die drei Funktionsbausteine Rathaus, Touristeninformation und Bürgersaal verbindet und zum Straßenraum sich öffnet und eine einladende Geste aufweist. Gemeinsam mit weiteren öffentlichen Plätzen im Ideenteil wird der Ortskern belebt und gestärkt, Aufenthaltsmöglichkeiten werden angeboten und das soziale Leben wird gefördert.
Durch Neubebauung entlang der Kleinlangheimerstrasse lässt sich das Potential der vorhandenen Grundstücke optimal und effizient ausschöpfen. Die neuen eingefügten Häuser situieren sich harmonisch im Kontext der kleinteiligen Strukturen des Altortes und vervollständigen die städtebauliche Situation. Die Gebäudehöhen sowie das äußere Erscheinungsbild orientieren sich an Nachbar-gebäuden, bestehende Raumkanten aus der Nachbarschaft werden aufgenommen und Lücken geschlossen.
Zwischen den neu eingefügten Bauteilen entstehen weitere öffentliche und halböffentliche Plätze. Der Ortskern wird bereichert durch ein großzügiges Angebot an öffentlichem Freiraum zur Begegnung, Veranstaltung und zum Spiel.
Die Zielsetzungen der behutsamen sinnfälligen Integration bei gleichzeitiger zurückhaltender identitätsstiftender Selbstdarstellung wird durch die vorgeschlagene Gestaltung und Komposition gestützt. Schwerpunkt der neuen Nutzung soll das Mehrgenerationenwohnen darstellen, mit angemessenen Wohnungsgrössen, die sich um die zentralen Freiflächen gruppieren. Flächen für Gemeinschaftseinrichtungen im Erdgeschoss, für Dienstleistungen und Büros komplettieren eine Nutzungsvielfalt und schaffen ein lebendiges Quartier.

Drei Plätze für Wiesenbronn
Angestrebt wird eine Neuaufteilung des Straßenraums, Fußgängerflächen werden erweitert und als Aufenthaltsbereiche oder Aufstellflächen (Krämerladen) genutzt. Verkehrsflächen werden als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich bzw. Tempo 30 Zone ausgewiesen.
Im Ort entstehen drei Plätze: der Platz vor der ehemaligen Synagoge, flexibel nutzbar, mit kleinem Wochenmarkt, Bücherregal, Spielpunkt für Kinder, zum Sitzen, Schauen.
Der Rathausplatz, der sich bis zum ‚Schwarzen Adler‘ aufspannt, klar gefasst, heute aber nur als Verkehrsraum lesbar, mit durchgehendem Belag und weitgehendem Verzicht auf Stellplätze wirkt er ruhiger und großzügiger - ein angemessenes Vorfeld für das historische Rathaus.
Der Platz am Bürgerhaus erhält eine Laube. Mit ca. 3m hohen weinberankten Holzstelen und Spanndrähten erweitert sie die einfache Architektur der Scheune um einen grünen Außenraum. Eine lange Tafel ist fest installiert, für Bürgercafé, Bürgerfeste, zum spontanen Treffen, picknicken und plaudern…

Gebäudetypologie Nutzungskonzeption
Das Gebäudekonzept gliedert die zwei Funktionsbereiche: das Bürgerhaus mit Touristeninformation und Vereinsräumen im Neubau, und den Veranstaltungsbereich in der bestehenden Scheune. Die beiden Bereiche können trotz überschneidender Erschließungsstrukturen bei Bedarf entsprechend abgetrennt werden. Synergieeffekte zwischen beiden Nutzungseinheiten und auch dem Rathaus sind gut möglich. Der Gemeindeplatz, eingefasst durch das Nutzungsensemble, dient hierbei als Bindeglied und schafft eine angemessene Zugänglichkeit. Das Vordach betont den Eingang zusätzlich und verbindet die Scheune mit dem Neubau. Eine Hinweistafel als Schaufenster, eingelassen in die Außenwand des Rathauses, dient als Standort für öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinde. Über den teils eingefriedeten und von der Hauptstraße abgeschirmten Gemeindeplatz gelangt man in die im Erdgeschoss des Neubaus angesiedelte Touristeninformation und über einen Verbindungsgang ins Rathaus. Die flexible Raumeinheit verfügt über einen diskreten Zugang was insbesondere einer Nutzung als temporäres Arztzimmer entgegen kommt.
Hier befindet sich auch der Erschließungskern mit Treppe und Aufzug, der die Geschosse aller Gebäude, auch die des Rathauses und der Veranstaltungsscheune barrierefrei miteinander verbindet.
Im Bestandsgebäude der Alten Scheune findet man auf gleicher Ebene den Zugang zum Foyer des Veranstaltungsbereiches, zu den gemeinsamen WC Anlagen sowie zum Küchenbereich. Das Foyer kann bei Bedarf flexibel abgetrennt werden, sodass ein weiterer schallgeschützter Gemeinschaftsraum generiert werden kann. Die Gewerbeküche kann hier gemäß heutigen technischen Anforderungen bei Abbruch der massiven Zwischendecke realisiert werden. Ein Lastenaufzug verbindet die Küche mit dem darüber liegenden Veranstaltungssaal. Ebenso wird eine Gastraumerweiterung unter Einbeziehung des Innenhofs vorgeschlagen.

Das erste Obergeschoss als additiv eingefügter Körper, scheinbar wie ein großer massiver Tisch in die Alte Scheune reingesetzt, beherbergt den eindrucksvoll mit behutsam restauriertem freigelegtem Gebälk inszenierten Veranstaltungssaal. Großzügige Fensterflächen in den Giebelwänden und im darüber liegenden Dachraum schaffen einen gossen, lichten Raum für vielfältige Nutzungen.
Im angegliederten Neubau befinden sich im ersten und zweiten Obergeschoss Veranstaltungsräume, die in der oberen Ebene über großzügige Öffnungen im Dach belichtet werden.
Dieser Bereich ist unterkellert und bietet Platz für Technik und Lagerräume.

Konstruktion / Materialien
Das Bürgerhaus Wiesenbronn soll in konstruktiv klaren Grundzügen im Massiv- und Holzbauweise entstehen.
Der Scheunendachstuhl wird erhalten, ertüchtigt und bildet für den Saal unter Ausnutzung der angemessenen hohen statischen Höhe den Rahmen. Die eingefügten Neubauteile sollen aus Stahlbeton erfolgen. Auch der Dachstuhl des Neubaus soll als ingenieurmäßiger Holzbau aufgebaut werden mit Biberschwanzziegel, in Anlehnung an das Vorgefundene, gedeckt. Feingliedrige Stützen und Holzträger rahmen das Gebäude und schaffen ein klares feingliedriges Erscheinungsbild.

Energie und Ökologie
Angestrebt wird eine technisch innovative und dennoch sehr einfache, den Anforderungen an ein öffentliches Gebäude gerecht werdende technische Installation. Durch sinnvollen Einsatz von nachhaltigen Baustoffen wird ein auch ökologisch zeitgemäßes Gebäude entstehen.
In einer künftigen intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit mit den entsprechenden Ingenieuren in Zuge der weiteren Planungsphasen werden diese sinnvolle Zielsetzungen und beabsichtigten Maßnahmen weiter untersucht und präzisiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept sieht den Rückbau des Wohnhauses und den Erhalt der Scheune. Durch die Verlängerung der Scheune in Richtung Rathaus entsteht zwischen Straße und Scheune ein Platz. Dieser Platz wird durch eine Weinlaube und einen Brunnen straßenseitig abgetrennt. Hierdurch entsteht eine Aufenthaltsqualität. Durch den Verlängerungsbau wird ein ebenerdiger und ein Zugang im Obergeschoss zum Rathaus ermöglicht. Ferner wird das Rathaus freigestellt. Dies wird als positiv angesehen. Die Lage des Eingangsbereiches ist nicht nachvollziehbar.
Durch den Erhalt der Scheune und den Einbau des Saales im OG kann der Dachstuhl zur Geltung gebracht werden. Der Saal wird durch einen Aufzug und drei Treppenanlagen erschlossen. Durch dieses bedingt wird der Grundriss im Erdgeschoss zergliedert und benötigt viele Verkehrsflächen. Der gesamte EG Grundriss weist Defizite auf.
Die Gestaltung der Fassade kann nicht überzeugen. Die geplanten Dachflächenfenster entsprechen nicht der Gestaltungssatzung. Gewürdigt wird die kompakte Bauweise.

Der Anteil des Ideenwettbewerbs gliedert sich in eine Hoffläche und einen Platz. Sowie drei neuen Bauköpern. Die geplante Eckbebauung mit einem Innenhof zur Badersgasse ist fragwürdig. Hingehend wird das Freistellen der Synagoge und die Rücksichtnahme der Bestandsgebäude als positiv bewertet.