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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Radstation mit Gastronomie Europaplatz in Tübingen

2. Preis

Preisgeld: 9.000 EUR

Behnisch Architekten

Architektur

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

Architektur
Am Europaplatz Tübingen soll in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs eine neue Radstation entstehen. Es ist geplant, in dem Pavillon neben einer Valet-Parkstation für Fahrräder, einer Abfahrtsrampe zu den unterirdischen Parkplätzen, einer Fahrradwerkstatt und einem öffentlichen WC Bereich ebenfalls ein Restaurant mit Küche unterzubringen.
Zum Park am See hin gelegen – zwischen Bahnhof, Zufahrtstraße und benachbarter Bebauung – öffnet sich der Pavillon mehr zum Grün und zur Landschaft als zum Gebauten seiner Umgebung. Einrichtungen wie die Abfahrtsrampe, mit ihrem blauen Belag eher eine Fortführung des Fahrradweges, die Annahme des Valet-Parken mit der Fahrradwerkstatt und die vom Bahnhofsvorplatz erkennbaren WC-Anlagen sind der Straße zugewandt – eben jene Elemente, die der Stadt und dem Verkehr zuzuordnen sind. Die zu planenden Umkleiden und Duschen sind mit der Fahrradtiefgarage verbunden und werden über die Abfahrtsrampe und der bereits geplanten Tiefgarage erreicht. Sie bietet ebenfalls ausreichend viel Platz für E-Bikes mit Ladestationen, für Fußgänger und für die gewünschten zwei Fahrspuren.
Der Empfangsbereich für die Fahrradabgabe befindet sich neben der Abfahrtsrampe zu den unterirdischen Stellplätzen. Die Abgabe der Räder kann sowohl direkt am Empfangsbereich im Innenraum als auch im durch das auskragende Dach geschützten Bereich der Außenannahmestelle erfolgen. Vom Empfangstresen aus können die Fahrräder dann durch das Personal entweder per Aufzug in den Valet-Bereich oder falls notwendig in die Werkstatt gebracht werden. Die notwendigen Arbeits- und Aufenthaltsbereiche der Angestellten sind natürlich belichtet und haben Blickbeziehungen nach außen.
Die Gastronomie ist zum Park hin orientiert, die Fassade lässt sich im Sommer großzügig öffnen und eine Außenbestuhlung bietet zusätzliche Sitzplätze mit Ausblick auf den See. Der Pavillon selbst tritt wie eine formale Fortführung der Abfahrtsrampe in Erscheinung und faltet sich in zwei weiteren Flächen nach oben. Durch die Faltung des Daches wird die Masse des Pavillons reduziert und der landschaftliche Bezug unterstrichen. Er erscheint formal als Bestandteil des Parks, der so erlebbar bleibt. Die leichte Verschiebung des Pavillons nach Norden erlaubt es, die Rampe als „gebaute Landschaft“ und nicht als dunkle Einfahrt in ein Gebäude zu wahrzunehmen. Auch wird dadurch die Blickverbindung vom Bahnhof zum See erhalten, schirmt nicht ab, sondern wirkt für die Besucher einladend.

Tragwerk
Beim Tragwerk der Radstation handelt es sich um einen Holzbau in Massivbauweise. Das Dachtragwerk aus Brettsperrholz kann bei Dicken von 30cm kostengünstig ausgeführt werden. Die Aussteifung des Gebäudes wird über den Stahlbetonkern des Treppenhauses, der aus dem Untergeschoss nach oben geführt wird, sowie über die tragenden Außenwände in Massivholzbauweise gewährleistet.
Die vertikale Unterstützung des Holzdaches erfolgt durch schlanke Pendelstützen aus Stahl mit ca. 15cm Durchmesser sowie durch die aussteifenden Bauteile. Der aussteifende Stahlbetonkern übernimmt dabei auch Anforderungen des Brandschutzes.
Das Kellergeschoss mit Valet-Parking und Rampe wird konventionell in Stahlbetonbauweise ausgeführt. Die moderaten Spannweiten von 6-7m können mittels einer schlanken Flachdecke mit 25cm Dicke kostengünstig überbrückt werden. Die umschließenden Stahlbetonwände des Kellerkastens mit 30cm Wandstärke und die tragende Bodenplatte ermöglichen auch eine Ausführung als weiße Wanne.

Energiekonzept
Die Radstation soll als natürlicher und suffizienter Baukörper eine Brücke schlagen zwischen der inter- und innerstädtischen Mobilität und des anliegenden Parks.
Ein begrüntes Dach wird optisch zur Erweiterung des Parks, dient als Retentionsfläche und trägt zur Verbesserung des Mikroklimas bei. Zusätzlich wirkt sie als effektive Wärmedämmung. Eine großzügig mit Photovoltaik belegte Dachfläche versorgt die Radstation mit ausreichend Energie, um tagsüber eine Zero-Emissions-Versorgung der e-Bikes zu ermöglichen. Die Motoren der e-Bikes fungieren dabei als sinnvoller Speicher der solaren Energie. Die Dachform schafft zudem witterungsgeschützte Außenbereiche.
Für das Energie und Heizkonzept wird eine sinnvolle Klimatisierung der Räume entsprechend der Nutzungen angestrebt, um den Energiebedarf gering zu halten. Die Verwendung des natürlichen und nachhaltigen Baustoffs Holz trägt zur Verringerung der grauen Energiebilanz des Gebäudes bei.
Der Anschluss an das Fernwärmenetz der Stadt Tübingen minimiert in Kombination mit einem hohen Gebäudehüllenstandard den Primärenergiebedarf der Radstation. Für den winterlichen Komfort wird entlang der Glasfassade des Cafés über Unterflurkonvektoren warme Luft in den Raum eingebracht, die sowohl die Frischluftversorgung als auch Temperierung des Raumes garantieren. Mittels Wärmerückgewinnung können die Nutzungsräume das Gebäude effizient beheizt werden. Lagerräume werden durch die Gebäudemasse und Dämmung ausschließlich passiv temperiert.
Der Sommerliche Wärmeschutz wird durch die besondere Dachform erreicht, welche die solaren Erträge minimiert. Tagsüber kann über die transparente Fassade großflächig natürlich gelüftet werden. Unterstützt durch Deckenventilatoren kann so ein angenehm kühles Raumklima auch an heißen Tagen erzielt werden. Die Thermische Masse des Fundaments wird kombiniert mit einer Nachtlüftung für eine natürliche Kühlung vor allem im Untergeschoss genutzt. Über Nacht ausgekühlt, strahlen die Bauteile über warme Sommertage kühl ab.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln konsequent ein Bauwerk generiert aus einer imaginären Dachfläche, die durch die drei geforderten Funktionsbereiche zerteilt wird. Die einzelnen Dachsegmente versetzen sich und lassen mit Art und Form der Zerschneidung und der Anordnung zueinander die gewünschten Blickbezüge zum See, zur Stadt und zum Bahnhof entstehen. Somit übernimmt das Gebäude die geforderte Scharnier-Funktion. Die präzise Zuweisung der einzelnen Funktionsbereiche zu Ihren Segmenten, Rampe, Velostation und Café gelingt nur in Teilbereichen, welches sich auch in der formalen Durcharbeitung dieser Verkehrsskulptur zeigt. Hochpunktausbildungen und Verschneidungen gelingen nicht in Gänze.

Intensive und kontroverse Diskussion werden über die Abfahrtsrampe als erstes Segment geführt, die den Reisenden, Pendler und Schüler empfängt und die Fahrradmobilität zwangsläufig in den Fokus stellt. Das Café dahinter verbindet geschickt die Wege und Bezüge zwischen Park und Bahnhof und kommuniziert mit dem Außenraum. Die Belange der Fahrradwerkstatt und der Velo Servicestation im letzten Segment entlang der Bahnhofsallee liegen an der richtigen Zugangsposition, allerdings wird die gewünschte Kommunikation zwischen Rampe und Fahrradbereich vermisst und leider gibt es keinerlei Sichtbezüge. Die öffentlichen Sanitärbereiche sind mit Ihrer Position zu abgelegen. Das Raumprogramm ist nur in Teilen gut umgesetzt und die Organisation der Fahrradbereiche im Untergeschoss wirft viele Fragen auf.

Die konsequente und reduzierte Fassadengestaltung besticht und die Ausführung in Holzbauweise überzeugt und trägt dem Funktionsbauwerk Rechnung.

Die wirtschaftlichen Kenndaten des Projektes und die Flächeneffizienzzahlen liegen im positiven Bereich.

Die neue Radstation in Tübingen besticht auf den ersten Blick mit einer städtebaulich, gewagten und aus der Funktion heraus entwickelten neuen Typologie eines Verkehrsbauwerk. Leider gelingt es nicht dieses Experiment hinsichtlich seiner skulpturalen Durcharbeitung und funktionaler Abläufe konsequent weiterzuführen.
Lageplan

Lageplan

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht West

Ansicht West

Schnitt A-A

Schnitt A-A

Schnitt B-B

Schnitt B-B