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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2008

Theater der Stadt Heidelberg

1. Preis

Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB

Architektur

Erläuterungstext

städtebau
Die grosse Kubatur der Theaterfunktionen verbirgt sich unter einer durchgehend auf 6m angehobenen steiner-nen Dachplatte. Diese Dachplatte fährt allseitig die Grundstückskanten nach und verbindet auf diese Weise die heterogene Gebäudesubstanz. Die Kuben für den Bühnenturm, Zuschauerraum und Musikprobenbereich durchstossen die Dachplatte. So fügt sich die grossvolumige Nutzung des Theaters sowohl im Strassenraum als auch in der Dachaufsicht harmonisch in das städtebauliche Gefüge und Maszstäblichkeit der umgebenden Altstadt ein. An den Anschlüssen zu den Altbauten ist die Dachplatte durch eine schmale Lichtfuge abgelöst, so dass diese ihre Eigenständigkeit bewahren.
Der neugestaltete Theaterplatz gegenüber dem Haupteingang wird nach Osten durch eine dreigeschossige Randbebauung gefasst (mit einer platzbelebenden Nutzung im Erdgeschoss) und dient als Freifläche vor und nach den Aufführungen, bzw. in den Pausen.

erschliessung
Der Zuschauerbereich des historischen Theatersaals sowie das anschliessende Foyer wird auf die ursprüngli-che Höhe abgesenkt. Daraus ergibt sich z.T. eine stufenlose Erschliessung der alten und neuen Foyerbereiche. Die Anordnung der Kassen und Information an der Schnittstelle zwischen alten und neuem Foyer und die An-ordnung der Garderoben im Erdgeschoss Theaterstrasse 4 ist für den Besucher leicht auffindbar. Die Bühnen-anlieferung erfolgt über die bestehende Durchfahrt im Haus Theaterstrasse 8, die nur geringfügig erweitert werden muss. Der südliche Bereich des Theaterplatzes wird als Rangierfläche freigehalten, so dass sich eine problemlose Zufahrt ergibt. Die Bühnenanlieferung mit kleinem Anlieferhof ist geradlinig mit der Haupter-schliessungsachse des Funktionsbereichs verbunden.

theatersaal
Aus der vorgeschlagenen Kombination der alten und neuen Bühnenbereiche ergibt sich eine untypische Sei-tenerschliessung des neuen Theatersaals, aus der jedoch eine spezifisches und neuartiges Raumkonzept entwickelt wird. Das Foyer wird im Parkett und in der Rangebene mit einem L-förmigen Erschliessungs’balkon’ verknüpft. Die sich im Parkett ergebende keilförmige Treppenanlage ermöglicht eine flüssige Füllung und Lee-rung des Saales und eröffnet zugleich vielfältige neuartige Aktionsmöglichkeiten für Inszenierungen. Da der Rang auch innerhalb des Saals mit dem Parkett verknüpft ist, bietet auch dieser zusätzliche und neuartige Auftrittsmöglichkeiten. Durch die Einbeziehung des Foyers und die Verglasung der Rückwand (die mit Vorhän-gen geschlossen werden kann) wird eine optische Vergrösserung des Saals und eine unkonventionelle Atmo-sphäre erreicht, die sich vom bestehenden Saal unterscheidet.

foyer
Das zweigeschossige Foyer des Neubaus ist räumlich grosszügig mit Freitreppe und Luftraum konzipiert und schliesst höhengleich an die Foyerebene des Altbaus und des 1. Rangs an. Aus der Galerieebene wird gleich-zeitig das Theaterrestaurant erschlossen, das im Altbau Theaterstrasse 4 eine spezifische Atmosphäre mit Blick auf die Altstadtkulisse und das Schloss hat. Vom historischen Foyer des 2. Rangs ist schwellenlos die Dachplatte als Theaterterrasse zu begehen.


nutzung der altbauten
Theaterstrasse 8 und 10
Die Gebäude Theaterstrasse 8 und Theaterstrasse 10 werden im Inneren höhengleich verbunden. Da diese sich gut für eine büroartige Nutzung eignen ist hier die künstlerische Leitung adäquat angeordnet mit sehr kurzen Wegebeziehung zu den öffentlichen Bereichen. Im Erdgeschoss ist die Pforte angeordnet, die auch als Künstlereingang dient.

Theaterstrasse 4
Im Erdgeschoss werden Garderobenbereiche und Schliessfächer angeordnet, im 1. Obergeschoss das Thea-terrestaurant das gleichzeitig als Kantine genutzt wird. Das 1. Obergeschoss eignet sich gut für die Verwaltung, das 2. Obergeschoss für Wohnungen der Gastschauspieler o.ä. Eine direkte vertikale Erschliessung von der Theaterstrasse ist gegeben, ebenso direkte Zugänge zu den öffentlichen Bereichen (z.B. Kasse).

Friedrichstrasse 5
Der Altbau Friedrichstrasse 5 wird im 2. OG für die Büroräume der technischen Leitung genutzt, die hier zentral in unmittelbarer Nähe der Werkstätten angeordnet sind. Die Werkstattbereiche mit geringeren Raumhöhen, die zugleich nicht über den Lastenaufzug erschlossen werden müssen (Beleuchtungs-, Tonwerkstatt, Maskenbild-nerei, Schneiderei), werden im 1. OG und EG angeordnet. Mit kurzen Wegen zu den Werkstätten liegen hier auch die Bürobereiche der Werkstätten.

werkstätten
Um eine einfache Bestückung der Bühne, des Montageraums und des Magazins zu ermöglichen, liegen alle grossen Werkstattbereiche (Malsaal, Deko- und Plastikerwerkstatt, Schreinerei, Schlosserei), die grosse Bau-teile verarbeiten, höhengleich auf der Bühnenebene. Umlaufend an der Grundstücksgrenze sowie am Anliefer-hof wird eine Seitenbelichtung ermöglicht, die aufgrund des halbgeschossigen Versatzes zum Geländeverlauf oberlichtartig ausgebildet ist.

proberäume musik
Die öffentlich zugänglichen Proberäume (Orchester, Chor) sind auf der Höhe des 1. Rangs angeordnet. Diese sind daher, schwellenlos und sehr gut auffindbar, aus den öffentlichen Bereichen erreichbar. Die Proberäume drücken sich mit grösserer Raumhöhe durch die Dachplatte und sind über diese Aufbauten seitlich belichtet und zugleich aus der Theaterstrasse auch über eine Galerie zu erschliessen (= Flucht-weg); die kleineren Stimmzimmer sind entlang der Fassaden angeordnet.

probebühnen
Zwei der drei Probebühnen sind ebenfalls über die öffentlichen Foyerflächen des historischen Theaters, an die sich notwendige Treppen und Aufzugsanlagen anschliessen, erreichbar. Der Lastenaufzug ermög-licht die einfache Anbindung an die Werkstätten, Magazin und Lager.
Die 3. Probebühne ist auf der Bühnenebene an der Friedrichstrasse angeordnet und öffnet sich hierhin schaufensterartig; auch ist eine direkte externe Erschliessung möglich.

lager
Alle notwendigen Lagerflächen sind ebenengleich unter dem Werkstattbereich angeordnet und mit dem Lastenaufzug unmittelbar an den Bühnen- und Werksattbereich sowie die Anlieferung angebunden.

künstlergarderoben
Die Künstlergarderoben für Solisten, Statisten und Musiker sind halbgeschossig versetzt mit Treppe und Aufzug in unmittelbarer Nähe zur Seitenbühne vorgesehen.


architektonische gestaltung
Das städtebauliche Konzept der verbindenden und beruhigenden Dachplatte wird durch eine homogene ruhige Fassadengestaltung, die alle Neubaubereiche umfasst, unterstützt. Die vorgeschlagene senkrech-te feingliedrige Fassadenstruktur aus eingefärbtem hell-beigem Beton nimmt vorhandene Proportionen auf und gibt den Altbauten ein zurückhaltendes, ruhiges Passepartout, so dass diese in ihrer Wirkung gesteigert werden. Die Dachfläche ist begehbar (tlw. Fluchtweg) und mit Stein (gleichfarbig wie Fassade) belegt. Die Fassadenstruktur ermöglicht eine natürliche Belichtung aller Bereiche; zugleich öffnet sich das Theater auf diese Weise schaufensterartig in den Strassenraum.
Theatersaal und Foyer heben sich in der Gestaltung und Materialwahl bewusst von dem reich dekorativen Bestand ab. Eine lamellenartige, stabförmige Verkleidung ermöglicht es, alle erforderlichen akustischen und technischen Elemente zu verstecken, ohne den Gesamtraum zu stören. Eine durchgängige Material- und Farbwahl im Saal und Foyer unterstützen das räumliche Konzept (Grauer Muschelkalkboden im Foyer, grauer Teppich im Saal). Rote Sitzpolster erzeugen mit der Beleuchtung eine feierliche, angemes-sene Atmosphäre.

ausführung
Die Stahlbetonkonstruktion aus 2-achsig gespannten Hohlkörperdecken erlaubt weitgehend stützenfreie Räu-me, die im Bereich der Werkstätten z.B. auch flexibel, bzw. veränderbar unterteilt werden können.
Es ist ein in der Herstellung und im Betrieb wirtschaftliches Haustechnikkonzept mit allen Komponenten vorge-sehen, um den gewünschten Passivhausstandard der Neubauteile zu erreichen. Dabei wird die Speicherfähig-keit der Decken und Wände durch eine Bauteilaktivierung in das Energiekonzept eingebunden. Alle Technik-flächen werden zentral unterhalb des Bühnenturme angeordnet, so dass nur kleine Verteilnetze erforderlich sind. Die Verteilung aller Medien erfolgt so, dass in jedem Bereich die Möglichkeit nachträglicher Installation gesichert ist.
Durch die Baukörpermodulation ist es möglich, die Abwärme (z.B. der Beleuchtung oberhalb des Zuschauer-raums und Bühnenturm) direkt abzuführen. Auch ist diese Gliederung in Hinblick auf die vorgesehene Nacht-auskühlung vorteilhaft. An den verglasten Bauteilen ist als sommerlicher Wärmeschutz aussenliegender Son-nenschutz vorgesehen. Die Anlieferung ist als Schleuse ausgebildet.

raumakustik saal
Das Auditorium ist dicht an den Orchestergraben bzw. an die Bühne geplant, was eine gute Direktschallversor-gung sichert die durch das ansteigende Gestühl unterstützt wird. Zur weiteren Unterstützung wird die rechte Seitenwand und auch die Decke derart gefaltet, dass die 1. Reflektion ins Auditorium gelenkt wird. Hierdurch wird das Deutlichkeitsmaß D50 und somit das räumliche Klangbild gestärkt. Die reflektierenden Deckensegel und die reflektierenden Seitenwände werden über eine akustisch transparente lamellenartige Verkleidung ka-schiert. Die Verkleidung ist so durchlässig, dass sie keinen akustischen Einfluss aufweist. Auch die Empore wird über Deckensegel mit zusätzlichem Nutzschall aus der 1. Reflektion versorgt.
Die Nachhallzeitregulierung erfolgt zum grossen Teil über das Auditorium. Um eine besetzungsunab-hängige Akustik zu gewährleisten, wird die Bestuhlung an Sitz und Lehnen auskömmlich bepolstert und mit Stoff be-spannt. Als Bodenbelag wird Teppich vorgesehen um Störschall zu vermeiden. Darüber hinaus werden Flä-chen, die Störschall reflektieren können (Rückwände, Emporenunterseite) Schall absorbierend ausgebildet. An den Fenstern wird ein schwerer Vorhang mit ca. 350-500 g/m² 3-fach geworfen vorgesehen.
Um die Bestandsbühne von der neuen Bühne ausreichend zu entkoppeln ist eine Schalldämmung der Trenn-wand von R\'w >= 70 dB erforderlich. Dazu werden zwei Mobilwandanlagen (Schalldämmmasz R\'w = 45) mit einem lichten Abstand von mind. 60cm vorgesehen. Die beiden sich zugewandten Wandober-flächen werden jeweils Schall absorbierend ausgebildet.
Die Zugangstüren zum neuen Saal werden als Schallschutztüren mit einer Schalldämmung von Rw = 37 dB / Rw,p = 42 dB vorgesehen. Die Seitenwände der Stützen bzw. die Decke werden ähnlich einer Schallschleuse absorbierend ausgekleidet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit besticht durch das optisch geringe Bauvolumen, mit dem sich die Neubebauung städtebaulich gut in die Umgebung einfügt. Ermöglicht wird dies durch die vollständige Überbauung des Grundstücks mit einem zweigeschossigem Sockelbauwerk, mit dem sich Alt und Neu zu einem Gesamtensemble zusammenfügen. Die aufragenden Kuben der Proberäume und des Bühnenturms bilden maßstäbliche Hochpunkte und Gliederungen innerhalb der Dachlandschaft der Altstadt.

Besonders positiv hervorzuheben ist dabei, dass sämtliche Arbeitsplätze natürlich belichtet und belüftet werden können und gleichzeitig eine Vitrinenfunktion zum öffentlichen Raum übernehmen.

Die theatertechnischen Anforderungen sind in weitgehend optimaler Weise erfüllt.
Das Erdgeschoss ist im Foyerbereich auf die historische Saalhöhe abgesenkt und ermöglicht einen barrierefreien Hauptzugang, zudem wird das Spektrum der Nutzbarkeit des bisherigen Saales erweitert. Durch das Absenken des Niveaus müssen allerdings Haupt- und Nebenbühne auf verschiedenen Ebenen bespielt werden. Dies muss einen erhöhten Aufwand an Hebetechnik ausgeglichen werden.

Akustik
Die Saalgeometrie ist geeignet, alle akustischen Funktionen gut zu erreichen. Nachhallverlängerung ist durch Zuschalten des Volumens im erhöhten Deckenbereich möglich. Die Sicht- und Hörbedingungen könnten deutlich verbessert werden, wenn die Sitzreihenüberhöhung im Parkett nach hinten vergrößert würde. Unklar bleibt die Auswirkung der „akustischen Asymetrie“ des Saales. Für ausreichenden Schallschutz zum Foyer sind Schallschleusen erforderlich.

Gestaltung: Die Maßstäblichkeit der historischen Nachbarfassaden wird durch eine bewusst neutral gehaltene, mit Glas ausgefachte Beton-Skelettstruktur aufgenommen. Insgesamt entsteht ein entspannt-harmonisches Verhältnis zwischen Bestand und Neubau. Der Saal verspricht, auch durch die unterschiedlichen Treppen, eine vielfältige Bespielbarkeit.

Wirtschaftlichkeit: Aufgrund seiner Kennzahlen, seiner Raumanordnung und Bauweise verspricht der Entwurf eine gute Wirtschaftlichkeit.

Insgesamt überzeugt die Arbeit durch die gelungene städtebauliche Einfügung, ihre überzeugende Funktionalität und ihre reduzierte, aber angemessene Materialität.