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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Neubau Wohn- und Geschäftshaus Baufeld Rheinwiesen II Stadtquartier Zollhafen Mainz

3. Preis

Bjoern Schmidt Architektur

Architektur

Jörg van Kann

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Die innere Struktur des Hauses folgt der Prämisse sämtliche Einheiten zum Wasser und zur Petersaue auszurichten. Bei den Wohntypologien werden Wohnhallen als zentrale, durchgesteckte Elemente angeordnet, die sich zum Rhein auffächern.
Die Setzung der Wände spielt dabei mit den Raumkanten der städtebaulichen Vorgaben, die sich im Sichtbetonsockel ablesen lassen und über leicht gebrochene Ziegelpilaster in der Fassade aufgelockert werden. Im Dachrand wird der Fußabdruck durch Zurückstaffelung weiter aufgelöst - es entsteht eine eigenständige Volumetrie, die einen angemessenen Übergang zur Uferpromenade darstellt und das Haus im Kontext des Zollhafens verankert.
Die vertikale Struktur der Fassade wird durch horizontale Sichtbetonelemente, wie den Vordächern aufgebrochen, die gleichzeitig einer klaren Adressbildung dienen.

Der Charakter des Hafens bleibt durch die gewählte Materialität erhalten, die durch ihre Langlebigkeit zugleich eine Antwort auf die von der Witterung geprägte exponierte Lage direkt am Wasser ist.
Der Ziegel nimmt den genetischen Code auf, während die eingefärbten Sichtbetonelemente, die die vertikal rhythmisierte Fassadenstruktur in der horizontalen zerschneiden und auflockern, gleichzeitig im Bereich des Sockels einen soliden Hochwasserschutz ausbilden.
Die Ziegelpilaster treten plastisch hervor und strecken den liegenden Baukörper in die Vertikale – das Fassadenspiel steht in der Tradition des Backsteinexpressionismus und bildet ein selbstbewusstes Gesicht, sowohl zum Rhein, als auch zur baulichen Umgebung.

Die hochdämmende Gebäudehülle und der geringe Öffnungsanteils nach Süden sorgen für einen sehr guten winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz, so dass Transmissionswärmeverluste, sowie ungewünschte Wärmeeinträge gering bleiben.
Die nötige Heizenergie wird aus Fernwärme generiert und wird somit aus einem hohen Maß an regenerativen Energien nachhaltig erzeugt. Zudem erlauben die erhöhten Attiken eine großflächige Bespielung der Dachflächen mit PV-Anlagen ohne stadträumlich wahrnehmbar zu sein. Die restliche Dachfläche und TG-Decke werden begrünt, so dass ein maximaler Retentionsraum entsteht und die Entwässerungslast minimiert wird.

Da bei den Wohnungen an den lärmzugewandten Fassaden die mit Prallscheiben geschützten Fenster eine natürliche Belüftung erlauben, und das angestrebte Energieniveau die EnEV 2014 ist, könnte das Lüftungskonzept mit kostengünstigen Abluftanlagen in Bädern und Küchen, sowie schallgedämmeten Zuluftelementen über die Fenster bzw. Laibungen auskommen. Gemäß Bauherrnvorgabe wird der Planung aber eine KWL zugrunde gelegt, die in die Betondecke eingelegt ist.

Im Bereich der Büros erfolgt eine Betonkernaktivierung in Sichtbetondecken, über die geheizt und gekühlt werden kann. Die Flur-/Mittelzonen werden zudem abgehängt und mit Lüftungsanlagen ausgestattet, die zusätzlich eine Klimatisierung auf Nutzerwunsch möglich macht.

Erste Rettungswege sind jeweils in den drei außenliegenden Treppenräumen untergebracht, die in allen Einheiten im EG direkt ins Freie führen.
Die zweiten Rettungswege erfolgen über Anleiterung der Fenster. Im Bereich der lärmzugewandten Fassaden mit Kastenfenstern werden dafür entsprechende Fenster mit von außen revisionierbaren Prallscheiben ausgestattet. Die beiden 60qm Wohneinheiten, die ausschließlich Richtung Wasser orientiert sind, erhalten jeweils eine vom Balkon zugängliche skulptural ausformulierte Wendeltreppe, die in den Gemeinschaftshof führt.
Da im Bereich der Büros die Nutzflächen je Geschoss max. 250qm betragen und die Fluchtweglängen max. 29m lang sind, sind keine brandschutztechnischen Kompensationsmaßnahmen erforderlich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf ist durch schräge Wandstellungen geprägt, durch die sich die einzelnen Wohnungen noch Nordosten oder Südwesten hin öffnen bzw. verengen. Dadurch entstehen ungewöhnliche, progressive Typologien mit besonderen Qualitäten, aber auch Einschränkungen, zum Beispiel in Bezug auf die Möblierung. Auch die Anordnung der Küchen als offene Räume bzw. Durchgangsräume wird kritisch gesehen. Vor dem Hintergrund des Schallschutzes müssten die Küchen an der Nordwestfassade als Nicht-Aufenthaltsräume abtrennbar sein. Im südöstlichen Flügel des Gebäudes kommt die Systematik der schrägen Wände jedoch an ihre Grenzen – die dortigen Wohnungen wirken etwas ungeordnet. Die rheinseitigen Wohnungen im südöstlichen Flügel werden positiv eingeschätzt, weil den Wohnungen sowohl die Wasserlage als auch die Südorientierung zu Gute kommt.

Die Erschließungsbereiche der Wohnungen sind quer entlang der Straßenfassade angeordnet, wohl um die Schallschutzmaßnahmen teilweise umgehen zu können. Der Entwurf kommt so mit nur zwei Treppenräumen aus, von denen eines als 4-Spänner organisiert ist. Als Qualität wird gesehen, dass die Wohnungen in der Regel Wohn- und Schlafräume zum Rhein hin bieten. Der Begriff der »Wohnhallen« kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Die Idee, im Gewerbeteil sechs Geschosse anzubieten, wird negativ gesehen. Zum einen entsteht ein planungsrechtliches Überangebot von Geschossflächen in diesem Bereich, zum anderen sollen die Gewerbeflächen in dieser speziellen Lage durch besondere Qualitäten (z. B. Raumhöhen) überzeugen. Zwar wird grundsätzlich ein »Sich-Öffnen« zum Rhein hin als positiv gesehen. Der Öffnungsanteil im Gewerbebereich wird als zu hoch eingeschätzt: Zum einen liegt er deutlich über den gewünschten 50%, zum anderen wird er so den Prinzipien eines Mauerwerksbaus so nicht gerecht. Das Planungsrecht wird in Bezug auf die Baulinien weitgehend eingehalten – die dreieckig hervorspringenden Balkone müssten möglicherweise noch angepasst werden, erscheinen aber grundsätzlich genehmigungsfähig. Gestalterisch sehr kritisch gesehen wird die rheinseitige Fluchttreppe als Spindeltreppe, welche in ihrer zentralen Lage eine unangemessene Betonung schafft. Insgesamt wirkt der Entwurf speziell in der perspektivischen Darstellung sehr stark zergliedert und aufgerissen. Hier wäre eine eindeutigere Formulierung des Volumens erforderlich. Der Entwurf wird von der Jury als sehr eigenständiger und ungewöhnlicher Beitrag gewürdigt, der jedoch sowohl in seiner inneren Struktur als auch in der äußeren Gestaltung nicht alle Potentiale ausschöpft.
Grundriss Regelgeschoss

Grundriss Regelgeschoss

Innenraumskizze Wohnhalle

Innenraumskizze Wohnhalle

Grundrissvarianten Büro

Grundrissvarianten Büro

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Ansichten

Ansichten

Fassadendetails

Fassadendetails

Lageplan

Lageplan