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Einladungswettbewerb | 09/2019

Eversbuschstraße - „Hirmerei“ in München Allach

1. Preis

Preisgeld: 34.000 EUR

PALAIS MAI Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, BDA

Architektur

grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

STADTRAUM
Zwischen einer kleinen Straße und einer vielbefahrenen Bahnlinie, zwischen Einfamilienhäusern und Fabriken, nahe der Würm und dem Wald ist der Bauplatz ganz im Nordwesten der Stadt, nah der Verwaltungsgrenze, an einem Bahnhof der Schnellbahn die einen sowohl in die Innenstadt bringt aber auch weiter in die Landschaft und an den Flughafen. Es ist grün und leise, groß und laut aber auch klein und gemütlich. Man fühlt sich den Feldern näher als den Häusern der Stadt. Man lebt für sich, nebeneinander als Nachbarn aber im Eigenen. Diese Situation kann durch eine Setzung des gemeinschaftlichen, räumlich bestimmten, integrativen ideal ergänzt werden.

GROSSFORM
Das kollektive Wohnen hat in München eine lange und starke Tradition. Beginnend mit der ersten Residenz, dem alten Hof, als Sitz des „fürstlichen Wohnkollektivs“ (so eine Definition des Begriffs „Hof“) über die, in den Stadtkörper eingeschriebenen Klöster der Augustiner und Jesuiten sowie zahlreicher Beispiele des genossenschaftlichen „Reformwohnens“ um die Jahrhundertwende. Aus den frühen 20er Jahren liefert Otho Orlando Kurz auf der Theresienhöhe, sowie im Quartier an der Karl Theodor Straße, sowie die Siedlung Neuhausen besonders was die Architekturqualität der jeweiligen großen städtischen Formen betrifft, hervorragende Beispiele. Die Benennung z.B. des so genannten „Moll Blocks“ und der so einmaligen „Borstei“ als international vielfach referenzierte Typologie, nach den Stiftern und Besitzern bis hin zu den Wohnhofbauten der Nachkriegsmoderne in Sendling, der Maxvorstadt und Obergiesing bestätigen diese Tradition Münchens. Vielen dieser städtischen Raumgefüge gemeinsam ist dabei ihre Rolle als Pionier des kollektiven Lebens in der offenen, noch nicht klar determinierten und besetzten Stadtlandschaft. Die Große Form formuliert dann eine Behauptung des Möglichen. Sie ist Zeichen für ein zu erwartendes Miteinander in der Stadt. Beispielhaft dafür steht die Setzung der Borstei am Rande der damals vorstellbaren Stadt, unmittelbar neben Eisenbahngleisen, Gasometern und Trambahnwerkstätten. In dieser Tradition der selbstbewussten Setzung eines kollektiven Stadtbausteins sieht sich das vorgeschlagene Projekt. Ein gesamtformal gedachtes Gefüge verschiedener Raumsituationen, Qualitäten und Angebote. Groß als Form jedoch angepasst in der Erscheinung. Selbstbewusst aber interessiert an der Umgebung und konsequent in der Interpretation des Ortes.

HOF
Die Gebäude umgreifen in nahezu gleicher Höhe den Ort. Verschiedene Rücksetzungen erzeugen eine differenzierte Kontur. Die resultierende Form schafft ein Hofgefüge im Inneren. Hier, sich überlappende zueinander offene Höfe des Privaten, dort, der Umgebung zugewandte, den neuen Häusern vorgelagerte Stadträume des Öffentlichen. Zur Bahn hin wird die Form durch ein fünftes Geschoss stärker akzentuiert und entspricht so der Position am weiten Stadtraum der Bahnlinie. Im Westen, zu den benachbarten Häusern der Eversbuschstraße schaffen dreigeschossige Anbauten vertrauten Maßstab, markieren gleichzeitig die Hauseingänge und schaffen gleichermaßen Adressen , Orte der Nachbarschaft und der Hausgemeinschaft. Weitere Konturierungen an den Gebäudeecken, schaffen zusätzlichen Maßstab und optimieren die Belichtung der Wohnungen.
An bestimmten Stellen im Erdgeschoß schaffen gemeinschaftliche Nutzungen wie Werkstätten für das Radl, eine kleine Umkleide und Dusche am Südöstlichen Fitnessgarten, ein Raum für die Hausbrauerei und den Pizzaofen im Norden besondere Orte.
An einer Stelle öffnet sich die Form zur Eversbuschstraße hin und bindet sich so zusätzlich in die Nachbarschaft ein, ohne ihr Innen zu stark zu veröffentlichen. Von hier aus werden die Eingänge im östlichen Hofinneren erreicht. Die Häuser werden, so weit wie möglich, von außen, vom öffentlichen Raum aus erschlossen. Zwei Durchgänge im Westen schaffen einen durchgängigen Weg und führen zu den weiteren, außenliegenden westlichen Hauseingängen.

WOHNEN
Das Besondere am Wohnen im Gefüge, ist die Möglichkeit gemeinschaftliche Orte anzubieten und diese als ergänzende Besonderheit in Allach zu bespielen. In den dreigeschossigen Bauteilen zur Ebersbuschstraße ergänzt beispielsweise eine, über zwei Obergeschoße reichende Orangerie das Raumangebot der Bewohner und stellt ein Gartenzimmer des ganzen Hauses an der Straße zur Schau.Im Osten, zur lauten Bahn hin, führen offene Treppenlauben zu den Wohnungen und den Dachgärten. Die Wohnungen betritt man durch einen Wintergarten der einen wunderbaren Blick nach Osten entlang der Bahn bietet. Ein helles Entree das das „leise Lüften“ ermöglicht. Die verschiedenen Häuser die die Höfe umstellen, sind überwiegend als Spännertypen organisiert. Lediglich die in den Hofraum greifenden Gebäudeteile werden von Norden, mit kurzen aber zu den Wohnungseingängen verbreiterten Laubengängen erschlossen. Die Wohnungen im Erdgeschoss sind, mit Ausnahme einzelner Atelierwohnungen als Hochparterre gedacht. Großzügige Balkonanlagen beleben den Hof und ermöglichen Teilhabe. Gleichzeitig schaffen Sie eine Art Filter zum kollektiven Innenraum.

HORTUS INCLUSUS
Der Entwurf setzt auf die Differenzierung des Privaten und des öffentlichen Freiraums.
Die Höfe, als Privates und Halbprivates Innen, erfahren durch die Arrondierung der Form mit den Gärten eine besondere Ergänzung des Freiraumangebotes in Allach. Nur scheinbar verwandt mit dem historischen Hortus conclusus der Klöster und Festungsanlagen, zeigt sich der Hortus inclusus als einerseits als Teil der Form, andererseits ist er ein für alle frei zugänglicher öffentlicher Ort, der durch die Umfassungen definiert und beruhigt wird. Von allen Seiten betretbar, machen die verschiedenen Freiflächen differenzierte Angebote. Der eher städtische Garten im Norden, mit der Terrasse zum Gemeinschaftsangebot, der großzügige, von der Bahn abgewandte und so lärmgeschützte Grünraum im Süden. Beide mit einer gegliederten und begrünten Mauer gefasst, die je nach Anforderungen des Schalschutzes bezogen auf Höhe und Perforation, differenziert gestaltet werden kann. Die unterschiedlichen Seiten der neuen Hirmerei schaffen verschiedenen Atmosphären des Freiraums. Im Westen, zum öffentlichen Straßenraum hin, strukturieren Straßenbäume und gepflasterte Vorzonen das Entree der Häuser. Im Osten, zur Bahn hin, wo die Widmung des freien Zwischenraums erst in der weiteren Planung eine spezifische Atmosphäre zeigt, verhält sich der Grünraum bewusst offen und der Nachbarschaft zum Bahngleis entsprechend. Große Bäume und Wiesenflächen sorgen begleiten für ein Angebot von kleinen Sportflächen für die Anwohner und Nachbarn. Im Inneren der Höfe, ermöglichen reduzierte Unterbauungen eine ausgedehnte Bepflanzung mit großen Bäumen und so Sichtschutz für das Gegenüber und Schatten für das vergnügte Darunter. Dieses Angebot an Freiräumen wird durch die Zahlreichen gemeinschaftlichen Dachgärten ergänzt.

SCHALLSCHUTZ
Zur Eversbuschstraße sind alle Wohnungen entweder durchgesteckt oder zum Hof hin orientiert. Schallschutztechnische Maßnahmen sind somit zunächst nicht erforderlich aber bei Fenstern zur Eversbuschstraße hin, möglich. Zur Bahn hin, wo die Lärmwerte deutlich kritischer Erscheinen sind die Aufenthaltsräume der Wohnungen die zur Bahn orientiert sind, über die Entrees der Wohnungen belüftet. Auch nach Süden, zur Otto Wartburg Straße hin, bieten Schallschutzloggien ein ruhiges Wohnen. Die Freiräume der „Horti includi“, lassen sich durch die beschriebenen Wände schützen. Die se Maßnahme erscheint aber im Süden, bei den geforderten Schallwerten, nicht zwingend notwendig.

BRANDSCHUTZ
Die Zufahrten und Aufstellflächen für die Feuerwehr, wurden auf ein minimales Maß beschränkt. An Stellen an denen die Zu und Durchfahrten zu Lasten der grünen Innenhöfe gegangen wären, bieten sich jeweils zwei bauliche Rettungswege an. Die Spindeltreppen dienen dabei gleichzeitig als offener Shortcut um über die Laubengänge die grünen Höfe zu erreichen. Die relativ moderate Gebäudehöhe ermöglicht auch ein Anleitern der überwiegenden Anzahl der Wohnungen mit dreiteiligen Steckleitern.

BESTÄNDIGKEIT KONSTRUKTION
Die Gebäude sind als wässrig grün verputzte, monolithische Ziegelbauten aus Dämmziegel geplant. Ihnen vorgestellt werden die Stahlbetonkonstruktionen der Laubengänge und der Balkone. Farbige Fallarmmarkisen sorgen für gute Verschattung und ein heiteres Miteinander der Bewohner. Die weiß lackierten Fenster sind aus Holz gefertigt und ergänzen den vertrauten Eindruck dieser Münchner Wohnform. Angebote des Kollektiven gehen dabei nicht auf Kosten der Wohnfläche, sie verstetigen vielmehr das Miteinander im neuen Zuhause und sind somit unbedingte Teile der Beständigkeit des hier gezeigten: Der Hortus Hirmerei

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Verfassern gelingt es, mit ihrer städtebaulichen Konfiguration die bestimmende Form des Grundstücks mit der Komplexität der Anforderungen überzeugend zu interpretieren. Mit der Entscheidung, die Bebauung mit einer Großform, geschlossen aber durchlässig, in der Mitte des Grundstück zu situieren, werden übergeordnete Grünraumbezüge möglich. Dies unterscheidet die Arbeit von den Anderen, führte aber auch zu einer kontroversen Diskussion.

Durch die Segmentierung der geschlossenen Großform mit maßstäblich erfassbaren Baukörpern und kurzen Fassadenfronten wird diese in ihrer Erscheinung gebrochen und gegliedert. Die Höhenentwicklung, im Osten fünfgeschossig, im Westen viergeschossig, ist gleichzeitig homogen und spannungsreich. Die dreigeschossigen Eingangsbauten zur Eversbuschstraße gliedern die Westfassade und bilden mit ihrer Staffelung einen überzeugenden Straßenraum und Übergang zur Bestandsbebauung. Die Fassaden sind gut gestaltet, ansprechend und reagieren mit den differenzierten Ansichten auf die Umgebung.

Die Wohnungsgrundrisse sind sehr gut durchdacht, variantenreich und von überzeugender Wohnqualität. Die zum großen Teil durchgesteckten Wohnungen bieten eine breite Vielfalt von Nutzungsmöglichkeiten.

Im Innenraum sind vier Wohnhöfe räumlich spannungsvoll angeordnet. Durch Sichtbezüge zwischen den Hofabschnitten ist die große Raumwirkung insgesamt erlebbar, gliedert sich aber immer wieder in die kleineren intimen Wohnhöfe. Durch die Privatgärten direkt vor den Wohnungen und den zusammenhängenden Gemeinschaftsräumen entstehen abwechslungsreiche Grünräume. Auch die angedeuteten Strukturen lassen auf interessante Pflanzenkombinationen schließen.

Im Norden und im Süden entstehen gut proportionierte Freiflächen. Mit den vorgeschlagenen Mauern sind diese lärmgeschützt und bieten sowohl im Süden mit der erdgeschossigen KITA als auch im Norden mit einer Gastronomie eine hervorragende Nutzbarkeit. Auch zur Bahn und zur Straße sind die Freiflächen abwechslungsreich gestaltet, mit guten Bezügen zu den erdgeschossigen Nutzungen.

Auf Höhe der Mitte der Eversbuchstraße wird die ringförmig organisierte Tiefgarage erschlossen. Dadurch ist in der Mitte der Höfe eine gute Versickerung gewährleistet und die Pflanzung größerer Bäume möglich.

Die Kompaktheit der Bauform gewährleistet bei einer geringen Grundfläche und hoher Geschossfläche Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Das Gebäude, in Module gegliedert, ermöglicht eine abschnittsweise Realisierung.

Das Projekt bietet mit seiner Komplexität und spielerischen Einfachheit eine überzeugende Lösung der gestellten Anforderungen. Es entsteht ein Ort mit hoher Identität.
Lageplan

Lageplan

Schrägsicht

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Impression

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