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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2019

Bildungscampus Gruscheweg in Neuenhagen bei Berlin

Perspektive Eingang Förderschule

Perspektive Eingang Förderschule

2. Preis

Preisgeld: 68.750 EUR

Baumschlager Eberle Architekten

Architektur

Mettler Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

StĂ€dtebau und Außenraum – eine neue Adresse
Der Campus soll als neues Zentrum inmitten eines Wohngebietes eine neue Mitte bilden. Gerade die lockere Bebauung der Umgebung und die wenig markante Topografie macht es notwendig hier eine klar identifizierbare Adresse zu bilden. Das Ensemble mit einen kompakten SolitĂ€rbauten schafft klare Raumkanten, die den Bezug zur Umgebung ebenso aufnehmen, wie sie den zentralen Innenhof definieren. Die besondere QualitĂ€t des Konzepts zeigt sich in der Gleichzeitigkeit von Dichte und Transparenz. Inmitten des Spannungsfeldes zwischen Landschaft und wachsender Besiedelung gilt es ein lebenswertes Lern- und Lebensumfeld zu schaffen. Das ist besonders wichtig, weil eben die Schule nach der elterlichen Wohnung die erste, prĂ€gende Lebenswelt fĂŒr SchĂŒlerinnen und SchĂŒler darstellt. Daher entsteht vom Gruscheweg kommend eine Folge von drei PlĂ€tzen, die als Schwellenbereiche im Bewegungsfluss funktionieren. Das Kontemplative und das Transitorische sind die beiden wesentlichen Komponenten im Entwurf, wie sie auch das (architektonische) Rahmenwerk in den Konditionen des menschlichen Zusammenlebens bilden. Die drei PlĂ€tze begleiten den Weg zu den SchulgebĂ€uden, sie generieren ein Spannungsfeld mit den SchulgebĂ€uden als points de vue.
Der zentrale Campusplatz wird vom Paravent der vier SchulgebĂ€ude umhĂŒllt, sodass eine durchaus dichte Situation entstehen könnte, wenn da nicht die klar definierten Sichtachsen fĂŒr den nötigen Ausblick und Transparenz sorgen wĂŒrden.
Insgesamt betrachtet ist der Campusplatz durch eine urbane AtmosphĂ€re charakterisiert – als gebauter Erlebnisbereich zu den Diffusionen der Umgebung. Funktionierender StĂ€dtebau zeichnet sich durch die Differenzierung von Stimmungen aus. Daher wird am Gruscheweg nicht nur das Moment des StĂ€dtischen akzentuiert. Jener Raum, welcher die SchulgebĂ€ude nach außen hin umgibt, nimmt durchaus die Charakteristik der Peripherie auf. Das bedeutet, gut choreographierte GrĂŒnbereiche entstehen, die sich durch die Klarheit ihrer Gliederung ebenso bemerkbar machen, wie durch das UnprĂ€tentiöse ihrer Erscheinung.
Das Ensemble ist also mehr als nur ein Schulbau: Es soll vielmehr eine Lebenswelt generieren, die zum Lernen, zur Erfahrung ebenso betrÀgt, wie es AtmosphÀren evoziert, die sich durch ihre Differenzierung auszeichnen.


Erschließung und Funktion – lichte Weite
Das grundlegende Konzept von Dichte und Transparenz bildet sich auch in der Erschließung des Areals ab. Die GebĂ€ude können fußlĂ€ufig oder mit dem Rad aus allen Himmelsrichtungen erreicht werden. Der Campusplatz bildet den zentralen Verteiler zu den jeweiligen Eingangsbereichen der GebĂ€ude – die Orientierung ist also selbsterklĂ€rend. Diese EntrĂ©es verfĂŒgen als gemeinsames Thema ĂŒber reprĂ€sentative Treppen, die in angemessene Flurbereiche ĂŒbergehen. Angemessen in jenem Sinn, dass sie ausreichend dimensioniert sind, um auch als Kommunikationszonen zu dienen. Die unterschiedlichen RĂ€ume werden ĂŒber Mittelgangerschließungen erreicht. Dies sind allerdings keine dĂŒsteren „SchlĂ€uche“, sondern mĂŒnden alle in den Fensterbereichen der Fassaden. Die gute Belichtung betrifft die RĂ€ume in der Grundschule, dem Hort und der Förderschule, die stets im Kontakt mit der Außenwand stehen.
Mehr Licht bringen auch schlanke Höfe, die auch visuell die Kompaktheit der Bauten relativieren und das Erleben von innen und außen bereichern. Ihre Proportionen sorgen dafĂŒr, dass geschossĂŒbergreifende GerĂ€usche gar nicht erst entstehen können.
Strukturiert sind die GebĂ€ude ĂŒber Lernmodule (Cluster), die sich zu LernhĂ€usern zusammenfĂŒgen. Die Funktionen der Anlage und die Bauweise ergĂ€nzen einander daher zu einem logischen System. Dieses Übergreifen der baulichen Parameter setzt sich in der RealitĂ€t der Nutzung ebenfalls um. Zwischen Grundschule und Hort wird ein Gymnastikraum Am Eingang positioniert, sodass mit der Erschließung beide GebĂ€ude ohne BeeintrĂ€chtigung durch die Witterung erreicht werden können. Die einzelnen GebĂ€ude zeichnen sich also durch die Stimmigkeit der baulichen und inhaltlichen Funktionen aus. Die Grammatik fĂŒr die Realisierung steht bereit, ebenso wie die Botschaft eines Schul-Campus.

Konstruktion und Material – rasche Bauzeit
FĂŒr die Realisierung der GebĂ€ude wurde eine bewusst ökonomische Bauweise gewĂ€hlt, die einfach umsetzbar ist und dennoch architektonische QualitĂ€t impliziert. Das Tragwerk basiert auf einem konventionellen StĂŒtzenraster, sodass die Geschoßdecken zwischen den tragenden Fassaden aufgespannt werden können. Die gewĂ€hlten AchsabstĂ€nde gewĂ€hrleisten eine wirtschaftliche BaufĂŒhrung. Die Vorteile des Rasters liegen auf der Hand, flexible Raumanpassungen können rasch umgesetzt werden.
Die AußenwĂ€nde werden in Sandwichbauweise mit LĂ€rchenholz und DĂ€mmung hergestellt. Diese WĂ€nde werden als Module vorgefertigt, womit die Herstellungszeit und vor allem die Baustellenzeiten deutlich reduziert werden können. Die Verwendung von Holz trĂ€gt nicht nur zur Nachhaltigkeit bei. Holzfassaden altern gut und sind ohne besonderen Aufwand zu pflegen. Insgesamt betrachtet kommt hier ein Baukastensystem zum Einsatz, das gleichzeitig effizient und flexibel ist.


Ökonomie und Ökologie – ein Verbundsystem
Diese wesentlichen Parameter fĂŒr wirkungswertes Bauen stehen nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil, sie eröffnen einen Dialog fĂŒr eine nachhaltige Realisierung auf unterschiedlichen Ebenen. Die Kompaktheit der GebĂ€ude bewirkt die Reduktion des wirtschaftlichen und energiebezogenen Aufwandes. Dichte hilft Geld in der Realisierung sparen, Dichte hilft Geld im Betrieb sparen. Die thermische HĂŒlle wird entsprechend den aktuellen Energiestandards gedĂ€mmt. Die am Dach aufgestĂ€nderte Photovoltaikanlage deckt zudem einen Teil des Energiebedarfs. Baukonstruktion und die FlĂ€cheneffizienz durch angemessen VerkehrsflĂ€chen tragen ebenfalls zur Minderung der Gestehungskosten bei.
Außerdem minimiert die gesamte Bauweise und hier offensichtlich die Fassaden die gesamten Lebenszykluskosten. Die GebĂ€ude werden also ĂŒber ihre „Lebenserwartung“ hin betrachtet, weil Langlebigkeit auch Nachhaltigkeit bedeutet.


Architektur –Schule und Erlebnis
StĂ€dtebau und Architektur werden als kommunizierende Systeme verstanden. Die ĂŒbergeordnete Idee, ein neues Zentrum in einem zunehmend urbanisierten Ambiente zu schaffen, wird von der Botschaft der Architektur in den kleineren, unmittelbar menschenbezogenen Maßstab ĂŒbertragen. Die pĂ€dagogische, erlebnisbezogene Bedeutung von Schul-Architektur soll hier Rechnung getragen werden. Dies beginnt bei der Definition des Ortes mit Hilfe der Fassaden. Drei GebĂ€ude umrahmen den Campus-Platz mit unterschiedlichen Stirnseiten. Die LĂ€rchenwĂ€nde der Förderschule werden geflammt um einen silbern-grauen Grundton zu generieren. Am Hort und der Grundschule ist die FĂ€rbung gelb-naturfarben. Aus der Distanz dezent signalisierend schimmert das Rötliche der Sporthalle. Auf zurĂŒckhaltende Weise werden die einzelnen GebĂ€ude allein schon mit der Farbe individualisiert. Damit kommt es zu einer Adressbildung, zu selbsterklĂ€renden Orientierung und auch zur Identifizierung durch die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler.
Farbe und Material stehen im Einklang zueinander. Die AuthentizitĂ€t des Werkstoffes ist visuell und vor allem haptisch nachvollziehbar: ganz wichtig in Zeiten zunehmender Entmaterialisierung, die zur Reduktion elementarer Wahrnehmungsmöglichkeiten beitrĂ€gt. Fassade hat etwas mit dem lateinischen Facies zu tun. Die „Gesichter“ der GebĂ€ude unterscheiden sich auch in ihrer Gliederung vor dem Hintergrund der verbindenden Materialwahl. Die Förderschule wird mit eher klar bestimmten Fensteröffnungen charakterisiert, bei der Grundschule sorgt der Fensterversatz fĂŒr eine gewisse Verspieltheit, wĂ€hren im Hort die Fenster im Maßstab auf die kleineren Benutzerinnen und Benutzer abgestimmt sind. Material sowie der Umgang mit geschlossenen und offenen FlĂ€chen sind die Grundthemen der „Stadtgesichter“. Auf diese Weise entsteht eine PlastizitĂ€t der Architektur, die in der Wahrnehmung identitĂ€tsstiftend wirken kann.
Das Leitmotiv „offen und geschlossen“ bezieht sich auch unmittelbar auf das Raumerlebnis in den GebĂ€uden. Die großzĂŒgigen Treppenanlagen, das offene Erdgeschoß und die Blickachsen nach außen hin lassen die RĂ€ume grĂ¶ĂŸer erscheinen und sorgen fĂŒr Transparenz. Die ebenfalls notwendige IntimitĂ€t wird ĂŒber das Raumerlebnis in der Kernzone der GebĂ€ude generiert: die Flurbereiche zu den Lichthöfen hin sind wichtige Bereiche fĂŒr eine ĂŒberschaubare Halböffentlichkeit, die jedem – ob Lehrpersonal oder Kinder – auf jeden Fall guttut. Die Architektur fĂŒr den Campus am Gruscheweg zeigt eine Vielschichtigkeit, wie sie ebenfalls im realen, tĂ€glichen Leben stattfindet.

Beurteilung durch das Preisgericht

5 kompakte Baukörper umschließen einen wohl proportionierten und gut gefassten mittigen Campusplatz, die ZugĂ€nge zu den GebĂ€uden liegen sĂ€mtlich und schlĂŒssig zu dieser gemeinsamen Mitte orientiert und ermöglichen eine klare und einladende Adressbildung.

Die prĂ€zise Ausbildung der Baukörper mit eigenstĂ€ndiger Stellung von Hort und abgewinkelter Figur der Förderschule unterstĂŒtzen diese Fokussierung und bilden auch schon vor der Realisierung der Erweiterung ein ausgewogenes Ensemble.

Durch die NĂ€he der Baukörper zueinander schafft der Beitrag großzĂŒgige, angenehm gegliederte und gewidmete FreiflĂ€chen fĂŒr jeden der Bereiche. Dazwischen schaffen kurze Wege die Verbindung zu allen Seiten des GrundstĂŒcks und stellen die gewĂŒnschte Verzahnung mit und ZugĂ€nglichkeit aus der Umgebung her.

Nicht optimal gelöst ist fĂŒr die von SĂŒden kommenden GrundschĂŒler die Position der FahrradstellplĂ€tze „hinten“ am Gruscheweg. Insgesamt ist die VerkehrsfĂŒhrung der unterschiedlichen Teilnehmer auf dem Campus nicht ausreichend ausgearbeitet und nachgewiesen. So liegen auch Zufahrt und GebĂ€udezugang fĂŒr die mobilitĂ€ts-eingeschrĂ€nkten FörderschĂŒler eindeutig zu weit voneinander entfernt.

Die vorgeschlagene Anordnung der abgegrenzten StellplĂ€tze vor der Sporthalle lassen eine problemlose Doppelnutzung als ĂŒbergeordneten Festplatz zu.

Die Grundrissstrukturen fĂŒr beide SchulgebĂ€ude sind effizient und rĂ€umlich ansprechend entwickelt, die ZusammenhĂ€nge der Funktionen z.T. gut gelöst und die vertikale Durchwegung ĂŒber die zentralen Treppen ist einladend und identitĂ€tsstiftend angelegt. Die Vielseitigkeit der Erschließungen schafft eine gute Zonierung der BewegungsrĂ€ume und bietet schöne Licht- und Blickbeziehungen. Leider wird dabei jedoch kein eindeutiger Vorschlag zur Umsetzung einer Compartment-Schule mit unabhĂ€ngigen Clustern gemacht.

Detaillierung und Materialisierung der GebĂ€ude sind so entwickelt, dass sie die Ensemblewirkung ganz selbstverstĂ€ndlich unterstĂŒtzen, auch wenn die vorgeschlagene Behandlung der HolzoberflĂ€chen hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Wirtschaftlichkeit und Unterhalt nicht vollstĂ€ndig ĂŒberzeugt.

Alle Bauteile wirken ĂŒber die behutsame Differenzierung des gleichen Motivs als individuelle Mitglieder der gleichen Familie und haben ĂŒber feine Farb- und Gliederungsunterscheidungen dabei eine klare EigenstĂ€ndigkeit. Die sich so ergebende AtmosphĂ€re fĂŒr Campus und Umfeld wird als ĂŒberzeugender Beitrag fĂŒr die Planungsaufgabe gewĂŒrdigt.

Es wird konsequent zwischen einem zentralen Campusbereich und den rĂŒckwĂ€rtigen orientieren und differenzierten Pausenbereichen unterschieden. Den SchulgebĂ€uden sind klar gegliederte und gut organisierte Aussenbereiche zugeordnet. Die Campusbebauung ist gut an die angrenzende Bebauung angebunden, allerdings fehlen direkte Zugangsmöglichkeiten von Hort und Grundschule in die jeweiligen Pausen- und Spielbereiche. Zudem ist die Andienung der Förderschule vom Bushaltebereich zu lang. Positiv wird der ansprechend gestaltete Campusgereich gesehen, der vielfĂ€ltige Nutzungen ermöglicht.

Problematisch ist der fehlende Abschluss des Sporthallenvorplatzes zum angrenzenden Stellplatz / Festplatz gesehen. Der rĂ€umliche Übergang und Abschluss ist nicht gelöst.

Insgesamt stellt die Arbeit durch die prÀzise Setzung der Baukörper sowie gut ausdifferenzierter FreirÀume einen gelungenen Beitrag zur Entwicklung eines Bildungscampus dar.
Lageplan Bildungscampus Gruscheweg

Lageplan Bildungscampus Gruscheweg

Perspektive Campus

Perspektive Campus