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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2019

Freiraumgestaltung Kornmarkt in Osterode am Harz

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 7.200 EUR

TGP Landschaftsarchitekten Trüper Gondesen und Partner mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

In der historischen Altstadt von Osterode am Harz bildet die Platzfolge aus Kornmarkt und Martin-Luther-Platz in einem kleinteiligen Gefüge aus Straßen und Gassen einen eindeutigen Mittelpunkt. Das historische Rathaus und die Stadtkirche St. Aegidien als bedeutendste Bauwerke der Stadt unterstreichen dies.

Ein einheitlicher und erlebbarer Kontext zwischen der historischen Fachwerkbebauung und den Straßen- und Platzräumen ist heute jedoch nicht mehr gegeben und soll mit dem vorliegenden Entwurf gefunden werden. Der grundlegende Entwurfsansatz sieht daher vor, die Straßen und Plätze der historischen Altstadt wieder in einen gestalterischen und funktionalen Kontext zu der baugeschichtlich bedeutenden Fachwerkarchitektur zu setzen. Eine einheitliche und fein differenzierte Pflasterung wird die historischen Gebäude und städtischen Freiräume wieder zu einem erlebbaren Gesamtbild zusammenführen.

Der Entwurf stellt einen einfachen Materialkanon für alle Straßen und Plätze der Altstadt auf. Eine einheitliche Pflasterung aus sandfarbenem Granit- Großpflaster bildet für alle Gassen, Straßen und Plätze einen homogenen Teppich in der Altstadt. In diesen Teppich sind die Plätze in ihrer Abfolge als Intarsien über ein kleinformatigeres Naturstein-Pflaster eingewebt und die Straßen und Gassen erhalten als Leitelement eine verbindende mittige Entwässerungsintarsie.

Liegt der Grundansatz des Entwurfs in einem historisch begründeten und denkmalgerechten Pflasterbild, so folgt die weitere Neugestaltung des Kornmarkts, des Martin-Luther-Platzes und der Straßen der geforderten Funktionalität und dem berechtigten Wunsch nach einer hohen Aufenthaltsqualität und einem attraktiven und lebendigem Stadterleben. Der Entwurf berücksichtigt dementsprechend die Belange des Wochenmarkts, der Stadtfeste und versucht gleichermaßen für junge und alte Menschen, für Bewohner und Gäste atmosphärische Aufenthaltsorte beim Stadtbummel, im Café, auf Bänken unter Bäumen und an einem großen Wasserspiel auf dem Kornmarkt zu schaffen.

Ein verbindendes Pflasterbild für die Altstadt von Osterode
Für den gesamten Altstadtbereich, gefasst von der erhaltenen Stadtmauer sieht der Entwurf ein richtungsloses sandfarbenes Granit-Großpflaster in der Passé vor. Das Großpflaster in den Formaten von 18-32cm bildet in der Altstadt einen homogenen Pflasterteppich, der zu den Gebäuden mit einer gleichfarbigen Traufe aus Granit-Mosaikpflaster abschließt. Die Hauseingänge erhalten eine großformatige Platte als Antritt. In den Straßenraum und die Gassen fügt sich in den Pflasterteppich eine mittige Entwässerungsrinne aus 30cm breiten Granitsteinen ein. Sie nehmen das Oberflächenwasser über ein feines Raster aus runden Lochbohrungen auf. Der Kornmarkt und der Martin-Luther-Platz setzen sich als Platzintarsien über ein kleineres Pflasterformat von 8-12cm ebenfalls in der Passé verlegt ab. Gefasst werden die Platzintarsien von einem umlaufenden Rinnenstein. Das Pflaster der Plätze setzt sich aus den wiederverwendeten Bestandsmaterialien gemischt mit neuem Material zusammen.

Bäume als Zeitschicht und Faktor für das Stadtklima
Die Baumpflanzungen aus den 1970er Jahren werden als Zeitschicht in der Historie der Altstadt und insbesondere des Kornmarktes aufgefasst und respektiert. Der vorliegende Entwurf wählt einen differenzierten Umgang mit den Bestandsbäumen. Ein Großteil der Bäume wird erhalten. Zur Freistellung der historisch bedeutenden Wegeverbindung und Blickachse von der Marienstraße über den Kornmarkt auf St. Aegidien werden Eichen entnommen und zu Baumgruppen auf dem Kornmarkt umgepflanzt. Sieben der Bestandseichen konnten sich mit den Jahren nicht gut entwickeln und werden entfernt. Mit der Auflösung der Baumreihen wird nicht nur wieder die historische Blickachse vom Markt zu Kirche und Rathaus, mit der ursprünglichen Bedeutung von Handel, Kirche und Politik herausgearbeitet, es geht mit der Neuordnung der Bäume auch die Freistellung der denkmalgeschützten Fassadenabwicklung der Marktplatzbebauung einher.
Der Erhalt und die Neuordnung der Bäume entsprechen der geschichtlichen Entwicklung des Platzes und sind gleichzeitig Ausdruck einer zeitgemäßen ökologischen und Stadtklima gerechten Planung. Die neuen Baumgruppen erhalten große zusammenhängende Substratbereiche und als Umfeld eine durchlässige wassergebundene Wegedecke. Das Oberflächenwasser des Platzes wird zu großen Teilen zu den Bauminseln geführt und dort von den Bäumen aufgenommen.

Im Umgang mit den Bäumen sucht der Entwurf einen verbindenden Ansatz aus zeitgeschichtlichen, gestalterischen und ökologischen Aspekten.

Der Kornmarkt als Kristallisationspunkt der Altstadt
Der Kornmarkt wird als großzügiger offener Stadtplatz formuliert, die eigentliche Platzintarsie zeichnet den ursprünglichen mittelalterlichen Markt- und Handelsplatz nach. Der westliche Platzbereich wird als Vorplatz aufgefasst, eine bronzene Intarsie zeichnet hier die historisch belegte mittelalterliche Bebauung nach. Der um einen Baum ergänzte Platzbereich ist Ort der Cafés und Gastronomie. Die Nachzeichnung verlorener Bausubstanz sieht der Entwurf auch am Beginn der Marientorstraße, dem westlichen Entrée zur Altstadt und in der Verbindungsgasse zwischen Kornmarkt und Martin-Luther-Platz vor. Hier zeichnen Pflasterintarsien und Bänke die ehemals vorhandene Bebauung nach. Das Rinnesche Haus wird ebenfalls durch eine Sitzbank am Passagen-Eingang betont.
Die Marientorstraße wird als zentrale Zufahrt für die Marktbeschickung und Rettungsfahrzeuge verstanden. In der Linie der Bestandsbäume ordnet der Entwurf Fahrradbügel für die Stadtbesucher an.

Gegenüber der dynamischen Platzfläche bilden die neugruppierten Bäume gleich Inseln die Ruhepole auf dem Kornmarkt. Ein Materialwechsel von Stein zu wasserdurchlässiger Sandfläche hebt die Bereiche hervor und ihre Form wird von geschwungenen Rundbänken nachgezeichnet. Die leicht anmutenden Bänken mit oder ohne Lehne und Spielelemente für die Kinder werden von den Eichen beschattet und bieten Ausblick auf das dynamische Platzleben, insbesondere auf das zentrale Wasserspiel vor dem Hintergrund der historischen Stadtkulisse mit St. Aegidien.
Der Brunnen sieht einzelne große Wasserbögen im Wechsel mit kleineren Bögen vor. Mit interaktiven Stopp- und Aktivierungsfeldern lassen sich immer neue Wasserbilder kreieren. In den Abendstunden sind die Wasserbögen stimmungsvoll illuminiert. Für Kinder ist das Wasserspiel in den warmen Sommermonaten ein aufregender Spielbereich. Die 10m große und kreisrunde Pflasterintarsie für die Düsen und Rinne ist bodeneben und überfahrbar.
Das illuminierte Wasserspiel bildet in den Abendstunden einen herausragenden Akzent im Stadtraum, unterstützt von den illuminierten rahmenden Bauminseln und den stringent an den Platzrändern angeordneten Mastleuchten.

Die offene und großzügige Platzfläche spiegelt die Dynamik des Stadtlebens wieder. Der Kornmarkt ist der Kristallisationspunkt der Stadt Osterode. Hier finden regelmäßig der Wochenmarkt und die jährlichen Oster-und Weihnachtsmärkte statt. Die obere Platzfläche ist als Standort für die Veranstaltungsbühne freigehalten. Mit dem Hintergrund der historischen Stadtkulisse werden Theateraufführungen und Konzerte unvergleichlichen Erlebnissen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Grundsätzliche Gestaltungidee
Der vorliegende Entwurf zeigt, dass die Verfasser einen feinen, zeitgemäßen und zukunftsfähigen Gestaltungsansatz für den Kornmarkt entwickelt haben: Bäume werden entnommen, einzelne Bäume bleiben aber erhalten und diese sind richtig akzentuiert. Dadurch wird ein besonders schönes Fassadenensemble (Rinnesches Haus + Marktkirche) freigestellt. Die Bauminseln erhalten eine wassergebundene Decke, Sitzgruppen sind beschattet und kommunikativ. Die Verfasser platzieren das Wasserspiel an der richtigen Stelle, jedoch bildet diese Art des Brunnes kein Alleinstellungsmerkmal für den Kornmarkt in Osterrode.

Denkmalpflege / Materialien / Barrierefreiheit / Wiederverwendung
Die Verfasser schlagen einen einfachen Materialkanon für alle Straßen und Plätze der Altstadt vor. Eine einheitliche Pflasterung aus sandfarbenem Granit-Großpflaster bildet einen homogenen Teppich in der Altstadt. In diesen Teppich werden Plätze als Intarsien aus Kleinpflaster eingewebt. Die Verwendung von Natursteinpflaster wird, ebenso wie die Gestaltung der freien Platzfläche in der Mitte als Platz im Platz-Situation, aus denkmalpflegerischer Sicht begrüßt. Der Entwurf nimmt historische Bezüge auf: die Zone der historischen Bebauung im Bereich Kornmakt 20 wird durch die Bepflanzung und eine eigelegte Bronzeintarsie verdeutlicht. Angrenzend an die Dörgestraße und im Übergang zum Martin-Luther-Platz werden die alten Fassadenlinien im Pflaster wieder abgebildet.
Die Auswahl der Natursteinbeläge und deren Differenzierung ist sehr gelungen. Die Oberflächen sind auf Ebenmäßigkeit zu überprüfen, damit sie barrierefrei benutzt werden können. Aussagen zur barrierefreien Anbindung der Eingänge wurden nicht gemacht. Die vorgeschlagenen taktilen Leitstreifen sind im weiteren Planungsprozess schlüssig auszuformulieren. Die Wiederverwendung von Kleinpflaster wird begrüßt.

Erschließung
Die geplante Erschließung des Platzes für Lieferverkehre bleibt unverändert gut. Eine inhaltliche Anbindung über die Dörgestraße (für den fußläufigen Verkehr) an den Königsplatz wird vermisst.
Die Zonierung der historischen Straßenraumprofile in den angrenzenden Bereichen des Kornmarktes werden denkmalpflegerisch begrüßt. Für Fahrradfahrer fehlen ausreichende Abstellmöglichkeiten auf der Ostseite des Kornmarktes.

Ausstattung / Möbel / Lichtkonzept
Die vorgeschlagenen Bänke laden zum kommunikativen Verweilen ein. Zusätzliche öffentliche Sitzgelegenheiten im Bereich des NO Kornmarktes sind aus Sicht der Stadt notwendig. Das vorgeschlagene Lichtkonzept aus Mastleuchten und Bodenstrahlern in den Baumstandorten akzentuiert den Kornmarkt in angemessener Weise.

Umgang mit vorhandenen Bäumen / Grünkonzept
Der Vorschlag Bestandsbäume zu entnehmen und neu als Baumgruppen zusammenzufassen wird kritisch gesehen. Die Idee das Oberflächenwasser des Platzes zu den Bauminseln zu führen und dort versickern zu lassen, wird positiv bewertet.

Wirtschaftlichkeit/ Angemessenheit
Der Entwurf ist in seiner Wirtschaftlichkeit angemessen und kann einen guten Beitrag zur Lösung der gestellten Aufgabe leisten.

Fazit:
Eine robuste und schöne Arbeit, die sowohl durch eine feine, durchdachte Gestaltung, als auch mit den gezeigten Details und Materiavorschlägen überzeugt und beispielgebend für eine zukünftige Entwicklung der Osteroder Altstadt sein kann.