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Offener Wettbewerb | 11/2019

Revitalisierung des Bahnhofsgebäudes mit Umgriff in Markt Wiesau

2. Preis

Preisgeld: 13.500 EUR

Prof. Rüdiger Möller

Architektur

Veronika Richter - Landschaftsarchitektin

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das vom Markt Wiesau erworbene Bahnhofsgebäude ist sozusagen das Relikt einer sehr wechselvollen Bahnverkehrsgeschichte. Das Gebäude ist zwar nicht als Baudenkmal ausgewiesen, ist aber insgesamt in der Erscheinung von ansehnlicher Qualität und als Hülle für neue Inhalte gut geeignet. Die gewünschten Nutzungen sind noch nicht endgültig ausformuliert und machen so einen Spielraum bei der Realisierung notwendig. Es wurde also versucht, das Erscheinungsbild des Gebäudes im ursprünglichen Zustand zu erhalten oder aber auch wieder herzustellen. Das heißt, dass die spätere Zufügung im Westen des nördlichen Flügelgebäudes bis auf den Keller wieder entfernt werden soll. Es entsteht eine leicht angehobene Fläche, z.B. für ein Sommercafé.

Die vorgeschlagenen Eingriffe im Inneren des Gebäudes sind entschiedener und weitreichender, lassen aber eine große Flexibilität im Umgang mit den gewünschten, jedoch noch nicht endgültig geklärten Nutzungen zu. Die Umstrukturierung der tragenden Mittelwände in ein System von Stützen und Unterzügen in allen Gebäudeteilen, sowie die Schaffung eines großzügigen Luftraums im Hauptgebäude erscheint radikal, eröffnet jedoch in der Gestaltung der Grundrisse und für mögliche Veränderungen große Spielräume.

Da das Gebäude trotz seiner zusätzlichen Nutzungen immer noch auch als Bahnhof verstanden wird, war die Stärkung und Bündelung des Bahnzugangs ein Hauptanliegen des Entwurfs. Von Seiten der Bahn könnte dieses Konzept durch ober- oder unterirdische Zugänge zu den Bahnsteigen im Umfeld der Achse des Bahnhofsgebäudes deutlich verstärkt werden.

In der vorgeschlagenen Nutzungsverteilung betritt man das Gebäude in der Hauptachse über eine quergelagerte 2-geschossige Halle, in der ein verglaster Aufzug und eine verglaste Treppe zur Bibliothek im Obergeschoss führen. Die optische Verbindung zur Bibliothek wird über eine verglaste Galerie zum Luftraum hergestellt. Der Nachteil der Lage der Bibliothek im Obergeschoss wird durch die direkte Sichtbarkeit bereits beim Betreten des Gebäudes ausgeglichen. Auch für die Nebenfunktionen des Lesesaals als Vortrags- und Veranstaltungssaal dürfte - verstärkt durch den Vorschlag, die Trennwand zur Galerie öffnen zu können, und so eine grüße Fläche bis zur Glaswand zum Luftraum zu erzeugen - die direkte Erlebbarkeit ein Gewinn sein. Die Anordnung der zentralen Räume der Bibliothek wie Lesesaal, Ausleihe und Nebenräumen im mittleren Bereich eröffnet die Möglichkeit, die Bedarfsflächen für Bücher und Medien in den Dachräumen der Flügelgebäude unterzubringen und diese in Stufen auszubauen.

Eine zentrale Bahnhofhalle mit angrenzender Bäckerei und Gastraum sowie einem Kiosk soll in der Achse die Verbindung zu den Bahnsteigen herstellen. Die bereits erwähnte Über- oder Unterführung in Fortsetzung zur Erschließung der Bahnsteige, sowie eine Verlängerung der Bahnsteigüberdachungen würde das Konzept sehr stärken und dafür sorgen, dass mehr Reisende die Bahnsteige wieder über das Bahnhofsgebäude erreichen wollen, und damit zur Belebung des Gebäudes beitragen. Über den zentralen Bahnbereich in der Eingangshalle werden großzügig auch Museum und die Brauereigaststätte mit Biergarten erschlossen.

Die Organisation des Wirtshauses erfolgt nach den Vorgaben. Die umfangreichen Raumwünsche machen wahrscheinlich die Einbindung des Kellers nötig.

Der Museumsbereich ist etwas stärker dem Bahnthema - betont durch einen Stellplatz der Schmalspurbahn unter dem vorhanden Vordach - gewidmet, kann aber auch anders organisiert werden. Unabhängig davon kann das Modell und Vitrinen für das Heimatmuseum in der Eingangshalle aufgestellt werden.

Die Zahnarztpraxis lässt sich im 2. Obergeschoss mit besucherfreundlicher Erreichbarkeit des Empfangs- und Wartebereichs über Treppe und Aufzug aus der Eingangshalle gut organisieren. Büros und Personalräume können über eine interne Treppe erschlossen im Dachraum untergebracht werden.

Die Außenbereiche sind in drei große Zonen gegliedert: Der neu zu schaffende Busbahnhof konnte sinnvoll nur im Norden, allerdings mit beengten Verhältnissen bei gleichzeitigem Halt von 4 Bussen untergebracht werden. Vorteilhaft bei dieser Situierung ist allerdings, dass sich geschützter Warteplatz und Aufenthaltsraum für RBO in Verlängerung des Bahnsteigt realisieren ließen. Für umsteigende Reisende sehr angenehm wäre auch eine Verlängerung der Bahnsteigüberdachung bis zum Busbahnhof.

Im südlichen Bereich sind Park + Ride Parkplätze unmittelbar neben der Bahn mit guter Erreichbarkeit der Bahnsteige, sowie die Fahrradstellplätze und -vermietung untergebracht. Straßenseitig vorgelagert befindet sich ein parkähnlicher Bereich, in dem auch eine kurze Strecke und Rangiermöglichkeit für die Schmalspurbahn ihren Platz finden können. Ebenfalls in dieser Zone ist ein kleiner Baumhain gegenüber der Straßenverbindung zur Ortsmitte angeordnet. Er könnte Zielort einer möglicherweise etwas stärkeren Fußgängerbewegung aus der Ortsmitte sein.

Die dritte Zone ist die zwischen altem Bahnhofsgebäude und Bahn. Hier sollte die Zugangsmöglichkeit zur den Bahnsteigen - nicht zuletzt durch die Schaffung von neuen Übergängen an dieser Stelle - gestärkt werden. Der direkte Zugang über die volle Länge zum 1. Bahnsteig wird durch eine vorgelagerte Pflanzfläche mit Sitzmäuerchen eingeschränkt. Der gesamte Platz zwischen altem Bahnhof und Bahnsteigen soll gepflastert werden. Eine Baumreihe, z.B. Kastanien, parallel zum alten Bahnhof, lässt im unteren Stammbereich eine starke Durchlässigkeit zu und erzeugt im Kronenbereich eine Abschirmung. Auf der gepflasterten Fläche kann sich der Biergarten des Wirtshauses entfalten. Unter dem Vordach des Museumbereichs könnte die Schmalspurbahn einen geschützten Haltepunkt erhalten. Aber auch andere Aktivitäten können hier ihren Ort finden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Umgang mit dem Bestand
Die Grundrissstruktur wurde in Teilbereichen übernommen. In der Mittelzone werden Zwischenwände durch Stützen aufgelöst, die eine Großzügigkeit gerade im EG und im OG ermöglichen.
Die Barrierefreiheit im EG wird über eine Rampe am Haupteingang gelöst. Die Funktionsbereiche im EG erhalten jeweils einen eigenen Zugang vom Bahnhofsvorplatz.
Hier ergeben sich durch die gelungene Grundrissordnung interessante Einblicke und leiten den Betrachter schon von außen zu den verschiedenen Nutzungsbereiche.
Gut gelöste vertikale Erschließung über ein Treppenhaus und einen Aufzug der bis ins 2. OG führt. Die Lage des Aufzugs im EG stellt eine ungünstige Position zum Modell dar.
Die Treppe vom Ausstellungsraum zum Depot im UG wird kritisch betrachtet.

Raumprogramm
Der zentral positionierte Kiosk wird etwas kritisch betrachtet. Gut gelöst sind die öffentlichen WC´s die erdgeschossig von der Hall aus erreichbar untergebracht sind.
Am Haupteingang entsteht ein attraktiver Luftraum zum OG mit Blickbezügen zur Bibliothek und Lesesaal.
Durch Glasoberlichter werden die Seitenflügel der Bibliothek vorteilhaft von oben belichtet.
Positiv bewertet wird der Speiseaufzug von der Küche zum Veranstaltungsraum im OG.
Der Nebenraum des Gastro-Bereichs ist ungünstig positioniert.
Als positiv wird die Verbindung der Nutzungsbereiche über die zentrale Halle gewertet.

Außenanlagen
Die Außenanlagen gliedern sich in 3 Bereiche, Bushaltestelle mit angegliedertem überdachtem Wartebereich, den Bereich zwischen Bahnhofsgebäude und Gleisanlagen und den Parkplätzen im Süden.
An den Bushaltestellen wird der RBO-Bereich mit überdachter Wartezone positioniert.
Durch eine Baumreihe entlang des Bahnhofsgebäudes entsteht eine Pufferzone zu den Gleisen. Das Vordach wird erhalten dadurch entsteht ein überdachter Bereich für den Biergarten.
Gute Positionierung des Fahrradbereichs mit Verleih.
Der eingegrünte Parkplatz wird von der Tonbergstraße abgerückt und so entsteht eine großzügige Grünzone in der die Schmalspurbahn integriert ist.
Interessant ist der straßenbegleitende Grünzug, der durch eine Positionierung der P+R-Anlage nah am Gleiskörper möglich wird. Allerdings wirkt der Eingriff der Bushalteanlage im Norden etwas überzogen. Der RBO-Aufenthaltsraum direkt am Bahngleis wird so nicht realisierbar sein.
Bei den Belagsflächen ist die Unterscheidung in Platzflächen (Pflaster) und Gehwegflächen (Betonplatten) nicht nachvollziehbar.
Die Grünflächen unter dem Vordach auf der Bahnhofs-Ostseite sind wenig zielführend. Bei der Baumreihe vor der westlichen Bahnhofsfassade wären Lage und Baumart zu hinterfragen.
Begrüßt wird die umfangreiche Schmalspuranlage.

Brandschutz
Das Gebäude ist durch ein Treppenhaus erschlossen. Der 2. Rettungsweg erfolgt im EG direkt ins Freie. Zur Entfluchtung der oberen Geschosse sind ggfs. Sonderlösungen erforderlich (Sicherheitstreppenhaus oder andere Kompensationsmaßnahmen). Die Treppenhausumfassungswände sind gemäß den Anforderungen der BayBO auszuführen.

Resümee
Insgesamt eine überzeugende Arbeit mit gutem Umgang mit dem Bestand, die Stärken des Gebäudes wurden aufgenommen und die Auslobungsvorgaben gelungen umgesetzt.
Die Qualität der Außenanlagen fallen etwas hinter der Qualität der Architektur zurück, jedoch kann der zukünftige Unterhaltsaufwand als positiv betrachtet werden. An der Aufenthaltsqualität könnte noch gearbeitet werden.