modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 11/2019

Stiftsgarten im KaiserpfalzQuartier - Umgestaltung des heutigen Domplatzes in Goslar

2. Preis

Preisgeld: 9.500 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Am Rande des Rammelsbergs, im Norden des Harzes liegt die niedersächsische Kreisstadt Goslar mit knapp 51.000 Einwohnern. Durch die Verlegung der Kaiserpfalz nach Goslar im 11. Jahrhundert wuchs die Stadt zu einem bedeutenden Machtzentrum des Römischen Reichs heran. Da die Stadt den 2. Weltkrieg unzerstört überstand, ist die gesamte Altstadt heute zusammen mit dem Rammelsberg und der Kaiserpfalz als Weltkulturerbe ausgezeichnet. Auch der grüne Gürtel der ehemaligen Wallanlagen erinnert an die mittelalterliche Stadt und umrahmt den historischen Stadtkern Goslars. Innerhalb des grünen Gürtels heben vor allem die Zeugnisse der historischen Stadtbefestigung sowie die Gärten, Parks und Plätze die Altstadt Goslars heraus.
Die innerstädtische Nord-Süd-Raumfolge vom Bahnhof bis zur Jakobikirche führt über den Marktplatz zur Kaiserpfalz, dem Domplatz und weiter zum EnergieCampus und den angrenzenden Landschaftsräumen. Diese Achse bildet somit eine wichtige innerstädtische Raumfolge mit hoher Öffentlichkeit, die sich quer zum historischen System entwickelt hat.
Angrenzend an die kaiserliche Pfalz soll der Bereich der Stiftskirche St. Simon und Judas, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgebrochen wurde, zukünftig als Stiftsgarten verstanden werden und gemeinsam mit dem hier entstehenden Forum aus Veranstaltungshalle und Hotel neu definiert werden. Der überwiegende Flächenanteil des Domplatzes wird heute durch das Auto dominiert – ein untragbarer Zustand für den Anspruch eines Weltkulturerbes. Durch die Verlagerung der öffentlichen Stellplätze in die neue Tiefgarage unter dem Forum, eröffnen sich neue Chancen für den bisher „verschenkten“ Raum.
Die Schwierigkeit hierbei liegt in der Vereinbarung der Ansprüche aus Geschichte, Nutzung und Gestaltung. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Geschichte des Ortes und deren Lesbarkeit sowie der Öffnung bzw. Schließung zur Umgebung und den wichtigen stadtstrukturellen Verbindungen gefunden werden. Die Vorhalle der Stiftskirche, die als bauliches Zeugnis der bedeutenden Geschichte noch heute besteht, soll in die neue Gestaltung mit eingebunden werden.
Als Dreh- und Angelpunkt zwischen kaiserlicher Pfalz, Goslarer Altstadt und neuem Forum mit Stadthalle muss der heutige Parkplatz für PKW und Busse zukünftig umstrukturiert und der historischen Bedeutung, heutigen Nutzung und moderner Gestalt gerecht werden.

KONZEPT
Stadträumliche Einbindung
Mit Hilfe des neuen Stiftsgartens soll der grüne Gürtel zwischen Kaiserbleek und Grünanlagen um den Kahnteich geschlossen werden. Auf dem Weg vom Goslarer Bahnhof in Richtung Rammelsberg soll der Stiftsgarten neben der Jakobikirche, dem Rathaus und der Marktkirche als Trittstein dienen und das gesamte Kaiserpfalzquartier besser in diese wichtige Verbindungsachse einbinden.

Herleitung
Bereits kurz nach dem Bau im 11. Jahrhundert war das Areal zwischen der Kaiserpfalz und der Stiftskirche offen gehaltene Fläche ohne Störung der Blickbeziehungen. Die beiden bedeutenden Architekturen der weltlichen und kirchlichen Macht stehen hier in direktem räumlichem Bezug zueinander. Mit dem Bau der neuen Domvorhalle um 1200 wurde jedoch der Haupteingang in Richtung Norden verlegt und somit die Verbindung zur Goslarer Stadt verstärkt. Als die Stiftskirche Anfang des 19. Jahrhunderts schließlich abgebrochen wurde, blieb nur die Vorhalle als Zeugnis des ehemaligen Kirchenbaus erhalten.
Das Konzept sieht vor den ehemaligen Grundriss des Kollegiatstifts, dort wo früher die Geistlichen in klösterlicher Gemeinschaft wohnten, wieder sichtbar zu machen. Der ehemalige Freiraum im Kreuzgang, der schon damals als wichtiger innenliegender Freiraum in der Stiftsanlage genutzt wurde, soll auch zukünftig das Hauptelement des Freiraums sein und zum Aufenthalt im Stiftgarten einladen. Auch die bereits historisch wichtige Öffnung zur Goslarer Innenstadt soll im Konzept eine besondere Rolle spielen.

Trittsteine
Auf der Verbindungsachse zwischen Altstadt und Rammelsberg sollen verschiedene Trittsteine diverse Qualitäten bieten. Das Kaiserpfalz-Entrée ist als Auftakt in das Quartier als Platzfläche ausgebildet, stellt den Übergang zwischen Stadt und Park dar und hebt die Domvorhalle als Relikt aus der Historie hervor. Im Zentrum des Stiftgartens entsteht ein großer Wasserspiegel, angelehnt an den früheren Kreuzgang des Domstifts und bietet Kindern wie Erwachsenen ein Highlight in der Parkfläche. Durch das neue Forum führen weitere Trittsteine, die bereits in der Planung des Architekturbüros Nieto Sobejano vorgesehen sind. Das Theaterforum, der Tagungshof und der Veranstaltungshof bieten den Besuchern zusätzliche Nutzungen.

Raumbezug
Um das Kaiserpfalzquartier auch räumlich zusammenzuziehen sind die Räume innerhalb sehr offen und durchlässig gestaltet. Die Blickbeziehungen zwischen Kaiserpfalz, Stiftsgarten und Forum werden bewusst von Gehölzen freigehalten. Um die Einheit weiter zu stärken grenzt ein grüner Baumrahmen, überwiegend aus Bestandsgehölzen, das Gebiet von den umgebenden Quartieren ab und unterstreicht gleichzeitig das offene, weite Gefühl im Inneren.

Formfindung
Angelehnt an die historischen Wegeformen, die freie organische Verläufe nahmen, sollen die Parkwege auch zukünftig ein Netz aus fließenden Formen bilden. So sollen die bestehenden Wege um die Kaiserpfalz sowohl räumlich als auch gestalterisch an einen Rundweg um den entstehenden Stiftsgarten angebunden werden. Auch das zukünftige Forum, wird mit den fließenden Wegen erschlossen und perspektivisch als ein Teil der Parkanlage, dem KaiserpfalzQuartier gelesen werden.

ENTWURF
Kaiserpfalz-Entrée
Als Auftakt des Stiftsgarten wird das Entrée als Platz so ausgebildet, dass es direkt an die Innenstadtachse, den Hohen Weg sowie an die Glockengießergasse anknüpft. Eine großzügige Gestaltung ermöglicht es über den Straßenraum hinaus Besucher abzuholen und über die offene Treppe zur Domvorhalle und in das gesamte KaiserpfalzQuartier zu führen. Die bestehende Gastronomie an der gegenüberliegenden Seite wird räumlich integriert, wodurch auch der große Bestandsbaum neu in Szene gesetzt wird. Eine große Rundbank auf dem oberen Niveau des Platzes, bietet einen schattigen Aufenthaltsbereich unter den bestehenden Gehölzen. Von hier haben Besucher sowohl einen offenen Blick Richtung Kaiserpfalz als auch in Richtung Amtsgericht und Altstadt. Ein barrierefreier Zugang auf das obere Platzniveau entsteht über eine anliegende Rampe westlich der Platzfläche

Domstiftswiese
Die historische Bedeutung des Domstifts soll auch in der neuen Planung eine Rolle spielen. So wird der Grundriss mit Hilfe eines Natursteinbands aus Kalkbruchstein (angelehnt an das Material des Kirchengebäudes) nachempfunden. Als Highlight im Sommer soll innerhalb des Grundrisses eine bunte Blumenwiese angelegt werden, die zusätzlich eine dreidimensionale Wirkung generiert. Gemähte Wege führen die Nutzer des Stiftsgarten durch die Wiesenfläche zum großen Wasserspiegel des Kreuzgangs. Da alle Maßnahmen, die im Bereich des archäologischen Denkmals ausgeführt werden, auf dessen Erhalt ausgereichtet sein müssen, wird durch den Entwurf ein dezenter und unproblematischer Eingriff vorgeschlagen.

Domstiftkreuzgang
Der Innenhof des Kreuzgangs des ehemaligen Domstifts wird mit Hilfe eines großen Wasserspiegels nachempfunden. Als neuer Anziehungspunkt soll hier ein Aufenthaltsort mit besonderer Atmosphäre entstehen. Wasserdüsen und Fontänen bieten Kindern einen hohen Spielwert und ermöglichen ein Abkühlen in den immer heißer werdenden Sommern.
Als eine ebene Fläche ausgebildet, schiebt sich die Fläche an der Südseite in den Hang hinein, wodurch eine Höhenversprung von 45 cm als Sitzkante entsteht. An der Nordseite tritt der Wasserspiegel aus dem Gelände hinaus. Hier läuft das Wasser über, wodurch der Spielwert für Kinder weiter erhöht wird und gleichzeitig ein optisches und akustisches Highlight entsteht.
Der Wasserspiegel selbst wird mit Natursteinplatten ausgelegt. In Anlehnung an die Pflanzensammlungen in mittelalterlichen Klostergärten werden Klosterpflanzen-Ornamente in einige Natursteinplatten eingearbeitet, sodass selbst im Winter, wenn das Wasser ausgeschaltet wird, ein spannendes Bild entsteht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die VerfasserInnen nehmen die Raumfolgen aus der Stadt auf und entwickeln am Übergang zur Stadt einen großzügigen Vorplatz an der Domvorhalle, der die Ebenen über eine einla-dende Treppenanlage verbindet. Aus der Stadt öffnet sich so die Ebene der Klosteranlage mit Blick auf das Forum mit Hotel und Veranstaltungshalle und die Kaiserpfalz. Diese Blick-achsen werden bewusst von Bäumen freigehalten.
Die gesamte Klosteranlage wir mit einem schlichten Natursteinband aus örtlichem Kalk ge-rahmt und flächig mit einer Wiese dargestellt. Die Dimension der Anlage wird so wieder er-lebbar gemacht, ohne jedes Detail nachzeichnen zu wollen. Sie bietet unterschiedliche Blü-herlebnisse durch die Jahreszeiten. Die VerfasserInnen schlagen Rasenwege durch die Wie-sen vor, die sich verändern können. Diskutiert wird ob diese Wege dem Nutzungsdruck standhalten können.
Im Zentrum des Entwurfes liegt das Quadrat des Wasserspiegels in der Dimension des In-nenhofes des Kreuzganges. Er ist in Waage eingelegt in den sanften Hang, setzt sich zur Stadt leicht ab und bildet zum Forum eine Sitzstufe.
Der Wasserspiegel mit seinen Düsen bietet nicht nur Anziehungspunkt für die Besucherin-nen und Anwohnerinnen jeden Alters, er bildet auch den neuen Schwerpunkt zwischen Kai-serpfalz und Forum aus. Seine Natursteinplatten erhalten feine Intarsien und sind so auch außerhalb der Saison als hochwertige Fläche erlebbar.
Wasser als großzügiger Anziehungspunkt in Zeiten des Klimawandels ist eine unschlagbare Attraktion und wird zum Erlebnismittelpunkt des ganzen Areals.
Der zentralen Anlage gegenüber steht ein einfacher, leicht geschwungener Rundweg, der die Formsprache der Parkanlagen um die Kaiserpfalz aufnimmt und Kaiserbleek und Stifts-garten in großer Gelassenheit gestalterisch zu einer Einheit verbindet.
Der Entwurf ist denkmalpflegerisch vertretbar, inhaltlich ist er vergleichsweise neutral. Die VerfasserInnen entscheiden sich bewusst dafür, das Bodendenkmal möglichst wenig anzu-greifen.
Die Erreichbarkeit des Wasserspiegels ist unzureichend.
Der Entwurf bildet insgesamt einen sehr feinsinnigen sensiblen Ansatz für den Ort, der so zurückhaltend in der Fläche wie prägnant in der Schwerpunktbildung ist.
Hervorzuheben ist die besondere Aufenthaltsqualität durch den Wasserspiegel, die dem Ort eine komplett neue Bedeutung gibt.
Der Platz wird zum Kommunikationszentrum zwischen Geschichte, Religion und dem Heute.