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Werkstattverfahren | 09/2019

Entwicklung des Gesamtareals "Rathaus und Burghof Denklingen"

2. Rang

ST-FREIRAUM Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

BLICKFÄNGER
Die Ortschaft Denklingen liegt inmitten der topografisch stark bewegten Landschaft des Oberbergischen Kreises (des Gemeindegebiets Reichshof). Ausgedehnte Wiesen, Felder und Waldgebiete prägen das landschaftliche Bild und umschließen die 106 Ortschaften der Gemeinde Reichshof. Gemeinsam mit der Denklinger Burg bildet das Rathaus Denklingen den zentralen Mittelpunkt Denklingens. Als zentraler Verwaltungsstandort ist dies eine wichtige Anlaufstelle für die Reichshofer Bürgerinnen und Bürger sowie für erholungsuchende Touristen und Pilger des Jakobsweges.
Die geplante Umfeldverbesserung bietet nun die Chance für eine neue, positive Entwicklung des gesamten Ensembles sowie des angrenzenden Freiraums. Verfolgt wird ein ganzheitlicher Ansatz, der die Optimierung der stadträumlichen Einbindung sowie eine ökologisch wertvolle Entwicklung des Gewässersystems des Asbachs einschließt. Das Konzept sieht vor, die Platzflächen des Burgplatzes und des Rathausvorplatzes über den Asbach hinweg miteinander zu verbinden und somit das Rathaus, die Burg sowie den historisch bedeutsamen Mühlteich, die Klus, mit einer großen Strahlkraft in Szene zu setzen.

Stadträumliche Betrachtung
In der langfristigen, stadträumlichen Betrachtung gilt es, den vor der Waldkante gelegenen Standort des Rathauses stärker herauszubilden. Um die trennende Wirkung der stark frequentierten Durchgangsstraße aufzuheben, werden die Eingänge zum Ortskern Denklingen sowie wichtige Querungsstellen markiert und raumprägend gestaltet. Farbig aufgehellte Asphaltflächen bilden die so genannten „Roten Teppiche“, ohne den Verkehrsfluss zu gefährden. Durch einen Rückbau des Stauwehres und eine bereichsweise Anhebung des Asbachs wird der Stadtraum zudem landschaftlich und ökologisch wertvoll mit dem Umland verbunden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Klus ein, die durch Abkopplung vom Strom des Fließgewässers langfristig als BLICKFANG erhalten werden kann. Durch eine attraktive Gestaltung der Ufer mit einem Wechselspiel aus begehbaren Holzstegen und wertvollen Pflanzungen wird sie zur Krönung des gesamten Ensembles.
An der Flanke des neuen Übergangs zwischen Burgplatz und Rathausvorplatz und zentral zwischen den rahmenden Gebäuden und der Wasserfläche der Klus besteht die denkmalgeschützte Kapelle. Mit ihren weißen Fassaden, ihrem Zwiebelturm und ihrer besonderen, charismatische Ausstrahlung markiert sie den visuellen Höhepunkt des Ensembles. Nachts entsteht durch ihre inszenierende Beleuchtung eine signetstiftende Lichtskulptur.
Durch das Zusammenspiel dieser stadträumlichen Maßnahmen wird das Rathausareal aufgewertet und markantes Zentrum Denklingens.

Die Klus und der Asbach
Herzstück der Planung ist der ökologische Umbau des Asbachs zwischen dem Zulauf der Klus und den Gewässerabschnitten parallel zur nordöstlich anschließenden Waldkante. Mit Hilfe einer stationären Schwelle im Kluszulauf sowie einer der Südflanke der Klus vorgelagerten, wallartigen Vorschüttung aus überwachsenen Wasserbausteinen wird der Mühlteich vom Hauptstrom des Asbachs abgekoppelt. Der Asbach fließt parallel zum südlichen Ufer der Klus bis er im Bereich des heutigen Stauwehres in die Flucht des bestehenden Gewässerlaufs einlenkt. Im weiteren Verlauf des Asbachs wird dessen Gewässersohle angehoben und als sohldurchgängiges Bauwerk als naturnaher Beckenpass aus Naturbruchsteinen oder Betonsteinelementen mit Wasserspiegellagen-differenzen von max. 10 cm versehen. Die Dimensionierung erfolgt nach den Anforderungen des Handbuchs Querbauwerke sowie an ein einhundertjährliches Niederschlagsereignis, so dass ein ungehinderter Wasserabfluss jederzeit gewährleistet ist. Auf das bestehende Stauwehr kann somit verzichtet werden. Ein Fortbestand als durchgängiges Fließgewässer – ohne den Einfluss des Stillgewässers - ist damit langfristig gesichert.

Durch Maßnahmen wie Vertiefung der Klus sowie Anlage eines Schilfgürtels an der Südflanke wird das nun nahezu stehende Gewässer stabilisiert, der Geschiebeeintrag minimiert und vor Überwärmung und Veralgung gesichert. Die Klus bleibt damit, was sie für Denklingen schon immer war: das geliebte Herz Klein-Venedigs, ein Blickfang für jeden, der sich dort gerne aufhält.

Der Burghof und der Vorplatz
Eine maßgebliche Erneuerung erhalten die gemeinschaftlich genutzten Plätze des Burghofs und des Rathausvorplatzes. Während der mit Natursteinpflaster befestigte Burghof bereits im Bestand eine wertvolle Aufenthaltsqualität aufweist bedarf der Rathausvorplatz eine deutliche Aufwertung. Durch die Anhebung des Asbachs entfällt die zerschneidende Wirkung des heutigen Gewässertrogs. Ein neuer Brückenschlag verbindet beide Plätze visuell und schafft eine direkte Fußwegeanbindung. Die Remise wird hierzu um ein Gefach eingekürzt und erhält eine offene Rückseite. Die neue Transparenz schafft wertvolle Blickfänge in beiderseitige Blickrichtung. Eine Brücke aus lagerhaft angeordneten Leimbindern aus Naturholz wirkt als neuer „Verbinder“ zwischen den Arealen. Die Gestaltung des Rathausvorplatzes folgt den Gestaltungsprinzipien des Rathauses. Durch eine Verlagerung von Trenn- oder Stützwänden wird der Rampenzugang wesentlich verbreitert und unmittelbar in den Fokus gerückt. Mit nur 4% Neigung wird die Nutzung zur Selbstverständlichkeit. Die Treppenanlage wird nach Süden verlängert und erhält neue Betonsteinstufen. Der mit Bändern aus ebenflächigem Betonpflaster und einzelnen parallel laufenden Natursteinzeilen befestigte, autofreie Platz überspannt die gesamte Fläche zwischen Rathaus im Westen und Klus sowie Asbach im Osten. Der Asbach wird somit unmittelbar und signetstiftend in den Fokus gesetzt und zum eigenen Blickfang.

Eine wesentliche Aufwertung erhalten beide Plätze durch Ihre Erweiterung als Steganlage zur Klus. Während die Westflanke der Klus unter den drei bestehenden Eichen auf nahezu der gesamten Länge einen hölzernen Aufenthaltsplatz erhält, wird an der Südflanke ein Steg vom Burgplatz bis an das Ufer des Bachlaufs geführt. Auf beiden Plätzen hat man auf komfortablen Sitzbänken eine angenehme Rast und eindrucksvolle Blicke.

Die Vegetation
Während die Vegetationsflächen entlang des Asbachs naturnah mit artenreichen Wiesenböschungen und Pflanzungen aus gelbblühenden Schwertlilien gestaltet werden, erhalten die Pflanzflächen vor dem Rathaus eine Pflanzung aus Rosen, Gräsern und blau blühendem Lavendel. Die Beete am Torhaus erhalten ebenfalls eine blütenreiche Stauden- und Gehölzpflanzung. Ein besonderes Kleinod stellt der neue Kapellgarten dar. Farne, großblättrige Stauden wie Funkien, Rodgersien und Wald-Vergissmeinnicht bieten ein besonderes Bild, nicht nur für Hochzeitsfotos, sondern als Blickfang für jeden Betrachter, das ganze Jahr.

Der Kurgarten
Fernab der befestigten Platzflächen liegt der Kurgarten. Durch die großzügige Wegeanbindung rückt der bisher eher rückwärtige Bereich stärker in den Fokus. Mit verschiedenen Themenbereichen richtet er sich an unterschiedliche Nutzergruppen und verbindet so die Generationen. Zwei neue Holzstege verbinden den zentralen Bereich des Kurgartens über den Asbach hinweg mit dem bestehenden Wegenetz. Somit ist ein ungehinderter Spaziergang vom Burggaben über den Sonnensteg, entlang der Themen Kinderspiel, Rosengarten, Jugendeck und Festplatz bis in den schattigen Waldgarten möglich.

 Der Schaukelgarten
Ob Nestschaukel, Doppelschaukel oder Kleinkinderschaukel – das große Angebot lässt Kinderherzen höher schlagen. Eine besondere Herausforderung bietet die alles verbindende Teamschaukel. Hier können Menschen unterschiedlicher Generationen ein ungewöhnliches Schaukeln erleben.
 Der Klettergarten
Hoch hinaus geht es im Klettergarten. Entlang an Kletternetzen, im Stangenwald und an Boulderwänden können Kinder die Höhe erkunden – oder auf Rutschen die rasche Talfahrt erfahren.
 Der Rosengarten
Mit Rosen und Gräsern bildet der blütenreiche Rosengarten einen Ort der Ruhe und Erholung. Ein Angebot aus Liegebänken ermöglicht eine wohltuende Anregung der Sinne und Entspannung innerhalb des Asbachtals.
 Der Waldgarten
Parallel und den Asbach begleitend verläuft ein schmaler Fußweg durch die Ahorn- und Eichenbäume. Wo das Blätterdach es zulässt bereichern Farne und Kräuter das Naturerlebnis.
 Der Festplatz
Über das Jahr hinweg kann die mit weißgraufarbener Splittecke versehene Fläche als Parkplatz genutzt werden. An den besonderen Tagen der Stadtfeste bietet der Festplatz den Grund für das angestammte Festzelt sowie die geprobte Infrastruktur.
 Das Jugendeck
An Rande des Festplatzes erhalten die Jugendlichen des Ortes ein festes Dach über dem Kopf. Eine Calisthenic-Anlage bietet zudem Gelegenheit zum modernen TrimmDichSport für Jedermann.
 Der Stockbrotgarten
Unweit des Kindergartens und an fast vergessenem Ort bietet eine Feuerstelle nicht nur Kinder- und Jugendgruppen Raum für abenteuerliche Mahlzeiten.

Der Rathausparkplatz
Der Parkplatz bleibt in seinem Bestand weitestgehend erhalten. Mit Nutzung des Festplatzes ist er mit 145 Stellplätzen, einer Elektroladestation für 8 PKW sowie eine interaktive Paketannahmestelle für die Zukunft gerüstet.

Der Materialkanon
Ein stabiles Gerüst in der Gestaltung der gemeinschaftlich genutzten Räume soll der Gesamtanlage gestalterischen Halt geben und eine individuelle Vielfalt des Einzelnen ermöglichen. So beschränken sich die Sitzmöbel in ihrer Materialität auf Beton und Naturholz. Sämtliche Spielgeräte bestehen aus farbeschichtetem Stahl. Jedoch das alles verbindende Element bildet die umgebende Landschaft aus Wiesen, Bäumen und Asbach.

Veranstaltungen und Feste
Sämtliche Veranstaltungen und Fest können in gewohnter Weise, uneingeschränkt stattfinden. Für die Nutzung des Burgplatzes erhält die Remise eine temporär nutzbare Erweiterung, um den Platzbedarf sicherzustellen.

Wirtschaftlichkeit
Die Maßnahmen zur Freiraumgestaltung folgen konsequent dem Gedanken der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit. Weite Teile des bestehenden Umfeldes bleiben bestehen oder können durch geringe Interventionen entwickelt werden. Die entstehenden Unterhaltungskosten können durch den extensiven Ausbau und die Verwendung von standardisierten Ausstattungselementen minimiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Bewertungsgremium lobt die Arbeit wegen der sehr intensiven Beschäftigung mit der Klus und dem Asbach. Die vorgeschlagene Lösung wird aus ökolo-gischer und wasserrechtlicher Sicht sehr positiv bewertet. Allerdings wird kritisiert, dass die Kapelle mit den umstandenen Schilf- und Grünbereichen nicht ausreichend inszeniert und freigestellt wirkt.
Ebenso positiv wird das große Angebot an Freizeit-bereichen für unterschiedliche Generationen be-wertet. Hier sind die Spielbereiche sowie die explizi-ten Angebote für Jugendliche und Erwachsene zu nennen.
Jedoch weist das Konzept einige gestalterische Schwächen auf und lässt eine klare konzeptionelle Struktur vermissen. Die Möglichkeit der Querung des Asbachs vom Rathaus direkt in den Burghof wird vom Bewertungsgremium als eine sinnvolle Ergänzung der Wegebeziehungen angesehen. Die zwar wünschenswerte „Klammer“ zwischen Rat-hausvorplatz und Burghof erscheint in der Wahl der gestalterischen Mittel überzogen und wird von der Jury als unerwünschte Störung im Ensemble des Burghofs betrachtet.