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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2019

Erweiterung einer ehemaligen Kaserne zum Kulturhaus auf der Freiheit in Schleswig

1. Preis

Preisgeld: 27.500 EUR

ppp architekten + stadtplaner

Architektur

Erläuterungstext

Kulturhaus auf der Freiheit – Schleswig

Städtebau und Freiraum
Direkt am Ufer der Schlei, auf dem ehemaligen Kasernengelände „Auf der Freiheit“ beabsichtigt die Stadt Schleswig den Umbau eines Theaters. Das städtebaulich-freiraumplanerische Konzept thematisiert die landschaftlich hochwertige Lage, in dem das Theatergebäude als Solitär in einer Parklandschaft am Ufer der Schlei freigestellt wird. Blickbeziehungen aus dem Theater aufs Wasser und vom Wasser auf das Theater werden zum zentralen Thema im Freiraum.
Die städtebauliche Grundstruktur aus dem ersten Rahmenplan wird konsequent weiterentwickelt. Die zwischen Pionierstraße und neuer Planstraße geplanten Baublöcke stehen in wirkungsvollem Kontrast zur offenen Parklandschaft, die sich nach Süden zur Schlei hin öffnet. Das Theater steht als Solitär in dieser Parklandschaft mit unmittelbarem Bezug zum Wasser. Über ein landschaftliches Wegesystem wird das Theater mit dem Ufer der Schlei, den angrenzenden neuen Quartieren und der Innenstadt verbunden. Im Park und am Ufer werden vielfältige Aufenthaltsangebote geschaffen, die die besondere Lage sowohl für die Schleswiger*innen als auch auswärtige Besucher erlebbar machen.

Erschließung
Die Erschließung des Theaters erfolgt von Norden über eine neue Planstraße, an der auch die Busparkplätze nachgewiesen werden. Am Haupteingang auf der Westseite wird ein Vorplatz angelegt, der das offene Foyer des Theaters bildet. Seitlich am Vorplatz werden, in unmittelbarer Nähe zum Eingang, die Behinderten- und Fahrradstellplätze vorgesehen. Die Großzügigkeit des Vorplatzes ermöglicht es zudem, dass hier Busse oder Taxen wenden. Nach Süden öffnet sich der Platz zum Wasser, nach Westen zum Park, so dass die Besucher nach den Vorstellungen die Schönheit der umgebenden Parklandschaft am Ufer der Schlei erleben können.
Die Anlieferung der Bühne und des Restaurants erfolgt von der Ostseite. Über eine Zufahrt von der neuen Planstraße kann die Anlieferung auf Bühnenniveau gewährleistet werden. Gleichzeitig wird der Bühnenraum auch nach Osten eine Öffnung erhalten, um für Freilichtaufführungen Raum zu bieten. Die Zuschauer oder Zuhörer finden auf Sitzstufen im Park Platz, um die Vorführungen unter freiem Himmel verfolgen zu können.
Auf der Südseite des Theaters werden Gartenterrassen angelegt, die Raum für Außengastronomie bieten und gleichzeitig vor und nach den Aufführungen anregen, den Blick über das Wasser schweifen zu lassen. Hier wird deutlich, dass das Kulturhaus zum zentralen Element des neuen Stadtteils auf der Freiheit und zu einem besonderen Ort in Schleswig wird.
Auf der Ostseite des Theaters werden die erforderlichen Kfz-Stellplätze nachgewiesen. Die Stellplatzfläche wird durch Baumpflanzungen gestalterisch in die Parkanlage integriert. Die zentrale Lage der Stellplätze ermöglicht kurze Wege zum Theater. Zusätzliche Stellplätze werden im östlichen Park Teil in Form von Schotterrasenflächen zur Verfügung gestellt.

Architektonisches Leitbild
Drei Hauptziele prägen unseren architektonischen Entwurfsansatz:
- das neue Haus soll mit einer markanten unverwechselbaren Architektur den Anspruch als
wichtigen Kulturbau widerspiegeln
- das begrenzte Budget erfordert sparsame Eingriffe in den Bestand sowie eine kosten-
günstige Konstruktion und Materialwahl
- ein nachhaltiger Umgang hinsichtlich Substanzerhalt, Materialeinsatz, Dauerhaftigkeit,
Energieverbrauch etc. ist nötig.
Diese sich scheinbar widersprechenden Anforderungen werden zu einem ganzheitlichen, konsistenten Leitbild zusammengeführt.
Nicht nur das begrenzte Kostenbudget zwingt zur Sparsamkeit mit Raum, Konstruktion und Material, auch der Eigenart des Kulturhauses mit den unterschiedlichen Ansprüchen von Schauspiel, Oper, Ballett, Symphoniekonzert, Varieté, Comedy etc. entspricht ein eher einfacher, experimenteller Charakter des Hauses.

Gebäudekonzept
Das bestehende Gebäude wurde seinerzeit topografisch erhöht mit einem Untergeschoss auf Terrainhöhe errichtet. Durch den Ausbau der EG-Decke des Saales gelingt es, dort eine angemessene Raumhöhe zu erreichen und gleichzeitig eine höhengleiche Haupterschließung für das neue Foyer zu generieren. Dem mit diesen geringen Eingriffen verbesserten Bestandssaal, wird in gleicher Gebäudekontur als Verlängerung nach Südosten das Foyer mit Garderobe, Kartenverkauf und Ausschanktresen angefügt, von dem aus die neue Erdgeschossebene des Saals direkt erschlossen wird. Die bestehende Erschließung der Saalebene wird zur Galerie und Verknüpfungsebene zum Bestand.
An der Nordwest-Seite des Saals wird der Bühnenturm mit Orchestergraben, Haupt-, Vor-, Hinter- und Seitenbühne angefügt, ohne in die Bestandskonstruktion maßgeblich einzugreifen.
Der nordöstliche Bestandsbaukörper wird für einen separaten Eingang sowie für den Bühnenzugang aus den Garderoben verlängert.
Dächer und Fassaden des Bestands müssen energetisch ertüchtigt werden. Um dem neuen Kulturhaus eine ganzheitliche und der Bedeutung angemessene Gestaltung zu geben, werden Alt- und Ergänzungsbauten in einheitlichem Material ausgeführt: wie ein großer, warmer Theatervorhang legt sich über alle Bauteile eine verbindende gedämmte Haut aus anthrazitfarbenen EPDM-Bahnen. Mit dieser einfachen, äußerst kostengünstigen und nachhaltigen Maßnahme erhält der vorhandene Zweckbau mit seinen neuen Ergänzungen eine besondere Ausstrahlung als Kulturbau. Durch die einheitliche Gestaltung aller Bauteile entsteht ein skulpturales, bildhaftes Haus. Runde Dachoberlichter unterschiedlicher Größe unterstützen wie nächtliche Scheinwerferspots die Bedeutung des Kulturhauses im neuen Quartier an der Schlei.

Funktionales Konzept I Veranstaltungen
Dem Eingangsfoyer mit Ticketverkauf und Ausschank ist im Nordosten über eine kurze Treppe die Garderobe mit WC zugeordnet. Der Saal wird für Besucher auf der Erdgeschossebene großzügig von Süden erschlossen. Über zwei Treppen gelangt man beidseitig auf Galerien bzw. Ränge auf Höhe der Bestandsebene. Hier ist auch die direkte Anbindung der bestehenden Gastronomie „Muttis“ gewähr-
leistet. Im nordöstlichen Baukörper sind auf zwei Ebenen die Garderoben untergebracht mit separatem Zugang von außen und entsprechenden Bühnenzugängen und Zugang zum Orchestergraben.
Die Bühnenanlieferung erfolgt getrennt vom Besuchereingang von Nordosten. Neben der Bespielung des Saals ist auch die Öffnung der Hinterbühne als Außenbühne Südosten für Freiluftveranstaltungen möglich.
Der Saal bietet durch ein verschiebbares ansteigendes Auditorium alle gewünschten Nutzungsmöglichkeiten und Größen, vom Bankett über Varieté, Heimat bis zum Landestheater mit Symphoniekonzert etc. mit optimalen Sicht- und Hörbedingungen für gerichtete Darstellungs- und Bühnenveranstaltungen. Dabei können die Ränge problemlos in die jeweilige Nutzung einbezogen oder durch Vorhänge oder Läden verschlossen werden.

Konstruktion I Material I Wirtschaftlichkeit
Die Wahl von Tragsystem, Konstruktion und Material ist geleitet von den Prämissen des architektonischen Leitbildes:
- markanter, unverwechselbarer architektonischer Ausdruck,
- Einfachheit, Vorfertigung, Angemessenheit
- Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit, Energieeffizienz
Die Ergänzungsbauten für Foyer und Bühnenturm werden vom Bestand weitgehend unabhängig als Holzrahmenkonstruktionen mit teilweise vorgefertigten Elementen errichtet. Im Bühnenturm werden Bereiche hoher Lasten mit Stahlkonstruktionen unterstützt. Wesentliche Vorteile der Holzkonstruktionen sind die schnelle, kostengünstige Erstellung, die Nachhaltigkeit und die gute Eignung beim Brandschutz.
Dach und Fassaden werden einheitlich mit anthrazitfarbenen EPDM-Bahnen belegt, um eine skulpturale Gesamterscheinung über alle Bauteile zu erzeugen. Eine maßstäbliche Gliederung gewinnt die neue Haut durch Dreikantleisten unter den EPDM-Bahnen auf der Unterkonstruktion im Rhythmus der Binderlage des Saals. Das Material transportiert den künstlerisch-experimentellen „unfertigen“ Charakter des Kulturhauses, ist extrem langlebig, leicht, wartungsfrei, belastbar, extrem kostengünstig, umweltneutral und nachhaltig (Kautschukbasis). Im Innern dominieren Tafeln aus Seekistensperrholz als warmes, haptisches Material im Gegensatz zur dunklen Außenhaut den Charakter des Hauses. Auch hier steht Kostengünstigkeit, Ausstrahlung „Unfertigkeit“ und Ortsbezug im Vordergrund.

Akustik
Der Zuschauerraum ist das Herzstück des Kulturhauses und erhält durch seine hölzerne Ausgestaltung eine besondere warme Atmosphäre, die emotional bereits eine gute Akustik bei den Besuchern suggeriert. Folgende Maßnahmen sind zur Sicherstellung der optimalen Raumakustik im Saal vorgesehen:
- akustisch wirksame, schräggestellte Holzelement an den Längsseiten des Zuschauerraumes
- Nutzung von Deckensegeln zur günstigen Streuung des Schalls sowie zur Herstellung
eines diffusen Schallbildes
- Mischung von reflektierenden und absorbierenden Holzelementen für gleichmäßige
Raumakustik
- Vorhang an der Rückwand des Saales zur Verhinderung von Flatterechos
- Trennung des Foyers von den Saal-Zugängen durch Glastrennwand oder Trennvorhängen
- Schließmöglichkeit der Saalöffnungen zu den Galerien durch Vorhänge oder Holzelemente
Durch diese Maßnahmen wird man den jeweiligen Anforderungen unterschiedlicher
Nutzungsprofile im Kulturhaus gerecht.
Im Foyer wird eine akustisch wirksame (Loch-) Decke sowie eine Bedämpfung über Holztafeln am Bestandsgebäude vorgeschlagen.

Energie und Nachhaltigkeit
Kernpunkt des Konzeptes ist die Schaffung einer umlaufenden stark gedämmten Hülle unter der neuen, nachhaltigen EPDM Folie. Der Technikeinsatz wird auf das notwendige Maß beschränkt, die Graue Energie minimiert und die natürliche Lüftung gezielt genutzt. Ziele sind ein niedriger Energieverbrauch und eine geringe CO2-Emission bei gleichzeitig hohem Nutzerkomfort.
Das komplette Gebäude, incl. der beiden neuen Anbauten, wird mit einer neuen Haut umhüllt. Dieser Ansatz bietet die einfache Möglichkeit die Dämmeigenschaften dem heutigen Standard anzupassen. Zusätzlich werden die abgängigen Bestandsfenster ausgetauscht. Dieser wärmebrückenarme konzeptionelle Ansatz reduziert die Wärmeverluste deutlich und führt zu einem hohen Nutzerkomfort durch gleichmäßige Temperaturen der Innenoberflächen.
Der sommerliche Wärmeschutz der großen Verglasungsflächen des Foyers wird durch Auskragungen und nächtlicher Auskühlung erfüllt. Zudem werden für Teilbereiche neutrale, hochselektive Sonnenschutzgläser eingesetzt.
Das neue Foyer wird natürlich belüftet. Die Zuströmung erfolgt über Öffnungen im oberen Bereich der Fassade und die Abströmung über die kreisförmigen Lichtkuppeln. Die innen liegenden Bereiche werden mechanisch belüftet. Die bestehende Verteilung wird genutzt. Die Zentralgeräte im Dachgeschoss werden ausgetauscht und mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung ausgestattet.
Das Gebäude wird an die Fernwärme der Stadtwerke mit einem Primärenergiefaktor von 0,0 angeschlossen. Zur Absenkung der Grauen Energie werden die Eingriffe in den Bestand auf ein Minimum beschränkt. Für die Anbauten wird Holz als CO2-neutraler Baustoff eingesetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit wird von der Jury als angemessene Lösung für den Standort bewertet.
Die Erschließung und Zuwegung des Gebäudes sind schlüssig entwickelt. Die zur Stadt gerichtete Orientierung des Foyers wurde für richtig befunden, wenngleich der daraus resultierende weite Weg von Parkplatz zum Eingang negativ ausfällt.

Die Grundstruktur des Bestandes bleibt in diesem Konzept weitestgehend erhalten. Die EG-Decke des Bestandes wird entfernt, um die notwendige Höhe für die Theaternutzung zu erhalten.

Lediglich das Foyer und der Bühnenturm werden ergänzt. Gerade durch diesen Nachhaltigkeitseinsatz des Substanzerhalts besticht diese Konzeption. Durch den geschickt integrierten Bühnenturm und das den Eingang markierende Vordach entsteht eine unverwechselbare Architektur, die dem Anspruch einer wichtigen Kulturstätte gerecht wird.

Das hierfür notwendige Konzept, dem gesamten Volumen eine einheitliche Fassadenhülle regelrecht „überzustülpen“, wird kontrovers diskutiert. Einerseits gelingt den Verfassern mit dieser Geste eine einheitlich gelungene Volumenkubatur zu entwickeln; es entsteht trotz Erhalt des vorhandenen ein neuer moderner Baukörper. Andererseits wird gerade dies kritisiert. Die Ablesbarkeit zwischen alt und neu verschwimmt. Der organisatorische Ansatz für die internen Abläufe und die innere Erschließung wird für gut befunden und die Umsetzung der Bühnentechnik als machbar bewertet.

Allerdings basiert die Doppelnutzung des Saales auf dem Einsatz einer Teleskoptribüne, deren Ausgangskosten im Budget nicht berücksichtigt sind. Im Vergleich zu einer Konzeption mit zwei separat nutzbaren Sälen ist für diese Arbeit im späteren Betrieb der Aufwand für den Umbau und die Wartung zu berücksichtigen.