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Offener Wettbewerb | 12/2019

„Neue Mitte Moisling“ in Lübeck

3. Preis

Konermann Siegmund Architekten

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

YLA Ando Yoo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Architektur & Zeichnung Wolfram Gothe

Visualisierung

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept

order is – Louis Kahns Manifest von 1960 gibt vielleicht die Antwort auf die Frage, wie der impliziten Schwäche des modernen Städtebaus der Nachkriegszeit zu begegnen wäre, nämlich keine funktionierende bauliche, öffentliche Mitte ausbilden zu können. Unser Konzept wählt daher die römische Gradlinigkeit.
In der 1.Phase wurde dabei noch das Ziel verfolgt, ein orthogonales Ordnungsprinzip weiter zu fassen und durch substanzielle Eingriffe in das Straßensystem - vor allem in den Verlauf des Oberbüssauer Weges und durch die Verlegung des Kiwittredder - mit der vorhandenen Baustruktur zu verweben.
Durch die zwingende Forderung nach dem Erhalt der vorhandenen Straßen beschränkt sich die neue Struktur jetzt auf das „Baufeld A“. Dieses wird gegliedert in drei gleichgroße „insulae“, wobei zwei jeweils von einem Baublock mit angemessener Dichte gebildet werden, die nördliche am Moislinger Mühlenweg dagegen nach dem Prinzip des antiken Städtebaus bis auf das solitäre Stadtteilhaus als Stadtplatz („agora“) frei bleibt.
Der Oberbüssauer Weg wird als Boulevard aufgewertet und verbindet als lineares Element die drei Platzräume – Gesundheitszentrum (dargestellt mit geplanter Erweiterung), Stadtplatz mit Stadtteilhaus und Bahnhofsplatz mit „Empfangsgebäude“.


Nutzungen

Die publikumsintensiven und öffentlichen Nutzungen (Einzelhandel, Familienzentrum, Stadtteilhaus) versammeln sich um den Stadtteilplatz. Um den Platz durchgängig zu beleben, befinden sich in allen Obergeschoßen der Randbebauung Wohnungen – mit Ausnahme des Stadtteilhauses.
Die Altenwohnungen verteilen sich auf die jeweils drei Obergeschosse der beiden neuen Baublöcke: Der Bahnseitige nimmt ausschließlich die Pflegestationen auf, im Erdgeschoß mit Foyer und Aufenthaltsbereichen sowie ergänzenden Einzelhandelsnutzungen oder Dienstleistungen. Im Baublock am Stadtplatz befinden sich die betreuten Altenwohnungen (2/3) und Familienwohnungen (1/3). Vorgeschlagen wird hier keine vertikale oder horizontale Separierung, sondern eine Mischung als Mehrgenerationenwohnungen.


Verkehr und Stellplätze

Das vorhandene Erschließungssystem bleibt erhalten. Der Oberbüssauer Weg wird als funktionale Verbindung zwischen Gesundheitszentrum und Bahnhof zum fußgänger- und radfahrerfreundlichen Boulevard entwickelt und straßenräumlich gestalterisch aufgewertet. Der Kiwittredder übernimmt – entgegen der Empfehlungen in der Auslobung – die Haupterschließung für den Individualverkehr (Quartierstiefgarage) und die Anlieferung (Einzelhandel).

Die notwendigen PKW-Stellplätze sind überwiegend in der Quartierstiefgarage in zentraler Lage am Stadtteilplatz untergebracht. Hier sind ca. 100 Stellplätze darstellbar und bei einem Konstruktionsraster des Gebäudeblocks von 6.00m wirtschaftlich zu realisieren. Mit durchbindenden vertikalen Erschließungskernen werden sowohl die Einzelhandelsflächen im EG als auch die Wohnungen in den Obergeschossen direkt erreicht.
Die für den Einzelhandel zugewiesenen PKW-Stellplätze könnten teilweise außerhalb der Geschäftszeiten auch für Bewohner reserviert werden, um durch Doppelnutzung den Parkraum ökonomischer zu nutzen und insgesamt zu begrenzen.
Die Stellplätze für das Pflegeheim sind direkt vor dem Haupteingang am Kiwittredder nachgewiesen. Am Oberbüssauer Weg befinden sich 24 P+R Stellplätze und 24 Stellplätze für Anwohner.

Die Fahrradstellplätze für die neuen Gebäudenutzungen werden schwerpunktmäßig am neuen Stadtteilplatz und an der Oberbüssauer Straße nachgewiesen. Bike & Ride Stellplätze werden im neuen Bahnhofsgebäude und auf dem Bahnhofsvorplatz untergebracht.


Öffentliche Freiräume

Im Zuge der städtebaulichen Neuordnung in der Mitte Moislings werden neue qualitätsvolle Außenräume geschaffen und mit den vorhandenen Grünzügen und Erholungszonen verknüpft.
Im Norden entsteht zwischen der flankierenden Wohnbebauung ein grüner Wegekorridor, der den vorhandenen Grünzug „Auf der Kuppe“ mit dem Stadtteilplatz verbindet.
Der neue Stadtteilplatz bietet Raum für einen Wochenmarkt und Stadtteilfeste, Außengastronomie und Spielflächen für Jung und Alt. Durch die Topografie des Platzes kann im Sommer eine Teilfläche geflutet und als Wasserspiel genutzt werden. Das Wasser soll auch mit seiner Verdunstungskälte dem Wärmeinseleffekt der bebauten Flächen entgegenwirken. Die Stufen, die den Platz an drei Seiten Rahmen bieten informelle Sitzkanten und bilden eine räumliche Fassung.
Fest installierte Bänke mit Holzauflage und Rückenlehnen rahmen den Bauminsel-Treffpunkt mit wassergebundener Granddecke. Der robuste Platzbelag aus Betonwerkstein spannt sich zwischen den Gebäudefassaden auch über den querenden Eulenspiegelweg und dem Moislinger Mühlenweg hinweg, um den Autoverkehr zu verlangsamen.
An den Platzrändern ist genug Raum für eine mobile Bestuhlung und Außengastronomie vorhanden.
Groß- und kleinkronige Laubbäume bilden die räumliche Kulisse, spenden Schatten und blühen im Frühjahr.
Vom Stadtteilplatz kann man den neuen Bahnhaltepunkt über die boulevardartig gestaltete ansteigende Oberbüssauer Straße oder den niveaugleichen Kiwittredder erreichen.
Die öffentlichen Räume („Gartenpassage“ und „Höhenpark“) zwischen den beiden neuen hofartigen Gebäuden und dem Bahnhofsgebäude sind parkartig mit Rasenflächen, Laub- und Blütenbäumen gestaltet.
Der „Höhenpark“ verbindet über einen flach geneigten, barrierefreien Rampenweg die höher gelegenen Bushaltestellen mit dem Bahnhofsvorplatz.
Der Wilhelm-Waterstrat-Weg bleibt als Spaziermeile erhalten und wird an den Vorplatz angebunden.


Regenwassermanagement

Langfristig sollen sowohl die vorgeschlagenen Neubauten, als auch die mehrgeschossigen Bestandsgebäude an ein dichtes Netz aus Rigolen und offenen Regenwassersammlern angeschlossen werden, um das Wasser vor Ort für die Grundwasserneubildung zu nutzen und Starkregenereignisse abzupuffern.
Die neue Bebauung wird durch begrünte Retentionsdächer Niederschläge auf den Dachflächen zurückhalten und verzögert an das Rigolensystem abgeben.
Die neuen Hofflächen und die „Gartenpassage“ sind als „Retentionshöfe“ zur Versickerung vorgesehen und im Falle einer Unterbauung durch Tiefgaragen zur Regenrückhaltung in der Dränschicht genutzt.
Auch die Platz- und Straßenoberflächen werden über das zum Teil offene Regenwassernetz entwässert.
Der im Südosten am Wilhelm-Waterstrat-Weg gelegene „Ententeich“ könnte als Retentionspark erweitert und umgestaltet werden. Die Bepflanzung der Flachwasserzonen mit Schilf können zur Klärung des Wassers beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Positiv bewertet wird die Fortführung des Grünzuges vom jüdischen Friedhof zum Stadtteilplatz. Die großzügige Platzgestaltung des neuen Stadtteilplatzes mit großer Aufenthaltsqualität wird gewürdigt. Auch der vorgeschlagenen Bahnhofsgebäude mit dem Höhenpark wird in seiner Großzügigkeit und Signalwirkung begrüßt.
Kritisch gesehen werden die beiden viergeschossigen Blöcke mit Wohnungen und Einzelhandel. Insbesondere die darunterliegende Tiefgarage wird als unwirtschaftlich und unattraktiv kritisiert.
Das viergeschossige Familienzentrum südlich des Hochhauses am Sterntalerweg bildet zwar für den Stadtplatz eine angemessene Platzkante, rückt aber zu dicht an das Hochhaus.
Die neuen Punkthäuser auf der heutigen Stellplatzanlage an der Hasselbreite liegen gut in die vorhandene Stadtstruktur eingebettet am Grünzug. Es bleiben aber zu wenig Stellplätze für die Punkthäuser und Hochhäuser in diesem Bereich.
Die Konzentration des vorhandenen Verkehrs in einer Tiefgarage unter einem Wohnblock wird ebenso wie die neue Straßenverbindung zwischen Niendorfer Straße und Eulenspiegelweg bemängelt.