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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2019

Neubau eines Wohn- und Dienstleistungsquartiers in Rheda-Wiedenbrück

1. Preis

Preisgeld: 20.000 EUR

DBCO GmbH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

loomn architekturkommunikation

Visualisierung

Modellwerkstatt Mijalski + Nasarian GmbH

Modellbau

Erläuterungstext

DIE KRAMER HÖFE

Städtebau
Ein Ensemble aus in der Höhe gestaffelten, winkelförmigen Baukörpern spannt
auf dem rund 12,8 ha großen Baufeld vier urbane Höfe auf. Auf der östlichen
Seite des neuen Quartiers werden diese um Punkt- bzw. Reihenhäuser ergänzt,
die die dort vorherrschende kleinteilige Körnung des sich anschließenden
Wohnquartiers aufnehmen. Das neue Quartier schafft so einen maßvollen
Übergang zwischen den unterschiedlichen Maßstäben, von denen es umgeben
wird. Die Bebauung stellt sich hierbei 3-geschossig mit zurückgeneigten
Dachgeschossen entlang der Hauptstraße und 2- bis 3-geschossig entlang der
Mellagestraße dar. Die geneigten Fassaden der obersten Geschosse stellen
eine Verwandtschaft zu den vorherrschenden Satteldachtypologien der
näheren Umgebung her.
Die nordwestliche Ecksituation stellt den repräsentativen Auftakt für das neue
Quartier dar. Die Gebäudestellung und Geschossigkeit bilden hier eine
Torsituation in das Quartiersinnere aus.


Freiräume
Von der öffentlichsten Platzsituation im Nord-Westen ausgehend entfaltet sich
eine Folge von Höfen mit unterschiedlichem Charakter. Der nördliche Hof
bietet als Wohn- und Geschäftshof sowohl halböffentliche Platzflächen als
auch private Grünräume. Südlich davon schließt sich als „Shared Space“ der
Quartiersplatz an. Eine ergänzende Erschließung in Ost-West-Richtung
verbindet hier den Anschlusspunkt an der Hauptstraße via à vis zur Zufahrt
zum neuen Nahversorger mit dem nördlichen Teilbereich der Mellagestraße.
Hier befinden sich zentral die Zufahrten zu beiden Tiefgaragen. Das
Verschwenken der Straße sorgt zum einen für einen geringeren Lärmeintrag in
den rückwärtigen Bereich und verhindert schnelle Durchgangsverkehre. Zum
Platz hin orientieren sich mehrere Gewerbeeingänge und eine
Gastronomieeinheit mit Westausrichtung, die den Platz zusätzlich belebt.
Von dort aus Richtung Süden folgen ein weiterer Wohn-/Gewerbehof, in dem
sich wiederum halböffentliche und private Freiflächen verzahnen und auf der
südlichen Parzelle der vierte sog. „Mehrgenerationenhof“. Jeder Wohnhof
bietet Spielangebote für Kleinkinder.
Fußgänger und Radfahrer können das Quartier in Nord-Süd sowie in Ost-West-
Richtung auf vielfältige Weise durchqueren.


Nutzungsstruktur
Die insgesamt 89 Wohneinheiten bilden ein breites Spektrum an
unterschiedlichen Wohnformen und –größen ab. Neben Geschosswohnungen
unterschiedlicher Größe werden freistehende Reihenhäuser, integrierte
Reihenhäuser, Maisonette-Wohnungen, 20% öffentlich-förderfähige
Wohnungen sowie im spezifischen (Cluster-) Wohngemeinschaften für
betreutes Wohnen bzw. Mehrgenerationenwohnen auf dem südlichen Baufeld
angeboten.
Letztere werden im Erdgeschoss um eine Kindertagespflegegruppe, einen
Turnraum, Arztpraxis, Pflegebüro und einen offenen Mehrgenerationentreff
ergänzt, was der südlichen Parzelle in Gänze eine besondere Widmung für das
Zusammenleben von Jung und Alt gibt.
Der besonderen städtebaulichen Lage entsprechend gibt es am
nordwestlichen Eckpunkt zwei Turmwohnungen mit besonderem Ausblick in
Baukörper 1 und ein großes Penthouse mit schaltbarer Studiowohnung in BK 2
als „Laterne“ zum Verkehrsknotenpunkt.
Der Schallschutz-Thematik entlang der Hauptstraße wird in Teilbereichen
durch eine Laubengang-Typologie begegnet. Im übrigen haben alle
Wohnungen Aufenthaltsräume und Freisitze zum Innenbereich und zur
Hauptstraße hin orientierte Schlafräume erhalten schallschutzoptimierte
Außenluftdurchlässe.
Im Erdgeschoss entlang der Hauptstraße und dem Nordring werden
unterschiedliche Gewerbe-/Dienstleistungsflächen angeboten. Nutzungen wie
Apotheke, Fachdrogerie etc. ergänzen idealerweise den neuen Nahversorger
so, dass die Bewohner Ihre täglichen Bedarfe im Quartier abdecken können.
Generell bietet die städtebauliche Figur eine hohe Nutzungsflexibilität und
Offenheit.


Architektursprache
Der exponierten Lage des neuen Ensembles entsprechend erhalten die
Fassaden und geneigten Dachflächen eine wertige, keramische Hülle in
unterschiedlichen rot-bräunlichen Nuancen (z.B. Petersen Cover). Diese ist
langlebig und recyclebar. Optional wäre auch ein Verblendstein mit farblich
abgestimmter Dachdeckung vorstellbar.
Die öffentlichen Bereiche im Erdgeschoss sind als Sockelgeschoss mit
großzügigen Schaufenstern ablesbar, die eine Einfassung aus eingefärbtem
Beton- oder Naturstein erhalten. Zur nordwestlichen Platzsituation hin stellen
sich diese als Arkaden dar.


Bauabschnitte / Parzellen
Für die Realisierung des Quartiers lassen sich drei (oder auf Wunsch weitere)
sinnvolle Bauabschnitte bilden. Im ersten Schritt wird die nördliche Tiefgarage
mit Erschließung über die neue Ost-West-Querung realisiert. Zum ersten
Bauabschnitt gehören oberirdisch die Baukörper 1-5.
Im Anschluss wird der erste Teil der südlichen TG errichtet, der den
Baukörpern 6-9 zugeordnet ist. In einem letzten Schritt wird die Tiefgarage
nach Süden hin erweitert (optional mit Realteilung) und die Baukörper 10 und
11 entstehen oberirdisch auf den jetzigen Parzellen 203/47 und 204/47. Da
dieser letzte Baustein dem Wohnen im Alter bzw. dem Zusammenleben von
Alten und Jungen / Jugendlichen Menschen gewidmet ist, wäre auch
vorstellbar diesen als annähernd autofreien Bereich ohne TG zu realisieren.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Arbeit gelingt es in souveräner Weise, städtebaulich in fast jeder Hinsicht die richtigen Antworten zu finden. Zur Hauptstraße wird das Quartier konsequent geschlossen. Im Inneren des Ensembles bieten sich vier gut dimensionierte Höfe an. Am geplanten Verkehrskreisel wird die Ecksituation spannungsvoll durch ein erhöhtes Gebäude akzentuiert. Das städtebauliche Konzept ist im Grundriss prägnant und klar als Pattern – einprägsam wie ein „Logo“ oder eine gute „Skulptur“.

Die Durchwegungen sitzen an den richtigen Stellen und sind schiefwinklig zur Hauptstraße angeordnet. Die straßenbegleitenden Baukörper fungieren als Lärmschutzschilde.

Auch der auf der gegenüberliegenden Seite liegende Edeka-Markt wird durch Wege und einen Public Space gut angebunden. Es entsteht eine dreidimensionale Ensemblewirkung mit der neuen Einzelhandelsarchitektur auf der gegenüberliegenden Seite. Der Raum wird förmlich „geknetet“.

Kritisch anzumerken ist, dass der mittlere Hofraum nur als Anlieferungsbereich nicht überzeugt. Hier wird die Qualität der anderen Höfe vermisst, die Chance ihn als Grünraum auszubilden scheint ungenutzt. Auch wird die Durchfahrungsmöglichkeit kritisch gesehen, in diesem Hof sollte nur Kurzzeitparken vorgesehen werden. Die Höhenentwicklung der vorgesehenen Bebauung im Süden der Anlage und zur Mellagestraße überzeugt stadträumlich nur bedingt.

Die Architektur ist eigenständig, selbstbewusst und abwechslungsreich. Die Fassaden sind räumlich gestaltet und klar durch vertikale und horizontale Einschnitte gegliedert. Am Kreisel wirken die großen verglasten Flächen wie eine „Membran“ bzw. eine gespannte „Haut“.

Das Konzept ist funktional, es ergeben sich attraktive unterschiedlich große Wohnungen. Das Raumprogramm wird im Wesentlichen erfüllt. Jedoch sind die Wohnungen im Durchschnitt zu groß, dadurch die Wohnungsanzahl zu gering. Die Höfe sind überwiegend grün und haben die richtige Maßstäblichkeit.

Die Arbeit ist gut in Bauabschnitten zu realisieren.