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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Quartier an der Böckinger Straße in Stuttgart

Quartier an der Boeckingerstrasse - Lageplan

Quartier an der Boeckingerstrasse - Lageplan

1. Preis

Preisgeld: 85.000 EUR

Hild und K

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Ingenieurbüro Hausladen GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der STÄDTEBAU hierarchisiert die Räume.
Der städtebauliche Entwurf greift die Mischnutzungs-Struktur der südlichen Nachbarschaft mit gewerblichen, niedrigen Gebäuden im Innenhof einer Zeilenrandbebauung auf. Die nördliche Bebauung begrenzt den öffentlichen Straßenraum entlang der Böckinger Strasse. Das Gegenüber bilden die Kopfbauten der nördlichen Wohnbebauung. Zwischen diesen spannt sich der gemeinschaftlich genutzte Innenraum auf. Anstelle der gewerblichen Nutzungen formt die gemeinschaftlich genutzte und soziale verbindende Struktur das Rückgrat des Viertels. Der aktivierend funktionierende EVA-Garten mit Gewächshäusern und Café wird ergänzt durch das neue Stadtteilzentrum und eine KITA. Der EVA-Garten wird zum „Central Garden“ des Quartiers. Bewusst wird durch Integration der Bestandsgebäude, die Identität erhalten und durch die neuen Gebäude komplementiert. Durch leichte Krümmung der Häuserfluchten werden die Gebäudefassaden sichtbar und fassen den Innenraum. Der Städtebau schafft eine klare, verdichtete Stadtkante und erhält innere Entwicklungspotenziale. Es entstehen Schwellen zwischen dem öffentlichen Innenraum und den Wohnhöfen. Die Bebauung fasst die Räume über Versatze und lässt dabei immer wieder Blickbeziehungen ins Tal und die umliegenden Stadträume zu.

Das IBA & EVA-QUARTIER hat eine hohe Aufenthaltsqualität.
Das neue Quartier ist vom täglichen Autoverkehr freigehalten und setzt hier auf die gemeinschaftliche Nutzung der Flächen. Die Gebäude sind aber für Umzugsverkehr, Feuerwehr, o.ä. oberirdisch erreichbar. In einer gemeinsamen Tiefgarage sind Carsharing-Angebote, überdachte Fahrradstellplätze, private und Besucher-Stellplätze untergebracht. Über das Stadtteilzentrum mit Zugang zur Tiefgarage kann der Verleih zentral geregelt werden. Die Tiefgarage ist darüber hinaus über Zugänge aus allen Wohnhäusern erreichbar. Fahrradgerechte Zufahrten im Osten und Westen binden sie ausserdem an das übergeordnete Radwegenetz an. Das Stadtteilzentrum und das bestehende EVA-Café bilden den zentralen Kontenpunkt für die Bewohner. So können hier z.B. auch Paketabholstationen und weitere Mobilitäts-Angebote angeordnet werden. In der Verlängerung der Roigheimer Strasse beginnt dort auch eine zentrale Fussverbindung zur direkten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr (Stadtbahn Tapachstrasse).

Der FREIRAUM verbindet die Räume.
In dem speziellen Kontext baut das neue IBA- und EVA-Quartier seine eigene Identität über starke Bezüge auf vorhandene Qualitäten auf. Gefasst von dem Straßenraum der Böckinger Strasse und der öffentlichen Grünverbindung im Übergang an die Kleingartenstrukturen im Norden bildet eine zentrale Freiraumstruktur, die Bestandsgebäude und vorhandene Gartenstrukturen gleichsam einbettet die neue Mitte des Quartiers. Wie in einer Kleingartenanlage wird die Freifläche durch ein unhierarchisches Netz aus Wegen in unterschiedlich nutzbare Teilbereiche aufgegliedert. In dieses Grundraster sind die neuen und bestehenden Wohngebäude, die bestehenden Kleinarchitekturen und die vorhandenen Gartenräume mit dem neuen Quartier verbunden. Gemeinschaftlich nutzbare Freiflächen, Spiel- und Streifräume, städtische Plätzchen und öffentlich zugängliche Grünflächen sind über ein System aus Mäuerchen und Rampen miteinander vernetzt. Die übergreifend gestaltete Pergolastruktur verbindet das heterogene Quartier auf der Gestaltungsebene. Sie markiert wichtige Treffpunkte, Aufenthaltsbereiche und Aussichtsterrassen in der neuen Nachbarschaft. Weite Abschnitte der Freianlagen sind nicht versiegelt sondern als offen chaussierte oder begrünte Bereiche der Retention und Versickerung von nicht belasteten Niederschlagswasser vorbehalten. Niedrige Einstauhöhen und eine offene Gestaltung ermöglichen die Mehrfachnutzung der Retentionsflächen auch als Bewegungs- und Aufenthaltsbereiche.
Die STRUKTUR schafft die Grundlage für das Bauen im Bestand der Zukunft.
Architektur ist beim Klimawandel alles andere als unbeteiligt. Die Bauproduktion und der Unterhalt von Gebäuden tragen mit rund 40 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei. Unseres Erachtens muss das Bauen bereits Struktur-immanente Antworten für die Zukunft liefern. Ein Lebenszyklus eines Gebäudes muss wieder, wie vor der Wiederaufbauzeit der 50er Jahre, durch Umbau, Weiterentwicklung, Nutzungsänderung usw. fortgeschrieben und nicht mehr durch Abriss beendet werden. Gebäude müssen dazu flexibel nutzbar sein. Nutzungsänderungen, Nachverdichtungen, Aufstockungen und Anpassungen an die veränderten Lebensstandards und -formen müssen möglich sein. Eine auf einem zusammenhängenden Raster basierende Tragstruktur mit Stützen und Geschossdecken schafft Flexibilität in der Nutzungsverteilung, Antizipierbarkeit an die veränderten Wohnstrukturen und Erweiterungsmöglichkeiten. Auf zukünftige Entwicklung in der Nachbarschaft wie z.B. Gebäudeerhöhungen an der Böckinger Strasse kann reagiert werden. Die architektonische Ausbildung der Stützen schafft außerdem einen individuellen architektonischen Ausdruck, der auch an anderen Stellen des Quartiers wie z.B. als Pergola in Erscheinung tritt und als verbindendes Element das Quartier zusammenhält.

Die WOHNUNGEN sind wandelbar.
Innerhalb der Tragstruktur ist die Grundrissausbilung auf die unterschiedlichen Anforderungen anpassbar. Insbesondere die IBA-Wohnungen ermöglichen gemeinschaftliche Wohnformen und soziale Synergien. So sind grössere Familienwohnungen über schaltbare Räume auf veränderte Lebenssituationen in der Grösse anpassbar oder als Gemeinschaftsraum verbindend nutzbar. In grossen Clusterwohnungen teilen sich Apartments mit individuellen Bädern und kleinen Küchen gemeinschaftliche, grosszügige Aufenthaltsräume. Wie in einer Genossenschaft kann man innerhalb des Gebäudes auf unterschiedliche Angebote zurückgreifen und dabei auch auf wechselnde Lebenssituationen reagieren. Vom zentralen Anger sind die Gebäude barrierefrei erschlossen. Über Verbindungsgänge im EG werden auch die Wohnungen im hinteren Teil der Wohnanlage barrierefrei erschlossen. Die Feuerwehr muss nur in Ost-West Richtung den Anger befahren und nicht in die Wohnhöfe hinein. Durch die Abstaffelung in Richtung Feuerbachtal sind die Zwischenräume mit Handleitern erreichbar. Auf den Dächern sind gemeinschaftlich nutzbare Dachflächen angeordnet.

Die ARCHITEKTUR erzeugt eine gemeinsame Identität des Quartiers.
Ziel ist es dem IBA-Quartier eine in sich kohärente Formensprache zu geben, die je nach Kontext verschiedene Facetten zeigt. Um dieses Ziel auch in der Fassade zu erreichen, werden bestimmte Grundregeln definiert. Diese strukturieren und proportionieren die Baukörper und formen den städtebaulichen Raum. Bei der Materialisierung der Fassade ist vor allem die Unterscheidung des Sockels von der restlichen Fassade von entscheidender Bedeutung. Der Sockel ist im erdberührenden Bereich in einem mineralischen Material wie z.B. Beton und darüber mit verputzen massiven Ziegelmauerwerk in unterschiedlichen Höhen vom Hochparterre bis 2 Geschosse variierend angedacht. Darüber können vorgefertigte Holzrahmenelemente, verputztes Ziegelmauerwerk oder Betonfertigteile ausgeführt werden. Die Identität des Quartiers zeigt sich so auch über seine hochwertige architektonisch Ausdruck und schafft ein spannungsreiches Ensemble.

Das IBA & EVA QUARTIER versorgt sich selber.
Zukunftsweisende Zielsetzung ist die klimaneutrale energetische Versorgung des neuen Quartiers. Die Versorgung soll sich aus mehreren Komponenten zusammensetzen:
Ein Fernwärmeanschluss und/oder Wärmepumpe für Wärmeerzeugung mittels Erdsonden und Abwasserwärmetauscher können je nach Effizienz für die Wärmeerzeugung eingesetzt werden. Die Warmwasserbereitung erfolgt mittels elektrischen Durchlauferhitzern, die Verteilwärmeverluste verhindern. Die Wärme des Abwassers wird durch einen Abwasserwärmetauscher und einer Wärmepumpe in den Wintermonaten für die Heizung genutzt. Erdwärmesonden sind auch auf felsigem Untergrund möglich. Alternativ zu den Erdwärmesonden ist auch ein Eisspeicher denkbar. Da Wärmepumpen bei niedrigen Vorlauftemperaturen besonders effizient arbeiten, sind Flächenheizungen wie Bauteilaktivierungen und Fußbodenheizungen angedacht. Der Strom für die elektrischen Durchlauferhitzer wird durch PV-Anlagen auf den Gebäuden selbst erzeugt. Der Wärmeeintrag ist durch einen Fensterflächenanteil von weniger als 50% reduziert. Die Speichermasse der Betondecken reduziert die Temperaturschwankungen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf reagiert in der Maßstäblichkeit angemessen auf den Standort. Der zweigeschossigen Bestandsbebauung an der Böckinger Straße werden vier dreigeschossige Wohngebäude gegenübergestellt.
Auf der dem Feuerbacher Tal zugewandten Seite stufen sich die Gebäudeteile von der Mitte zum Ortsrand wohltuend ab.
Die Idee des gemeinschaftlich genutzten grünen Innenraums variiert die öffentlichen Räume, beginnend mit dem bestehenden eva-Garten über Stadtteilhaus und Kita bis hin zum neuen eva-Garten und unterstützt damit das Konzept des sozialen Miteinanders. Im Weiteren zu präzisieren und zu qualifizieren sind Höhe, Form und Nutzung der Baukörper in diesem zentralen Bereich des Quartiers. Dies gilt auch für die Nutzung und Gestaltung der an diesen Anger angrenzenden Erdgeschosszonen der Wohnbebauung sowohl im Norden wie auch im Süden.
Konsequent durchgehalten wurde das autoarme Konzept des Gebiets in einer TG mit nur einer Zu-und Ausfahrt am östlichen Rand. Dies ist zu begrüßen; zu prüfen ist aber die dadurch entstehende Raum- und Erschließungsqualität,
bzw. scheint 1 Zufahrt für die Größe der Garage unpraktikabel. Dies gilt auch für die
neben der TG angeordnete Fahrradgarage mit 2 Zu- und Abfahrten.
Das architektonische Gesamtkonzept versucht die angestrebte Vielfalt der Wohngebäude farblich darzustellen.
In der weiteren Bearbeitung muss dies jedoch in Hinblick auf Material und Gliederung (zum Beispiel Sockelzonen) verfeinert werden. Dies gilt besonders auch für die öffentlichen Gebäude Kita und Stadtteilhaus.
Eine Verteilung der eva-Wohngruppen auf verschiedene Gebäude wäre wünschenswert.
Die Regelgeschosse der SWSG Gebäude sind solide geplant. Wünschenswert wäre in einer weiteren Überarbeitung die Darstellung aller Grundrisstypen. Die Wirtschaftlichkeit des Vorschlags bewegt sich am unteren Rand der geprüften Kennwerte.
Das in den unteren Geschossen angeordnete ambulante Wohnen der eva scheint Gemeinschaft im Innern nicht wirklich zu fördern. Dies gilt auch für das teilstationäre Wohnen im eva-Haus. Der Ansatz der Clusterwohnungen im IBA-Haus ist noch sehr rudimentär. Positiv gewertet wird die gemeinschaftliche Nutzung der Dachflächen der jeweils darunterliegenden Geschosse als großzügige Terrassen.
Der Entwurf hat große städtebauliche Stärken, die architektonischen Details werden kritisch diskutiert.
Perspektive Innenhof

Perspektive Innenhof

Perspektive Wohnhof

Perspektive Wohnhof