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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Neubau des Zentrallagers für das Nationaltheater Mannheim

Perspektive aus der Bahn

Perspektive aus der Bahn

1. Preis / Zuschlag

Molter - Linnemann Architekten BDA

Architektur

Gehbauer Helten Bickel Architekten Partnerschaft GmbB

Architektur

MKM BRANDSCHUTZ

Brandschutzplanung

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

TGA-GM DENKWERKSTATT Prof. Thomas Giel

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Der Vorhang geht auf!
Dieser Moment und die damit verbundene stoffliche Assoziation bestimmen unsere Konzeption. Ein Theaterbesuch hebt uns aus dem Alltag heraus. Der Bühnenraum ist ein Wechselraum, eine Szenerie ständig im Wandel. Zwischen Zuschauerraum und dem Bühnenraum bildet der Vorhang eine weiche, stoffliche Begrenzung. Die Spannung steigert, im Moment des Öffnens beginnt die Interaktion zwischen Schauspielern und Zuschauern. Die Szenerien wandeln sich im gesellschaftlichen Kontext, sie sind wie ein interpretierender Spiegel.
Architektonisches Konzept
Das Zentrallager verstehen wir als großen Behälter, der Ausstattungen und Szenerien des Theaters erhält und aufbewahrt. Hier werden keine Dinge vorgehalten, sondern ganze Theaterwelten. Die Handlung des Lagerns selbst verlangt eine klare Ordnung, das konstruktive System ist bestimmt durch die Einheit der Sattel. Eine robuste Struktur entspricht dem funktionalen Anspruch. Darüber hinaus verweist die Architektur auf das Theater. Das Stoffliche, assoziativ auf den Vorgang und das Gewand des Schauspielers verweisend, bestimmt die Silhouette und den taktilen Eindruck der Hülle. Die Fassade wandelt sich in der Bewegung dem Annähernden und Passierenden, bezieht die Betrachter mit ein, erweckt die Aufmerksamkeit, und macht neugierig. Über die integrierte LED- Medienfassade kann sich das NTM an prominenter Stelle mit seinem Programm präsentieren.
Der Baukörper bildet einen Massenschwerpunkt und somit einen Orientierungspunkt in der Stadtlandschaft. Gegenüber dem Kulturzentrum Jungbusch platziert, setzt er die kulturelle Spur fort. Im Spannungsfeld zwischen dem Gebäudetypus und kulturellem Inhalt komplettiert das Zentrallager die über die ganze Stadt verteilten Gebäude des NTM.
Städtebau und Außenraum
Der kompakte, auf einem quadratischen Grundriss basierende Solitär, angelehnt an das "mannheimerische" Quadrat, setzt zum einen die Strukturrichtung des Hafengebiets fort, zum anderen vermittelt er zur benachbarten Struktur des Jungbuschs. Das Gebäude ist passend zum Hafengebiet großmaßstäblich und kräftig entwickelt. Über die Ecke wahrgenommen strahlt sein Volumen maximal sichtbar aus. Zusammen mit der in Ziegelbauweise errichteten Halle auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht das Bestandsgebäude für historische Kontinuität und auch die für ein Hafengebiet typische unterschiedlichen Maßstäbe.  
Zwischen dem künftigen Kostümlager und dem Neubau des Zentrallagers spannt sich ein übersichtlicher Betriebshof auf. Der Recyclinghof wird auf der bahnabgewandten Seite angeordnet, aus dem Sichtfeld genommen. Auch das Reservetor zum Zentrallager mit der zweiten Anlieferungszone liegt hier. Die restliche Fläche kann als Schotterrasen versickerungsfähig ausgebaut werden. Im Norden des Grundstücks kann durch diese Gebäude- und Außenraumdisposition ein Streifen von ca. 3.600 m² zur weiteren Verfügung herausgetrennt werden.
Konstruktion und Material
Gebäudehülle und Konstruktion werden aus dem nachhaltigen Werkstoff Holz angefertigt. Im Holz wird klimawirksam CO² gespeichert und auf lange Zeit gebunden. Die Holzbauweise benötigt auch weniger fossile Energie für seine Herstellung als andere, konventionelle Baumaterialien. Die für Holzbauweise typische Kombination von integrativen und additiven Dämmebenen in der Hüllkonstruktion von Außenwänden und Dächern kommt zur Ausführung und ergibt eine hochwertige Gebäudehülle. Die Vorfertigung sichert eine kurze Bauzeit und hohe Qualität. Das Material Holz verweist auf den Bühnenbau und gleichzeitig auch auf das Verwahren der Theaterwelten in Holz. Die Konstruktionsweise entspricht in der Fügung seinen Inhalten.
Das Dach des Zentrallagers ist über 52m stützenfrei gespannt. Eingesetzt werden schlanke Fachwerkträger, mit Ober- und Untergurte aus hochfestem, heimischem Buchenholze und Streben/Vertikalen aus konventionellem Fichten- Brettschichtholz. Aufgelagert wird das Dachtragwerk auf in die Außenwand integrierten Buchenholzstützen, deren Querschnitt flächenbündig in die Außenwand einschließt. Im dreigeschossigen Aufbewahrungs- und Lagerbereich wird über eine Spannweite von ca. 17,50 m eine Holz-Betonverbunddecke als Rippendecke ausgeführt.
Organisation
Um die Abläufe zu optimieren, werden die Sattel im Hochregal und auf den Präsenzflächen in gleicher Richtung aufgestellt. Das Präsenzlager ist ausreichend hoch, um vom Seitenstapler beschickt zu werden. Die Sattel müssen nur einmal gepickt und nicht übergeben werden. Das Hochregal kann 600 Sattel aufnehmen, das Präsenzlager bietet Platz für 36 Sattel. Die überdachte Rampe hat eine geeignete Tiefe. Von hier kann man die Wertstoffcontainer beschicken. Sowohl vom Büro Fahr- und Sonder- dienste wie auch von der Annahmestelle sind alle Bereiche gut zu überblicken. Die Lager in den Obergeschossen sind stützenfrei organisiert und frei bespielbar, die Verkehrsflächen optimiert. Die auf mehrere Einzellager verteilten Möbellager, Requisitenfundus und Kleinteilelager sind jeweils in einem Lager mit einer größeren lichten Raumhöhe zusammengefasst, was eine größere Flexibilität bei der Einlagerung ermöglicht.

Energetisches Konzept
Unser Konzept: Dicker und dichter Mantel an einem A/V-optimierten quadratischen Baukörper, schlanke Technik. Energie, die wir nicht aus dem Gebäude herauslassen, müssen wir gar nicht erst hineinbringen.
Das energetische Konzept erfüllt die Kriterien von nachhaltigen Gebäuden durch die Interaktion zwischen innovativer Architektur und innovativer Technik. Konkret bedeutet dies ein Zusammenspiel von Architektur, Innen- und Außenräumen sowie optimales Raumklima mit möglichst einfachen technischen Mitteln und möglichst wenig externer Energie.
Das Ziel ist ein Gebäude mit einer positiven Betriebsbilanz, welches sich den klimatisch geänderten Anforderungen im Innen- und Außenraumklima stellt.
Das Dach des Zentrallagers bietet großes Potential. Es ist gleichzeitig Energieerzeugungsfläche, Energiespeicher und Retentionsfläche mit Biodiversitätsqualität. Die Bauteile dafür sind intensive Dachbegrünung mit Regenwasserspeicher, eine aufgeständerte Photovoltaik-Solaranlagen als Hybridsystem in Kombination mit Fußbodenbeizung in der Lagerhalle und dem Sprinklerwassertank als Energiespeicher.
Das Dach als permanenter Wasserspeicher in Kombination intensiver Dachbegrünung trägt zur Artenvielfalt und Biodiversität in der Stadt bei. Zusätzlich kann durch Verdunstung das Klima im und um das Gebäude gesteuert werden. Je nach Anforderung, dient das Dach als permanenter Wasserspeicher und/oder als temporärer Rückhalteraum mit Wetterprognosen gesteuerter Abflussverzögerung als Kälteproduzent oder trocken im Winter als Wärmedämmung. Die Kombination der Dachbegrünung mit der etwas höher aufgeständerten PV-Solarhybridanlage ist sehr effektiv. Das grüne Dach wirkt als Schutzschicht gegen Extremtemperaturen, UV- und IR-Strahlung, Hagel und Witterungseinflüsse und kühlt die PV-Module über die Verdunstung.
Die aufgeständerte PV-Hybridanlage Anlage ist gleichzeitig Stromproduzent und mit dem Solarthermie-Flächenkollektor Wärmeproduzent für die Wärmepumpe zum Heizen und Kühlen. Während der Übergangszeit kann die Industriefußbodenheizung bzw. -kühlung über den Sprinklerwasser-Wärmespeicher direkt bedient werden. Stromüberschüsse werden als Ladestrom für die E-Mobilität genutzt oder ins öffentliche Netz zurückgespeist. Das energetische Konzept ermöglicht es, dass das Gebäude mehr Energie produziert als es verbraucht.

Brandschutz
Brandschutztechnisch ist das Gebäude in zwei Teile gegliedert. Zum einen in das eigentliche Hochregallager, zum anderen die mehrgeschossigen Lagerflächen. Im Brandfall halten die Fachwerkträger mindestens 30 Minuten der Brandeinwirkung stand. Auch die tragenden und aussteifenden Bauteile im Hochregal werden in Holz R30 ausgeführt.
Der dreigeschossige Industriebau wird nach Abschnitt 6 IndBauRL in Sicherheitskategorie K4 (selbsttätige Löschanlage) mit einer Brandabschnittsfläche von ca. 7.500 m² eingruppiert. Hier sind die tragenden und aussteifenden Bauteile in Holz R60. Die Trennwand zwischen dem großen Zentrallager und dem dreigeschossigen Gebäudeteil wird als Holztafelbauwand in REI60 Qualität ausgefüllt, durch handelsübliche Gipsfaserplatten gewährleistet. Die beiden Treppenräume werden konventionell massiv feuerbeständig in Bauart einer Brandwand (REI90M) errichtet. Die Fassade aus vertikalen Holzbohlen auf Trägerplatten ist zwischen den Elementen horizontal mittels gekanteter Bleche geschottet.
Das Gebäude ist mit einer selbsttätigen Löschanlage ausgestattet, das Hochregallager wird zusätzlich mit automatischen Brandmeldern überwacht. Das Löschwasser-Bevorratungsbecken und die Sprinklerzentrale befinden sich im Untergeschoss in der Südostecke des Gebäudes, die Brandmeldezentrale befindet sich im Erdgeschoss in Eingangsnähe. Für alle Räume >200m² werden Rauch- und Wärmeabzuge im oberen Drittel der Wände, im Hochregallagerbereich im Dach erforderlich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich orientiert sich das komplett als Holzbau konzipierte neue Lagergebäude parallel zur westlichen und nördlichen Grundstücksgrenze. Das Gebäude stellt sich dreiseitig als fast geschlossener Kubus dar, der lediglich in der Südfassade im EG einen großflächigen Einschnitt im Andienungs- und Werkstattbereich erfährt. Dieser dient der dortigen natürlichen Belichtung und Belüftung der Funktionsräume.
Die vorgefertigten Fassadenelemente aus unterschiedlich gefrästen Holzlamellen lassen sowohl Assoziationen zu einem Theatervorhang als auch zu einzelnen Containerelementen im Hafenumfeld zu. Die Fassade ist über den oberen Dachrand hinausgezogen und verdeckt dadurch die dahinterliegende Photovoltaik-Anlage.
Die wertige Holzfassade erzeugt mit den wie selbstverständlich gewählten Öffnungen - je nach Blickwinkel und Lichteinfall - eine lebendige, plastische und changierende Wirkung auf den Betrachter.
Das in die Fassade integrierte LED-Band ist bei Tageslicht zwar nicht wirklich sichtbar, kann aber eine durchaus interessante Nachtwirkung entfalten.
Die innere Raumabfolge ist klar in einen Andienungs- und Werkstattbereich mit anschließender Präsenzfläche und danach dem eigentlichen Hochregallager gegliedert. Dadurch entsteht ein äußerst kompaktes und funktionales neues Lagergebäude. Das Behälterbecken der Sprinkleranlage und die zugehörigen Technikbereiche sind unter dem Gebäude vorgesehen und liegen damit im Hochwasserbereich. Brandschutztechnisch wird die Genehmigungsfähigkeit der komplett aus Holz gewählten Konstruktion und der Fassade gemäß Industriebaurichtlinie hinterfragt.
Die Technikflächen und Rangierflächen im Präsenzbereich sind insgesamt zu gering dimensioniert.
Flächenmäßig entspricht der Entwurf ansonsten den Vorgaben des Testentwurfs; die überdachten LKW-Standflächen und E-Ladestationen sind nicht nachgewiesen.
Der Entwurf stellt aus Nutzersicht einen interessanten Wettbewerbsbeitrag dar, der jedoch zum jetzigen Zeitpunkt - aufgrund der verwendeten Materialität von Tragstruktur und Fassade - brandschutztechnisch in der Realisierung problematisch erscheint.
Perspektive

Perspektive

Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG

Schnitt AA

Schnitt AA

Ansichten

Ansichten

Ansicht Anlieferungszone

Ansicht Anlieferungszone

Plan 1

Plan 1

Plan 2

Plan 2

Plan 3

Plan 3