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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Quartier an der Böckinger Straße in Stuttgart

Anerkennung

Preisgeld: 20.000 EUR

MÄCKLERARCHITEKTEN

Architektur

Glück Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Allgemein
Mit dem Entwurf für das neue Quartier an der Böckingerstraße entsteht ein städtebauliches Grundgerüst, das im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche, kulturelle, ökologische und ökonomische Randbedingungen nicht nur nachhaltig, sondern auch anpassungsfähig ist. Das vorliegende Konzept fördert einen dichten, eigenständigen und identitätsstiftenden Stadtteil, der soziale und funktionale Mischung erlaubt.

Die Vernetzung des Quartiers mit seiner Umgebung und dessen größtmögliche Wohn- und Freiraumqualität sind grundlegende Kriterien für den Entwurf, der durch die Aufnahme verschiedener Achsen sowie der Schaffung von gut gestalteten und sinnlich erlebbaren Stadträumen geprägt ist. Im Dialog mit der Umgebung bilden die einzelnen Gebäude in ihrer Anordnung differenzierte private und öffentliche Räume mit hoher Aufenthaltsqualität, die eine vielfältige Nutzung und ein hohes Maß an Urbanität ermöglichen.

Städtebauliches Konzept
Struktur und Gestalt des neuen Stadtteils sind geprägt von einem städtischen, urbanen Charakter und der hohen Qualität seiner öffentlichen Räume. Das einzelne Haus wird dabei als Teil einer gesamtstädtischen Einheit verstanden, dessen Gestaltung die bereits vorhandenen Typologien, Formen und Materialien des Stadtteils berücksichtigt.
Grundlegende Voraussetzung für die Entstehung von Urbanität ist eine hohe bauliche Dichte bei kleinteiliger Parzellierung sowie eine gute soziale und funktionale Mischung. Dafür ist eine klare Trennung von öffentlichen und privaten Räumen notwendig. Je nach Lage innerhalb des Quartiers wechseln geschlossene und offene Strukturen, aber auch die Geschossigkeit, die Ausbildung der Straßen- und Hoffassaden sowie die Ausbildung der Eingänge zur Straße.

Freiraumplanerisches Konzept / Stadtökologie
Einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität im neuen Stadtteil leisten zudem die Freiräume und Grünflächen. Gleichzeitig dienen diese Bereiche als Frischluftschneisen, die entsprechend der Hauptwindrichtung im Feuerbachtal ausgerichtet, einer extremen Hitzentwicklung entgegenwirken und die frische Luft aus dem Umland in die Stadt leiten.

„Familienfreundliches und generationengerechtes Wohnen im Grünen“ ist das Motto unter dem die Baustruktur des Quartiers in offener und geschlossener Bebauung steht. Durch qualitativ hochwertige private und öffentliche Freiräume wird die Attraktivität und Wohnqualität des neuen Stadtteils wesentlich erhöht. Privatgärten und großzügige Hofflächen im inneren der Bebauung ermöglichen vielfältige Freizeit- und Aufenthaltsmöglichkeiten im Freien und bieten ein hohes Maß an Geborgenheit für die Bewohner. Des Weiteren spielt der zentrale, begrünte Platz eine wichtige Rolle für das Quartier indem er einen hochwertigen städtischen Aufenthaltsraum für die Anwohner bietet und gleichzeitig die beiden neuen Eva-Gärten großzügig miteinander verbindet.

Flexibles / Innovatives Wohnen
Flexibilität und Variabilität des Wohnens gehen unmittelbar in die städtebauliche Konzeption ein. Für den Ideenteil IBA27 werden urbane Wohnungen mit modernen flexiblen Grundrissen geschaffen, die vielfältigen Lebensentwürfen und Vorstellungen entsprechen und sowohl für Singles, Paare, als auch Familien geeignet sind. Durch geeignete Grundrissgestaltung ist es möglich, die Wohn- und Schlafräume weitgehend den lärmabgewandten Gebäudeseiten zuzuordnen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Grundrisstypen mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen von 2-4 Zimmern im Geschosswohnungsbau sind möglich. Jeder Erschließungskern ist mit einem barrierefreien Aufzug bis zum Untergeschoss ausgestattet. Zudem hat jedes Haus einen direkten Zugang zum Innenhof. Alternativ können die Innenhöfe auch als Gewerbehöfe mit nicht störendem Gewerbe ausgebildet werden.

Verkehrs- und Mobilitätskonzept
Erschlossen wird das neue Quartier mit dem Auto über eine Ringstraße die entlang der nördlichen Grenze des Wettbewerbsgebietes verläuft. Auf diese Weise bleibt die zentrale Ost-West-Achse annähernd frei von Autoverkehr und die Tiefgaragen können auf der Nordseite mit kurzen Rampen erschlossen werden. Eine fußläufige Nord-Süd-Achse verbindet das neue Quartierszentrum unmittelbar mit der Haltestelle Tapachstraße. Um die Anbindung an den ÖPNV nochmal zu unterstreichen sieht der Entwurf vor auch die Roigheimersraße als verkehrsberuhigten Bereich auszubilden. Im Sinne der anstehenden Verkehrswende und der autofreien Stadt sind alle Straßen nicht als reine Verkehrsadern, sondern als Stadtstraßen zu verstehen. Diese dienen nicht ausschließlich dem Individualverkehr, sondern sind gestaltete Aufenthaltsräume, die durch die Häuser, die an den Straßen stehen, gefasst werden. Spielstraßen bzw. Wohnwege mit Mischnutzung sorgen für die optimale Anbindung der einzelnen Häuser an den Fahrrad- und Fußgängerverkehr. Zudem tragen diese verkehrsberuhigten, stellplatzfreien Bereiche wesentlich zur Erhöhung der Wohnqualität bei.

Nachhaltigkeit/Energie
Das Energie- und Nachhaltigkeitskonzept wurde im Spannungsfeld einer CO2 neutralen Quartiersversorgung und der Prämisse der Dauerhaftigkeit der Gebäude entwickelt. Ziel ist es neben einem konstanten passiven Verhalten der Gebäude durch massive Bauweisen mit Lochfassaden sowie Speichermassen in der Baukonstruktion in Kombination mit der Einbindung regenerativer Energien am Standort, ein zukunftsfähiges Quartier zu schaffen mit hoher Resilienz und Robustheit.

Die bauphysikalischen Kennwerte orientieren sich am KfW 55 Standard, Überhitzungen werden durch ein ausgeglichenes Maß an geschlossener und transparenter Wand sowie den Einsatz von Speichermassen erreicht. Alle Gebäude sind natürlich über die Fenster gelüftet, eine mechanische Be- und Entlüftung ist nicht vorgesehen. Der Feuchteschutz der Wohnungen wird mittels Fensterfalzlüfter und Nachströmung in die Bäder im Bedarfsfall mit 60m²/h eingehalten. Die Temperierung der Räume erfolgt über eine Fußbodenheizung. Diese dient auch im Sommer dem Lastausgleich in den Räumen, bei steigenden außenklimatischen Bedingungen. Basis dieser Gebäudekonzepte ist neben PV Anlagen auf den Dächern, die Nutzung der Geothermie am Standort. Ein Erdsondenfeld oder bei geeigneter Geologie und Ergiebigkeit das Grundwasser sind der Ausgangspunkt des Versorgungskonzeptes. Die Umweltwärme wird aus dem Erdreich gewonnen mittels zentraler Wärmepumpe auf ein Temperaturniveau von 35-40°C gebracht und in ein Quartiersnetz eingespeist. Diese Energie dient in den Gebäuden der Beheizung. Im Sommer wird die Erdwärme mittels Wärmetauscher in das Netz eingespeist und dient ebenfalls der Temperierung. In den Gebäuden wird auf eine zentrale Warmwasserbereitung verzichtet. Die Zapfstationen werden mit Durchlauferhitzern ausgestattet, so dass die Verluste in der Leitungsführung unterbunden werden und die Wärme im Netz auf den genannten LowEx Temperaturen gehalten werden kann. Zur maximalen Eigenstromnutzung im Tageslastgang werden die PV Module in Ost-Westrichtung mit geringem Winkel aufgestellt, so dass ganztägig Erträge vorhanden sind und im Quartier auch unter Einbindung von E.-Mobilität in der Garage genutzt werden kann.

Zusätzlich zu den PV Anlagen sind sämtliche Dächer als Gründach mit Wasserrückhaltung ausgebildet worüber Niederschlagswasser gesammelt und in unterirdischen Rückhaltebecken für die Bewässerung der Grünflächen gespeichert wird. Für die großkronigen Bäume im Straßenraum werden unterirdische Baumrigolen ausgebildet, die ebenfalls versickerndes Niederschlagswasser auffangen und speichern ohne dabei das Wurzelwerk der Bäume zu beeinträchtigen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Bearbeiter zeigt ein starkes Konzept auf, welches eine hohe Identität und Adresse für den Ort darstellen könnte. Hierfür werden bewusst die klassischen städtebaulichen Motive auf das Plangebiet übertragen, die sich weniger aus dem Stadtteil heraus entwickeln, sondern mehr auf ein eigenständiges Stadtquartier abzielen. Dies wird durchaus gewürdigt und ist auch gewollt, allerdings entsteht ein städtebaulicher Fremdkörper, der sich nicht in den Stadtteil einfügen möchte. Die vertrauten Elemente wie Stadtblock, Zeile und Stadtvilla werden gekonnt kombiniert, bleiben aber in der Örtlichkeit fremd.
Auch die Qualität der Freiräume mit den privaten Gärten hinter Heckenstrukturen entspricht nur wenig den Ansprüchen an kommunikative Freiräume. Überzeugend wirkt dagegen der zentrale Innenraum (Quartiersplatz), der eine gute Adresse für das neue Quartier ausbildet. Die angrenzenden Gebäude wirken sehr städtisch, aber als Raumkante konsequent.
Die Punkthäuser finden als Stadtkante durchaus Gefallen, wirken aber in ihrer Gleichförmigkeit zu monoton.
Eine nördliche Erschließungsstraße ist im System als gleichberechtigte Stadtstraße konsequent auch wenn dadurch eine Verzahnung der Bebauung zum Grünsaum hin eingeschränkt ist.
Die Integration der Flächen der eva wirkt als nicht gelungen, sondern eine bessere Vertretung bzw. andere Verteilung der eva-Wohnungen im Quartier wäre wünschenswert gewesen. Auch der eva-Garten ist wenig integriert.
Die Wirtschaftlichkeit der Arbeit befindet sich im Vergleich zu den sonstigen Arbeiten im mittleren Bereich.
Innerhalb der Jury wird die Frage diskutiert, in wie weit ein Stadtquartier im klassischen Duktus sich für die gestellte Aufgabe und diesen Ort eignet und in wie weit innovative und zukunftsweisende Bilder auch im Zusammenhang mit der IBA 27 vorgeschlagen werden.
Das betrifft insbesondere die Ausarbeitung der schematischen Fassaden und der Grundrisse, die wenig neue Aspekte im Sinne der Auslobung liefern, sondern sich gerade eher dieser Diskussion entziehen wollen.
Etwas mehr Mut und Bereitschaft sich der gestellten Aufgabe zu öffnen wäre hier förderlich gewesen und hätte dem Projekt sehr gut getan.