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Einladungswettbewerb | 06/2019

Umgestaltung der St. Josef- Kirche zu einem Teilkolumbarium

3. Preis

Andreas Rowold Architekt

Architektur

Erläuterungstext

Theoretische Einordnung
Das Vorhaben, ein Kolumbarium in eine Kirche zu implementieren, erfordert einen Blick in die Kirchengeschichte. Schon sehr früh in der Geschichte der katholischen Kirche wurden Verstorbene in den Seitenschiffen und im Chorumgang von Kirchen beigesetzt. In Anknüpfung an die Tradition Feierraum und Beisetzungsort miteinander zu verbinden, wird das Bewusstsein für unsere Sterblichkeit geweckt und gestärkt. Der vorliegende Entwurf überträgt dies auf die Kirche Sankt Josef.

Städtebauliche Einbindung
Die Kirche liegt auf einem Hügel an exponierter Stelle umringt von Wohngebäuden. Ihre äußere regelmäßige fünfeckige Gestalt erinnert an ein Zelt und knüpft damit an das 2. Buch Mose und den Exodus aus Ägypten an. Der exponierte und vom Kirchgengebäude abgerückte Kirchturm ruft die Gläubigen zum Gottesdienst. Der Eingang zur Kirche erfolgt über den Verbindungsgang zwischen Turm und Kirche.

Bestand
Besonderheit der regelmäßigen fünfeckigen Form ist das Wechselspiel zwischen den geschlossenen weißen Wänden und den offenen Gebäudeecken, die das Licht, durch die Dallverglasung gefärbt, in die Kirche einfallen lassen. Dabei entsteht ein besonderer Reiz durch das Sonnenlicht mit seinen Veränderungen im Tages- und Jahresverlauf auf den graden Flächen des fünfeckigen Gebäudes. Dieses Wechselspiel wird durch den vorgelegten Entwurf noch verstärkt.

Über den niedrigen Eingang betritt man den in seiner Grundstruktur auf Zirkumstanz hin ausgelegten Kirchenraum, dessen Möblierung allerdings deutlich vorkonziliar ausgerichtet ist, während die von der Decke abgependelte Beleuchtung den zentral angelegten Raum betont.

Alle liturgischen Elemente stehen, der Zeltmetapher entsprechend, frei vor der „Zelt“-Wand oder im Raum.

Grundkonzept des Kirchenraumes
Der Kirchenraum wird neu geordnet und auf seine zentralisierte Grundstruktur des Fünfecks ausgerichtet. Durch den Einbau von fünf Urnenwänden wird der Feierraum auf die geforderte verringerte Größe reduziert. Der Altartisch als „Tisch des Brotes“ steht als Symbol Christi im Zentrum des Glaubens und daher auch im Mittelpunkt des Raumes. Das vorhandene auf zweiseitige Sichtigkeit ausgelegte Kreuz hängt frei über dem Altar im Firstpunkt des Zeltraumes.

Die Wände der Urnengräber sind hinter den Gottesdienstbesuchern positioniert und ermöglichen so eine Gemeinschaft der Lebenden und der Toten um den Altar. Die räumliche Nähe zu den verstorbenen Angehörigen im Kontext des sonntäglichen Gottesdienstbesuches spendet Trost und schärft zugleich das Bewusstsein für unsere eigene Sterblichkeit.

Der durch die Stellung der Urnenwände entstehende Umgang als Bestattungsort um den neu geschaffenen Feierraum nimmt alte Kirchenbautraditionen wieder auf. Die Ausrichtung und Abmessungen der Urnenwände berücksichtigen die Grundstruktur des Raumes und halten die Sichtachsen auf die lichtdurchfluteten Raumecken mit ihren Dallverglasungen frei. Zusätzlich ermöglichen offene Kerzenbereiche Durchblicke auf den Altarbereich und den Tabernakel.

Materialien
Alle Gegenstände und Materialien, die rückgebaut oder verändert werden, sollen in alter Kirchenbautradition wiederverwertet und neu interpretiert werden. So wird der Fußbodenbelag aus Ölandstein aufgenommen, zerkleinert und als farb- und strukturgebender Zuschlagsstoff zum neu eingebrachten Terrazzoboden genutzt. Trennfugen mit eingelegten Messingstreifen betonen die fünfeckige Grundform des Gebäudes und machen sie auch im Bodenbelag ablesbar. Die Deckenverschalung erhält eine Lasur, die farblich auf den Fußboden Bezug nimmt.

Lichtkonzept
Die vorhandenen Lichtorte in der Decke sind bereits jetzt auf die Zirkumstanz ausgerichtet und können daher für den Feierraum beibehalten werden. Für den Umgang des Kolumbariums werden zusätzliche Lichtquellen in die Decke integriert.

Seitenkapellen, Beichtstühle und Sakristei
Die beiden ehemaligen Beichtstühle werden aufgelöst und als Heiligenkapellen für die Statuen der Heiligen Maria und des Heiligen Josef genutzt. Zur Akzentuierung der Skulpturen wird die jeweils dahinterliegende Wand mit Blattgold belegt. Beide Bereiche erhalten auf die räumliche Situation abgestimmte Kerzenopfer und Kniebänke. Der Schein des Kerzenlichtes wird von den goldenen Flächen warm in den Kolumbariumsraum reflektiert.

In der jetzigen Mariennische lädt eine Bank zum Verweilen ein. Ein dort ausgelegtes Trauerbuch gibt den Besuchern die Möglichkeit, ihren Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen.

Der Raum für Beichtgespräche wird sowohl als Beichtraum, als auch als Raum für Trauergespräche genutzt werden. Er wird eine Lüftungsmöglichkeit erhalten.

Im Erdgeschoss des Glockenturmes werden ein Büro für die Verwaltung, sowie ein Besprechungsraum für den Empfang eingerichtet. Alle Informations- und Schriftenstände werden in dem dem Kirchenraum vorgelagerten Eingangsbereich konzentriert.

Die Räume der Sakristei werden ebenfalls entsprechend den Anforderungen modifiziert. Der vorgegebene Kostenrahmen kann bei der Umsetzung des vorliegenden Entwurfes eingehalten werden.

Unveränderliches im Kirchenraum
Die Apostelleuchter sind Symbole für die Gemeinde. Als Zeichen für den Fortbestand der Gemeinde über den Tod hinaus verbleiben die Apostelleuchter an den Außenwänden und fassen so die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten zusammen.

Auch der Kreuzweg soll an seinem Ort bestehen bleiben. Es wird jedoch vorgeschlagen, die einzelnen Stationen voneinander zu trennen, um so die Erfahrung der Kraft des gebeteten Weges zu stärken.

Die Skulptur des Heiligen Antonius erfährt eine Hervorhebung durch eine blattvergoldete Rückwand – ihr jetziger Standort bleibt bestehen.

Der Feierraum

Der Feierraum
Der Kirchenraum wird durch die Erweiterung als Kolumbarium grundlegend neu strukturiert und auf den Gedanken der Zirkumstanz hin neu ausgerichtet.

Der Feierraum bildet das Zentrum des Kirchenraumes und wird begrenzt durch fünf neu eingeführte Urnenwände, von denen zwei, niedriger ausgebildet, unter die Orgelempore ragen. Die anderen drei Wände orientieren sich an der Höhe der Brüstung des Orgelbodens und bilden so einen neuen Raum im Raum aus. Die Wände sind der Länge nach so bemessen, dass die Zwischenräume an den Eckbereichen auf die Dallverglasung Bezug nehmen. So besteht weiterhin die Möglichkeit, das durch die Dallverglasung gefärbte Sonnenlicht bis in den Feierraum strahlen zu lassen.

Als sakrales Zentrum befindet sich der Altar als „Tisch des Brotes“ um eine Stufe erhöht im Mittelpunkt des Feierraumes – so werden die Handlung inmitten der Gemeinde vollzogen.

Durch den Einbau der Urnenwände wird der Feierraum auf die notwendige Größe von ca. 180 Sitz- und ca. 40 Stehplätzen reduziert. Diese verteilen sich auf vier Bankblöcke. Der fünfte Bereich ist dem Ambo, Vortragekreuz, Sedilien und dem Tabernakel mit Ewigem Licht vorbehalten und ebenfalls um eine Stufe gegenüber dem Kirchenboden erhaben. Von hier aus wird der Wortgottesdienst geleitet. Der Ambo als „Tisch des Wortes“ ist dabei von allen Gemeindemitgliedern gut zu sehen.

Auf dieser Ebene kann neben der Osterkerze bei einer Trauerfeier auch der Sarg oder die Urne aufgestellt werden.

Als Sinnbild dafür, dass das Leben im Tod nicht genommen, sondern gewandelt wird, sind die Grenzen zwischen Feierraum und Kolumbarium durchlässig gestaltet. Die Übergänge sind fließend. Die Raumecken öffnen sich zum gefärbten Tageslicht. Vier der Urnenwände weisen je fünf Durchbrüche auf, die als Orte für Kerzenopfer konzipiert sind, sodass der Kerzenschein sowohl Totengedenken anzeigt, als auch der Gemeinde im Feierraum Wärme und Licht spendet. In der Urnenwand im Rücken der „Tabernakelinsel“ ist der einzige Durchbruch dem Ewigen Licht vorbehalten – die übrigen Kerzennischen sind dort ausschließlich kolumbariumsseitig ausgebildet.

Prinzipalstücke
Die Prinzipalstücke werden allesamt dem neuen Raumkonzept entsprechend angefertigt. Der Altartisch nimmt mit seiner fünfeckigen Grundform die Raumkanten auf und lädt zu Zirkumstanz und Konzelebration ein.

Ambo und Tabernakelpostament sind ebenfalls fünfeckig ausgebildet. Alle Prinzipalstücke weisen im Bodenbereich umlaufende Schattenfugen auf, die die Prinzipalstücke schwebend erscheinen lassen, während die Urnenwände eine umlaufende Fuge im Boden aufweisen, was wiederum die Verbindung zur Erde symbolisiert (Asche zu Asche, Staub zu Staub).

Der bestehende Tabernakel aus Bronzereliefplatten wird um eine weitere Seitenplatte zur Fünfeckigkeit ergänzt.

Das Ewige Licht ist in die Urnenwand eingelassen und wirft seinen Lichtschein sowohl in den Feierraum als auch in das Kolumbarium.

Materialien
Alle Dinge und Materialien, die rückgebaut oder verändert werden, sollen in alter Kirchenbautradition wiederverwendet und neu interpretiert werden. Neben dem bereits angesprochenen Recycling des Fußbodenbelages als Zuschlagstoff für den Terrazzoboden, soll auch der Altar aus Goten-Granit gemahlen und als farb- und strukturgebender Zuschlagsstoff zum Beton des neuen, fünfeckigen Altartisches genutzt werden.

Die Kirchenwände erhalten zum besseren Erhalt der akustischen Qualitäten eine gespritzte neue Farbbeschichtung.

Orgel
Die Orgel bleibt in ihrer Position unangetastet. Es wird vorgeschlagen, das Orgelgehäuse mit einer aufhellenden Lasur der Gesamtfarbgebung anzupassen.

Der Trauerraum

Die Urnenwände
Über den Tod hinaus sind wir eine Gemeinschaft der Gläubigen um den Altar. Als Sinnbild hierfür sind die Urnenwände konzentrisch um die Bankblöcke herum positioniert. Die Urnenwände haben eine Höhe von ca. 3,80 m, eine Länge von 9,10 m und eine Tiefe von ca. 0,70 cm. Die Urnen werden in Einzel- und Doppelgräbern auf 6 bzw. 10 Ebenen übereinander angeordnet.

Die Außenwände der Urnengräber sind in Anlehnung an Mt. 27.60 (…und legten ihn in ein Grab, welches er hatte in einen Felsen hauen lassen …) als Felswände konzipiert. Sie bestehen im Innern aus einem Stecksystem aus Stahlplatten, das mit Beton verkleidet ist, dessen Zuschlagstoff aus dem Ölandstein des Fußbodenbelages gewonnen wird. Die Konstruktion wird in Ortbeton hergestellt. Die Oberfläche weist die Rauheit von gebrochenem Felsen auf. Die Verschlussplatten sind mit Wasserstrahl geschnitten und weisen untereinander eine Haarfuge auf. Bezugnehmend auf Jes. 43.1 ( …fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst; ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen. Du bist mein. ) wird die Einzigartigkeit des Individuums über die freie Positionierung der Beschriftungen ausgedrückt. Die Namen bestehen aus Einzelbuchstaben auf einer Schiene, die erhaben vor der Felswand angebracht ist. Der dauerhafte Verschluss der Platten erfolgt verdeckt über ein auf der Innenseite der Platten angebrachtes Rahmensystem.

Die Wände sind mit durchgesteckten Kerzenorten aufgelockert. Während sie auf der Seite des Kolumbariums in unterschiedlichen Höhen angeordnet sind, erscheinen sie zum Feierraum hin in einheitlicher Höhe. Sie sind mit geschliffener Bronze ausgekleidet. Dadurch fällt der goldfarbig reflektierte Schein der Kerzen sowohl in den Umgang des Kolumbariums als auch in den Feierraum und löst die Schwelle zwischen Tod und Leben auf.

Allen Urnenwänden sind Blumenorte mit abnehmbaren Abdeckplatten aus Terrazzobeton vorgelagert, deren unterschiedlich große Aussparungen Blumengebinde in diversen Größen aufnehmen können. Sie sind als Unterflurgräben ausgebildet, so dass sie zentral befüllt und gespült werden können.

Die Raumecken mit ihren farbigen Dallverglasungen sind Orte, die zum Verweilen einladen. Daher sind hier Sitzgelegenheiten aus Beton in der Textur der Urnenwände mit Sitzflächen aus Holz platziert. Sie sind, wie auch die Heiligenkapellen, Orte des Trostes für die Hinterbliebenen.

Der Entwurf bietet ca. 2.500 Urnen Platz. Die Urnenkammern können wahlweise einzeln oder doppelt belegt werden.

Ewige Asche
Die Ewige Asche wird als Tiefbohrung in der Achse von Eingang, Altar und Tabernakel ausgeführt. Die Bohrung wird durch den Kirchenboden ins Erdreich angelegt und mit einem perforierten Rohr versehen, damit „Asche wieder zu Asche“ werden kann. Der Verschluss erfolgt mit einer fünfeckig ausgebildeten künstlerisch gestalteten bodengleichen Bronzeplatte.

Register der Verstorbenen
Das Register der Verstorbenen dient dem Auffinden der Urnenplätze für den Erstbesucher. Es ist daher notwendigerweise im Eingangsbereich zum Kolumbarium positioniert.

Kondolenzlisten
Kondolenzlisten werden im Allgemeinen von den Bestattern mitgebracht und ausgelegt. Ein fest installiertes Pult wird im Eingangsbereich vorgesehen.

Trauerbuch
In der jetzigen Mariennische lädt eine Bank zum Verweilen ein. Ein dort ausgelegtes Trauerbuch gibt den Besuchern die Möglichkeit, ihren Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu verleihen.