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Städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb | 01/2020

Konzeptentwicklung für den Münchner Nordosten

3. Preis

performative architektur

Stadtplanung / Städtebau

UTA Architekten und Stadtplaner BDA

Stadtplanung / Städtebau

~ GRÜNE WELLE, lebendige Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

STADT, LAND, BACH
ERLÄUTERUNGSTEXT ZUM WETTBEWERB NORDOSTEN, MÜNCHEN
Vernetzte Grünräume & resilientes Stadtgerüst Der Entwurf ist geprägt durch ein ökologisch und klimatisch wertvolles Freiraumgerüst. Dieses durchzieht das Gebiet und knüpft an die bestehenden Grünräume innerhalb und außerhalb der Stadt an. Im Herzen dieser vernetzten Grünräume werden Naturräume ausgebildet, die eine hohe Biodiversität aufweisen und sich positiv auf das lokale Klima auswirken. Die klaren Setzungen der Naturbänder sichern langfristige Bereiche vor einer Besiedelung oder einer landwirtschaftlichen Nutzung. Zwischen den Naturbändern entstehen Schollen, auf welchen Siedlungs- und Kulturlandschaften entstehen. Hierdurch entsteht ein robustes Grundgerüst, welches ganz unterschiedliche Entwicklungspfade zulässt. Die gesetzten Naturbereiche bleiben dauerhaft gesichert. Das Maß baulicher Entwicklung sowie eine Diskussion über eine zukünftige EinwohnerInnenzahl kann offen und transparent innerhalb dieses Gerüstes erfolgen. Wesentliche Setzungen des Freiraums, der ÖPNV-Erschließung sowie der Zentrenbildung haben in allen EinwohnerInnenentwicklungsszenarien Gültigkeit.
Urbane Wasserlandschaften Der bestehende Hüllgraben durchzieht das Gebiet in Nord-Süd Richtung und wird für das Thema der urbanen Wasserlandschaft aufgegriffen. Durch eine Verbreiterung des Bachraums in allen Bereichen des Hüllgrabens wird dem Gewässer mehr Raum zur freien Lage und Ausgestaltung seines Bettes zugesprochen. Im nördlichen Bereich entsteht mit dem Badesee eine großzügige Wasserlandschaft mit angrenzender Liegewiese für Badegäste. Der See kann wahlweise über Grundwasser oder über den Hüllgraben gespeist werden. Durch die Renaturierung wird der Hüllgraben zugänglich und erlebbar für die Anwohner und Besucher des Gebiets gestaltet. Neben diesem bestehenden Gewässer, werden weitere vielfältige verästelte Wasserlandschaften in allen Grünfugen geschaffen. Basis hierfür bildet ein umfassendes nachhaltiges Wassermanagement. Sowohl neue Teilquartiere, als auch besehende Siedlungsbereiche sollen mit eigenen semizentralen Abwasseraufbereitungsanlagen ausgestattet werden. Diese reinigen das häusliche Abwasser über Membrananlagen und speisen anschließend damit neue Wasserflächen. Je nach anfallender Menge verbleiben diese neuen Wasserflächen als kleinere Seen, bzw. verbinden sich zu einem Netzwerk aus neuen Bachläufen. Neben dem gereinigten Abwasser werden auch Überschüsse anfallenden Regenwassers den Bachläufen zugeführt. Insgesamt wird durch die Speisung mit gereinigten Abwasser ein ganzjährig gleichmäßiger und stabilisierter Wasserhaushalt in den vernetzten Naturräumen angestrebt. Hierdurch wird eine hohe Biodiversität in den ökologischen „Fingern“ gefördert.
Natur- und Kulturlandschaft Die bestehenden und neuen Siedlungsbereiche werden mit einem „grünen Saum“ ummantelt. Diese neue Kulturlandschaft wird aktiv aus den jeweils angrenzenden Siedlungen bespielt und benutzt. Hier finden sich alle gemeinschaftlichen freiräumlichen Nutzungen der BewohnerInnen wieder. Der Saum soll als intensiv genutzte Kulturlandschaft mit neuen Mikrolandwirtschaften in unterschiedlichen Betreibermodellen, Kleigartenanlagen, Flächen für urbanes Gärtnern, Spielplätzen, Sportanlagen und dem neuen Friedhof ausgestattet werden. Der Saum grenzt sich zu neben gelagerten ökologischen Naturräumen durch einen moderaten Höhenverssprung von einem halben Meter ab. Auch führt ein öffentlicher Wander- und Radweg entlang der Kante des Saums. Die Pferdewelt im Osten des Gebietes wird erhalten und zu einer neuen und attraktiven Kulturlandschaft ausgebaut. Die durch Aufschüttung aus dem Aushub unterirdisch vorgesehener technischer Infrastrukturen (U-Bahn- und Tram-Depot, Abfallzentrum) neu entstandene Topografie erlaubt einen Panoramablick über die angrenzende Pferdewelt und neuen Siedlungen, die Innenstadt sowie bei Föhn bis in die bayerischen Alpen.
Neue zentrale Orte Der Entwurf sieht die Entwicklung mehrerer zentraler Orte vor. Diese neuen Sub-Zentren orientieren sich an bestehenden und neuen öffentlichen Infrastrukturen sowie Erreichbarkeiten aus den umliegenden Quartieren. Entlang der bestehenden S-Bahn- Trasse entstehen an den vorhandenen Haltestellen neue Sub-Zentren mit einem höheren Anteil an Nicht-Wohn-Nutzungen und Angebote zur Deckung täglicher Bedarfe. Die vorgesehenen Nutzungen der Zentren orientieren sich an dem unmittelbaren Bedarf der jeweiligen Nachbarschaften. Die Zentren sollen ausdrücklich auch für die bestehenden Siedlungsbereiche ein ergänzendes und bereicherndes Angebot einer Nahversorgung und Arbeitsstätte bieten. Ziel dabei ist es lokale Strukturen aufzubauen und bestehende Strukturen zu festigen. So sollen lokal produzierte Lebensmittel in eigenen Geschäften der Zentren gehandelt werden. Gleichzeitig bieten insbesondere die Erdgeschosszonen lokale Bereiche für Homeoffice, Mikrobüros, Ladenzonen und Start-Ups. Als Leitbild dieser Entwicklung wird die ehemalige Handwerkerstadt mit ihren kleinteiligen produktiven Einheiten in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnen, welches auf die zukünftigen neuen Arbeitswelten übertragen wird, definiert.
ÖPNV Netzwerken Das neue Gebiet sowie die bestehenden Siedlungsräume sollen zu autoarmen Stadtgebieten entwickelt werden. Hierzu wird ein umfassendes ÖPNV Angebot geschaffen, welches auch die bestehenden, bisher abgekoppelten Gebiete einschließt. Durch die bestehende S-Bahn Trasse im Westen des Gebietes kann das Mobilitätsangebot flächendeckend ausgebaut werden. Die S-Bahn Haltestellen werden zu übergeordneten Mobilitäts-Hub‘s entwickelt und bieten ein breites Angebot unterschiedlicher Mobilitätsformen (z.b. Radverleih, E-Car-Sharing, etc.). Die Haltestelle Englschalking fungiert hierbei als Knotenpunkt zur neu entstehenden U-Bahn Trasse, welche sich von Westen in Richtung Südosten durch das Gebiet erstreckt. Im weiteren Verlauf der SBahn Trasse in Richtung Norden stellt die Haltestelle Johanneskirchen eine Anbindung zur neu geplanten Trambahnlinie dar. Großes Potential bietet die geplante Trambahntrasse, welche sich von Nordwesten in Richtung Süden durch das gesamte Gebiet erstreckt. Die Trambahntrasse verbindet die neu geplanten Sub-Zentren mit beispielsweiße der Zahnbrechersiedlung im Norden und dem historischen Daglfingen im Süden des Gebietes. Mittelpunkt des neuen Mobilitätsangebotes stellt der Knotenpunkt zwischen der Trambahnlinie und der U-Bahntrasse „Neue Mitte“ dar. Hier entsteht das Stadtteilzentrum mit einer optimalen Anbindung von und zur Innenstadt Münchens. Rad- und
Fußwegenetz Das räumliche Gerüst führt bestehende Wegeverbindungen fort und verknüpft engmaschig neue Siedlungsbereiche mit dem Bestand im Plangebiet und in der Umgebung. Im Mittelpunkt hierbei steht eine gute Erreichbarkeit aller Orte mit dem Rad und zu Fuß. Dieses dichte Wegenetz verknüpft sich zudem synergetisch mit dem vorgeschlagenen ÖPNV System sowie die damit vorgeschlagenen Hub’s. Die Querverbindungen in Richtung Westen und Süden sollen den Anschluss zur Innenstadt Münchens ausbauen und den Bezug zur umgebenen Bebauung wahren. Mehrere Radschnellwege durchziehen das Gebiet in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung (dicke Markierung). Die bestehenden Straßen - Glücksburger Str. und Savitsstr. werden zu überörtlichen Radschnellwegen ausgebaut. Die bestehenden historischen Ortskerne Johanneskirchen und Daglfing erhalten hierdurch eine neue ökologische und emissionsfreie Erschließung.
Individualverkehr / E-Mobilität Der Entwurf verfolgt das Ziel eine MIV reduzierten Mobilität. Hierfür wird ein breites ÖPNV und Fahrradangebot geschaffen (vgl. vorangegangene Erläuterungen). Gleichwohl soll der Ort Raum für Produktion und Innovation bieten. Handwerksbetriebe und Mikroproduktion soll durch ein fein vermaschtes Straßennetz eine direkte und zügige Anbindung an Kunden erhalten. Aus diesem Grund ist ein Großteil der Straßen in den neuen Gebieten auch durch ansässige Unternehmen und Bewohner befahrbar. Es wird ein mäandrierendes Netz mit geschwindigkeitsreduzierten Knoten aufgebaut. Hierdurch werden alle Teilquartiere eng miteinander vernetzt, gleichzeitig wird ein Durchgangsverkehr (z.B. Nord-Süd-Richtung durch Geschwindgkeitsdrosselung und Teilsperrungen verhindert. An den Haltestellen des ÖPNV (Trambahn, U-Bahn und S-Bahn) werden Mobilitätshubs mit Quartiersgaragen, Car- Sharing und E-Ladestationen errichtet. Hierdurch wird der Umstieg auf eine nachhaltige Mobilität und eine Intermodalität befördert.
Eine neue Mitte Nördlich und westlich des historischen Dorfkerns von Daglfing entsteht eine „neue Mitte“ mit Funktionen eines Stadtteilzentrums. Baulich schließen die neuen Bebauungen behutsam an die bestehenden Strukturen an. Insbesondere werden bestehende Straßen fortgeführt und die vorhandenen Gebäudehöhen in den Anschlusspunkten übernommen. Grünflächen schaffen Ausgleichsflächen zwischen alt und neu. Strukturell wird das historische Straßendorf mit seinen engen, teilweise grundgebundenen Baukörpern, seiner Nutzungsmischung (Arbeiten und Wohnen) sowie seiner Bedeutung in der lokalen Lebensmittelproduktion als Leitbild gewählt. Gleichzeitig soll ein gewisses Maß an Urbanität und Dichte den Neumünchner*innen ein breites lokales Angebot bieten. Innerhalb der städtebaulichen Grundfigur können ganz unterschiedliche Typologien umgesetzt werden. Offene Strukturen sorgen für eine ausreichende Belüftung und Belichtung. Neue, energieeffiziente Gebäude bilden Pufferzonen aus und bieten Raum für eigene lokale Lebensmittelproduktion für „Selbstversorger*innen“. Die Freiräume sind mit Obstbäumen und Beerensträuchern nach dem Prinzip der „Essbaren Stadt“ bepflanzt. Mehrere dezentrale Teiche und Seen verbessern das Mikroklima durch Verdunstung. Gespeist werden diese urbanen Gewässer aus gereinigtem Abwasser (Grauwasser). Gleichzeitig können die vorgeschlagenen Freiräume in ausgewiesenen Teilbereichen mit zukünftigen Starkregenereignissen kontrolliert geflutet werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Qualität der konzeptionellen Leitidee(n) mit einer klaren Haltung zum Ort
- Der Ort ist im Moment von seiner landschaftlichen Qualität geprägt. Die Verfasser greifen dies als Grundthema im Vergleich zu den meisten anderen Arbeiten sehr gut auf und entwickeln daraus ihre klare Haltung zum Ort.
- Im Vergleich zu den anderen Arbeiten schafft diese Arbeit ein Landschaftsnetz als stabiles Gerüst und Ausgangspunkt der Stadtentwicklung und definiert so die Bereiche für die bauliche Entwicklung.
- Die Arbeit hebt sich mit ihrer vorgeschlagenen Topographie und der daraus abgeleiteten Gliederung qualitativ deutlich von den anderen Arbeiten ab.
Qualität des Städtebaus
- Die besondere Qualität des städtebaulichen Ansatzes besteht darin, dass die jeweilige Siedlungserweiterung mit ihrer neuen Mitte an das bestehende Zentrum anknüpft, dieses Potential nutzt und so zu einem neuen Siedlungskörper verschmilzt.
- Die neuen Siedlungseinheiten formen erkennbare lebendige Quartiere mit Mischnutzung und eigenen Identitäten, bei denen die Arbeit es schafft, den Bestand qualitativ hochwertig einzubeziehen.
- Der maßstäblich angemessene Übergang durch Aufnahme der Gebäudehöhen der Bestandsbauten stellt eine besondere Qualität des Städtebaus dar. Zur Mitte der neuen Siedlung bzw. an den wichtigen Straßenachsen nehmen die Gebäudehöhen zu.
- Bei der Setzung der Zentren und zentralen Bereiche konkurrieren die Flächen an der S8 -Trasse mit den neuen Zentren an der Landschaft. Dieses Nebeneinander funktioniert so aus Sicht des Preisgerichts nicht und ist daher nicht schlüssig.
Qualität der Grün- und Freiraumplanung
- Die Idee der Wasserlandschaft, die neue Bachläufe und Wasserflächen aufnimmt, die gespeist werden aus gereinigten Abwässern und Regenwasser, das in neuen wie alten Siedlungen anfällt, ist interessant.
- Es wird kritisch hinterfragt, ob das vorgesehene Wassermanagement umsetzbar ist. Aus Sicht des Preisgerichts ist dies nicht hinreichend schlüssig.
- Der schlüssig jeweils am Siedlungsrand gelegen Grüne Saum nimmt verschiedene Freiraumnutzungen auf, wie Friedhöfe, Spiel- und Sportplätze und Landwirtschaft.
- Das Wegenetz in dem Freiraumsystem ist kleinteilig vernetzt und verbindet die wesentlichen Orte auf gelungen Art.
- Bei den naturschutzfachlichen Flächen gibt es Konflikte durch den Friedhof nördlich der Zahnbrechersiedlung und den Badesee.
Qualität der Erschließung und verkehrlichen Lösung
- Die Erschließung ist als schlüssiges Netz angelegt.
- Alle neuen und alten Siedlungsteile werden entlang der neuen Nord-Süd verlaufenden Trambahn erschlossen.
- Die vorgeschlagene Erschließungsstruktur durchschneidet auffällig negativ die Grünzüge.
- Die Erschließung nach außen in die angrenzenden Quartiere ist gegeben -
nach Süden zum Schatzbogen und nach Osten nach Dornach.
Schleichverkehr durch bestehende Quartiere wird so aller Voraussicht nach vermieden.
- Es wird ein gut durchdachtes Radwegenetz mit Haupt/Schnellwegen sowohl im Siedlungs- als auch Landschaftsbereich vorgeschlagen. Innerhalb der Siedlungen gibt es eine schlüssig anknüpfende Feinerschließung über Nebenradwege.
- Der See ist sowohl gut über ein Radwegesystem erschlossen als auch per Tram erreichbar.
Programmerfüllung (Nutzungen, Nutzungsdichten, Entwicklungsabschnitte etc.)
- Das dezentrale Prinzip des Konzeptes ist sinnfällig auf die Funktionsverteilung übertragen, in allen Quartieren werden gemischte Nutzungskonzepte verfolgt. Ziel ist es auch Wohnen und Arbeiten zu mischen.
- Auch die gemeinschaftlichen Einrichtungen, wie Schulen und Kitas sind auf die verschiedenen Quartiere verteilt, so dass sich bei allen Funktionsbereichen maßstäbliche Einheiten bilden.
- Durch die Ergänzung der bestehenden Ortsteile durch neue Zentren werden auch bisher bestehende Defizite ausgeglichen, die bestehenden Ortsteile können davon profitieren.