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Einladungswettbewerb | 01/2020

Neubau Gemeindehaus der kath. Kirchengemeinde St. Kilian in Massenbachhausen

ein 3. Preis

Preisgeld: 3.000 EUR

Architektur 109 Mark Arnold + Arne Fentzloff

Architektur

Erläuterungstext

Die Leitidee
In Anlehnung an die ehemalige Bebauung Ecke Schulstraße / Heilbronner Straße, den Zugang zum historischen Ortskern mit neuer Torsituation städtebaulich stärken und durch die Neuorganisation der Erschließung eine zentrale Zugangssituation zwischen Kirche St. Kilian und Gemeindehaus mit gemeinschaftlichem Aufenthaltsbereich herstellen.

Ein Blick in die Zukunft
Festgottesdienst. Ein warmer, sonniger Spätsommer-Nachmittag. Die Kirchengemeinde und das Projektteam "Kirche am Ort", haben ihr lang ersehntes Ziel erreicht: die Fertigstellung des Gemeindehauses. So verwundert es Pfarrer Schenk-Ziegler nicht, dass St. Kilian heute im Mittelpunkt steht: die Freude und der Andrang zum Gottesdienst und zur Besichtigung des Neubaus ist groß. Zu früheren Jahren tätigte Olga mit Akribie ihr Kirchenpflegeamt. Schon Tage zuvor bereitete Kirchenpflegerin Frau Gellrich die Einweihung vor, lief kreuz und quer bis alles blitzblank, der Blumenschmuck an der richtigen Stelle stand und alles vorbereitet war. Sie atmet erleichtert durch, mit ihrem silbergrau-grünen Teewagen, verkehrt sie pfeilschnell und barrierefrei zwischen Kirche und Gemeindehaus. Das vereinfacht die Arbeit. Sie ist überzeugt: Es war eine gute Entscheidung das Gemeindehaus entlang der Schulstraße und den Gemeindesaal auf den erweiterten Kirchplatz zu setzen. Der neue zentrale Mittelpunkt ermöglicht ungeahnte Aktivitäten für eine lebendige Gemeinde und die neue Nähe zur Kirche motiviert.

Frau Hirns Augen leuchten, wurde doch die äußere Erschließung - ein Konzept aus den 80er-Jahren - in Verlängerung der Gebäudeachse nach Süden gesetzt. So entsteht eine Abfolge von Zugängen zum Pfarramt, Gemeindesaal und erweiterten Kirchenplatz und zur Kirche. Der Blick zum gegenüberliegenden Rathaus bleibt weiterhin freigestellt und das Wegkreuz wurde an der Zugangsrampe in die Gesamtanlage eingebunden. Die nächsten Kommunikanten werden im südlichen Grünbereich eine terrassierte Gartenanlage gestalten. Ein kleiner Bauerngarten schwebt ihnen dabei vor.

Die Ministranten haben sich freiwillig gemeldet. Sie übernehmen heute die Ausrichtung des Kirchencafés und die Festbewirtung. Lara und Franziska decken die runden Stehtische im Freibereich zwischen der Kirche und dem Gemeindehaus, während Alfons und Felix den Kaffee aufbrühen, Hefezopf schneiden und Muffins auftürmen. Die gesamte Jury ist eingeladen und sogar aktiv. Im Schatten der Bäume hilft Herr Morast beim Fassanstich. Daneben steht der Grill. Herr Gassmann hat schon die Grillschürze umgehängt und Herr Schwieren schneidet die roten Würste ein. Sie sind sich einig: eine gute Entscheidung. Prost. Das Gemeindehaus, in konventionellem Dämmziegel erstellt, mit grobkörnigem Wurfputz in Klinkerfarbe der Kirche überzogen und mit naturfarbenen Holzfenster bespielt, hat trotz Eigenständigkeit eine Ensemblewirkung. Im Inneren harmoniert der helle Kalkputz gut mit den Holzdielen und dem weißbeigegesprenkelten Terrazzo auf den Verkehrsflächen.

Greta G. steht im Saal, gerade fertig mit der Bestuhlung. Da kommt Agathe Kristien und zündet an der Wandnische eine Kerze an. Gewidmet für Bruder Firminus, zu dessen Gedenken hier eine Büste angemessen verortet ist. Vom gegenüberliegenden Gruppenraum erklingen die Posaunen. Letzte Probe. Jericho wäre nicht in Gefahr. Das alles stört eine Etage darunter, im abgetrennten Pfarramt, nicht. Gleichwohl liegen die Nerven blank. Mit erhöhtem Blutdruck sitzt Frau Birkenstock am Telefon und sucht sofortigen Ersatz für den erkrankten Organisten.

Karl-Heinz und Olga sind sehr angetan und glücklich. Endlich konnten sie als Messebesucher gemeinsam ohne große Hindernisse von der Kirche, wo sie vor 48 Jahren ihre Hochzeit feierten, zum neuen Gemeindehaus gehen. Lange war ihnen die Leichtigkeit verwehrt. Olga sitzt seit längerem im Rollstuhl und ist seitdem auf fremde Hilfe angewiesen. Nun geht es ohne Mühen über den neuen Platz direkt in den Gemeindesaal. Hier gönnt sich Olga beim Erfahrungsaustausch mit Frau Gellrich statt Kaffee ein frisch gezapftes Bier. Sie muss ja nicht fahren. Sie wird geschoben.

Etwas später folgt die Festrede im Saal. Das Architektenteam sitzt zwischen all den Gästen. Verstohlen blickt die Projektleiterin zu Bruder Firminus' Nische und hofft im Stillen: "Lass bitte keine versteckte Mängel auftreten". Er zwinkert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch einen zurückhaltenden in seinem Erscheinungsbild bescheidenen Baukörper aus. Im Hinblick auf die zu erfüllende Funktion als Gemeindehaus könnte der Baukörper im Verhältnis zu Kirche und der städtebaulichen Situation in seinem Erscheinungsbild prägnanter auftreten. Anhand der jetzigen Formensprache kann der Eindruck eines Wohnprojekts entstehen.
Die an der Mauer liegende neue Treppenanlage zum Kirchplatz erscheint im Verhältnis zum Baukörper sehr dominant im öffentlichen Raum hierdurch entsteht ein Missverhältnis. Die funktionale aber prägnante Anordnung der Fahrradstellplätze unter der Treppe lenkt den Blick ebenfalls zu sehr auf diese und die Mauer.
Die beiden Eingangsmöglichkeiten zum einen vom Kirchplatz zum Gemeindesaal als auch vom unteren Platzbereich zum Pfarrbüro sind positiv zu werten. Es fehlt jedoch eine im Gebäude liegende barrierefreie Erschließung durch einen Aufzug.
Die Anordnung der WC-Anlage im hinteren Bereich des EG bzw. des behinderten WCs im OG hat zur Folge, das bei Veranstaltungen, die einen Zugang hierzu erfordern immer das gesamte Gemeindehaus geöffnet sein muss. Die räumliche Trennung des Pfarrbüros mit seinen zugeordneten Räumen ist jedoch möglich.
Die Erweiterung des Kirchplatzes durch den neu geschaffenen Treppenaufgang und den Anschluss an den Gemeindesaal ermöglicht eine Öffnung bei Veranstaltungen und einen durchlässigen Raum von Innen nach Außen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass es sich um die Wetterseite handelt und aus Erfahrung hier häufig mit Wind zu rechnen ist. Die nicht ausreichende Darstellung der Gestaltung der unteren Platz- und/oder Grünflächen lässt zahlreiche Fragen offen und der Entwurf wirkt unfertig. Es ist wünschenswert, dass hier ein Bezug zur neuen „Grünen Ortsmitte“ im Umfeld von Mehrzweckhalle und Rathaus gefunden wird. Die Platzräume und Grünflächen sind klar in diesem Zusammenhang zu definieren.
Eine wirtschaftliche Umsetzung des Entwurfs erscheint realisierbar.
Die Arbeit ist ein wertvoller Beitrag zum Wettbewerb und zeigt die Möglichkeiten einer zurückhaltenden Ergänzung des Ensembles auf. Es gibt jedoch sowohl im Grundriss als auch insbesondere in den Außenräumen weiteren Vertiefungs- bzw. Ergänzungsbedarf.