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Nichtoffener Realisierungswettbewerb | 02/2020

„tempus futurum“ – Stadtmuseum Neustadt in Sachsen

1. Preis

Preisgeld: 18.630 EUR

motorplan Architekten BDA

Architektur

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

Weiterbauen: Baugeschichte als Erzählung
Während die räumlichen und funktionalen Anforderungen eines Museumsneubaus für einen Abbruch des Gebäudes Markt 23 und einen kompletten Neubau sprechen, spricht der städtebauliche und stadtgeschichtliche Kontext für einen weitgehenden Erhalt des Gebäudes und der überlieferten baulichen Strukturen.
Die städtebauliche und architektonische Antwort daher ist ein hybrides Vorgehen: Die stadtbildprägenden Kubaturen werden erhalten in der Tiefe des Blockes mit neuen Mitteln fortgeschrieben; die bauliche Substanz wird dabei an den straßenseitigen Fassaden erhalten, im Inneren und im Dachbereich jedoch ein Neubau vorgesehen, der die bestehenden Kubaturen nutzt und behutsam ergänzt. Zur Marktseite wird die Gesamtkubatur erhalten (Erdgeschoss und 1. Obergeschoss) bzw. zitiert (Dachgeschosse). Zur langen Gasse wird der bestehende Seitenflügel verlängert und um zwei Riegel entsprechend den alten Baufluchten auf den Grundstücken, jedoch mit zeitgenössischen, asymmetrischen Satteldächern, ergänzt, sodass die Gesamtfigur eines geschlossenen Blockes mit rückseitiger offener Ecke entsteht. Höhe und Dichte der Bebauung nehmen entsprechend der ortstypischen Struktur vom Markt zur Tiefe des Blockes ab. So entsteht ein Ensemble, dass die historische Struktur ergänzt und reflektiert und gleichzeitig eine prägnante, identitätsstiftende Form bildet.

Materialität: zwischen Tradition und Moderne
Im Sinne einer baulich-erzählerischen Auseinandersetzung mit dem Bestand spielt die Materialität eine wesentliche Rolle. Diese enthält nicht nur Aussagen über die jeweilige Entstehungszeit, sondern reflektiert darüber hinaus die Vorgängerbauten und die Geschichte des Ortes. Die prägenden Bestandsfassaden werden in ihrer Materialität erhalten. Die neu ergänzten Mauerwerkswände erhalten hingegen eine ziegelsichtige Fassade aus den anfallenden Abbruchziegeln. Im Sinne des Ensembles werden beide Materialitäten durch einen hellen Anstrich zu einer Einheit zusammengefügt. Dem Dach kommt aufgrund seiner räumlichen Dominanz eine besondere Bedeutung zu. Die gewählte Deckung mit bronzefarbenen Schindeln bildet einerseits formale und farbliche Bezüge zum historischen Biberschwanzdach, der metallische im Sonnenschein goldene Glanz erinnert an die Goldgewinnung als Initialzündung für die Gründung der Stadt.

Raumqualitäten: Ausstellungsräume jenseits des „White Cube“
Die Museumskonzeption ist nicht auf die weit verbreiteten neutralen Kabinette mit kontrolliertem Licht und Klima angewiesen, sondern versteht sich als erzählerisches Mitmachmuseum. Dies profitiert von einprägsamen, abwechslungsreichen Räumen mit attraktiver Lichtführung und Außenbezügen. Aus der Raumfolge wird die Erzählung im Raum. Auf den abgetreppten Körpern von Archiv und Depot entsteht unter den gefalteten Dächern mit Shedbelichtung eine Raumkaskade, die das gestapelte Museumskonzept durch die diagonale Bewegung im Raum ergänzt. So entsteht einerseits ein maximiertes Raumerlebnis für den Museumsbesucher, andererseits wird die optimale Anbindung des Archiv- und Depotbereichs gleichzeitig an die Bauverwaltung im 1. Obergeschoss des Altbaus Markt 24 und die Museumsflächen möglich.

Zugang: Arkade und Stadtfoyer
Die Bestandsfassade Markt 24 wird in ihrer Struktur überwiegend erhalten, zur Marktseite werden die Fenster zu einer Arkade, die auch die barrierefreie Erschließung aufnimmt und erweitert. Der Hauptzugang wird in der Proportion ähnlich dem früheren Eingangstor gestaltet, liegt nun jedoch an der Schnittstelle der beiden Gebäude und betont so den Zusammenhang des Ensembles. Das Erdgeschoss Markt 24 wird als offener Raum und Stadtfoyer gestaltet, hier finden sich Entree, Touristinformation, Wartebereich und Bürgerbüro. Das Museumsfoyer, das gleichzeitig als Foyer für den Konferenzbereich und die Museumspädagogik dient, befindet sich im Innenhof und bildet, zentral im Ensemble gelegen, Anfangs- und Endpunkt des Museumsrundganges.

Erzählstruktur: Der Weg ist das Ziel
Ziel der Architektur ist die konsequente Umsetzung der Erzählstruktur der Museumskonzeption. Fließende Räume, Durchblicke, Überblicke und Raumverknüpfungen unterstützen das Museumserlebnis und schaffen einen einzigartigen, ganz spezifischen Innenraum.
Schon der Aufzug bietet durch die Fassade über den Innenhof Einblicke in die unterschiedlichen Ebenen des Museums. Der „Ausblick“ bietet Blicke zunächst nach Süden, dann nach Norden zum Marktplatz über die als Panoramafenster nachempfundene Hechtgaube. Der offene Dachstuhl mit den drei Gaubenreihen bietet ein unerwartetes Raumerlebnis.
Optional kann die Sonderausstellung besucht werden, bevor der Bereich „Soziales“ beginnt. Der Dachraum verengt sich und bietet sowohl Konzentration auf die Ausstellung in Raummitte als auch gezielte Blicke nach Osten und Westen. Am Ende des Ausstellungsraumes weitet sich der Raum und erlaubt den Blick über die „Landschaft“, die sich unter dem großzügigen Sheddach ausbreitet.
Nach einem ersten Überblick erreicht der Besucher den Bereich „Landschaft“ über die Treppenkaskade. Nach dem schmalen Raum der Treppe wird der Raum über Eck aus einer neuen Perspektive erlebbar, die Boulderwand erlaubt es, die Etagen auf unkonventionelle Art zu überwinden. Einzelne, präzise gesetzte Fensteröffnungen ermöglichen die Verortung des Besuchers im Stadtgefüge. Die Ausstellungskaskade findet ihren Abschluss im Bereich „Industrie“ im Erdgeschoss. Der hallenartige Charakter ermöglicht die Aufstellung großformatiger Ausstellungsgegenstände, die aus dem Bereich „Landschaft“ auch von der Galerie aus erlebbar sind.
Der Rundgang findet sein Ende im zentralen Museumsfoyer. Museumsshop und Blick in den gärtnerisch gestalteten Innenhof mit Sitz- und Spielmöglichkeiten.

Verwaltung und Archiv: Bürgernähe und Funktionalität
Ähnlich der derzeitigen Nutzung werden die publikumsintensiven Nutzungen im Erdgeschoss des Gebäudes Marktplatz 23 angeordnet, in direkter Verbindung zum Stadtfoyer. Das Standesamt liegt direkt am Innenhof. Die Bauverwaltung verbleibt im 1.Obergeschoss und erhält eine direkte Anbindung an die neuen Räumlichkeiten des Archivs. Die Räume des Archivars und Rechercheraum bilden die Schnittstelle zwischen den Funktionen. Die Räume des Depots im Erdgeschoss und Untergeschoss sind über einen Aufzug direkt an das Archiv im 1.Obergeschoss angebunden. Großzügige, rechteckige Raumzuschnitte bieten optimale Voraussetzung für die Bestückung mit Rollregalen.

Wohnen: Isolation und Integration
Das Wohngebäude wird als eingeschossiger Satteldachbau südlich des Museums und der langen Gasse platziert. Hier fügt sich der einfache Baukörper in die kleinteilige Struktur ein und ermöglicht eine barrierefreie Wohnnutzung ohne Aufzug und komplett unabhängig vom Neubau und vom Museumsbetrieb. Der Wohnungsbau kann als vorgezogener Bauabschnitt realisiert werden, um Provisorien zu vermeiden.

Nachhaltigkeit: Recycling, Langlebigkeit und reduzierte Technik
Wo möglich werden die bestehenden Außenwände weiter genutzt, im Sinne der Minimierung der notwendigen grauen Energie. Für die neuen Fassaden werden die Abbruchziegel wieder verwendet. Das Metalldach stellt eine sehr langlebige und wartungsarme Oberfläche dar.
Im Gegensatz zu den meisten Museen sind Klimaschwankungen vertretbar, sodass die notwendige Technik auf das notwendige Minimum reduziert werden kann. Die Grundtemperierung wird über eine thermische Bauteilaktivierung mit reversibler Wärmepumpe unter Nutzung von Geothermie sichergestellt. Die geothermischen Bedingungen sind im Bereich Neustadt günstig. Über die Kühlung des Gebäudes im Sommer kann zudem ein Energiepuffer im Erdreich für die Nutzung im Winter geschaffen werden. Kurzfristige Lastspitzen werden über die Lüftungsanlage abgefangen.
Die Sheddächer sorgen für eine effiziente Beleuchtung und reduzieren so den elektrischen Energieverbrauch. Eine Low-E-Beschichtung der Gläser beugt Überhitzung vor. In Verbindung mit der Speichermasse der massiven Bauteile wird die Nachtauskühlung als natürliche Wärmesenke genutzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser erreicht durch die geschickte Integration der notwendigen Depots und Archive verteilt auf die einzelnen Geschosse eine gut nutzbare Museumslandschaft unter dem Dach. Große Teile davon sind von oben natürlich belichtet und erstrecken sich über 2 Geschosse.
Das Raumprogramm wird in einem sehr kompakten und städtebaulich einfühlsamen Ensemble untergebracht.
Der Markt 24 wird nahezu erhalten, mit der Bestandssubstanz wird behutsam umgegangen. Der Niveauversprung wird über eine eingerückte Kolonnade mit einer Rampe behindertengerecht überwunden. Die historischen Kellergewölbe können dadurch weitgehend erhalten werden. Die prägenden Gestaltungselemente wie Dachform und Gaupen sowie die Gliederung der Fassade werden entweder erhalten (Bahnhofstraße) oder zumindest neu interpretiert. Die Wiederherstellung des Walmmotivs des Vorvorgängerbaus wird positiv beurteilt, ebenso die Reaktivierung der übereinander gestaffelten Hechtgaupen.
Der zentrale Haupteingang mit dem großzügigen Wartebereich ist gleichermaßen für die Besucher des Museums, als auch für die interne Verwaltung entworfen. Das Bürgerbüro ist an diesen Bereich direkt angelagert. Durch die mögliche Abtrennbarkeit der einzelnen Nutzungsbereiche lassen sich unterschiedliche Öffnungszeiten problemlos sicherstellen. Der Zugang in den Museumsbereich erhält natürliches Tageslicht über den Innenhof.
Grundsätzlich wird die räumliche Nähe von Ausstellungsflächen und Depots begrüßt. Damit werden kurze Wege zwischen den Bereichen gewährleistet und wechselte Ausstellungen ermöglicht. Der Museumsrundgang innerhalb der einzelnen Ausstellungsbereiche ist spannungsvoll und abwechslungsreich gestaltet. Innerhalb der Verwaltungsstruktur sind räumliche Zuordnungen und Anpassungen notwendig. Die Interaktion der Themenetagen kann sehr gut umgesetzt werden.
Die Entwurfsidee für die Verwendung von kleinteiligen, bronzefarbenen Schindeln als Dachdeckung und die eigenwillige Ausgestaltung des Eingangs werden als Alleinstellungsmerkmal erkannt und lebhaft diskutiert.
Die konventionelle Bauweise und der weitgehende Erhalt des Denkmals Markt 24 wirkt sich vorteilhaft auf die Herstellungs- als auch auf die zu erwartenden Bewirtschaftungskosten aus.
Modell - modellwerk weimar

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