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Nichtoffener Realisierungswettbewerb | 02/2020

„tempus futurum“ – Stadtmuseum Neustadt in Sachsen

ein 3. Preis

Preisgeld: 5.820 EUR

anderswo.studio

Architektur

Erläuterungstext

TRADITION UND MODERNE IM DIALOG
Ziel des Entwurfs für das neue Stadtmuseum ist es, eine städtebauliche
Schlüsselposition im Zentrum von Neustadt mit einem hochfunktionalen
Bauwerk zu besetzen, den Ort und seine Geschichte zu würdigen, Synergien der
städtischen Institutionen sinnvoll zu bündeln und ästhetisch, wertvolle Räume im
Innen- wie im Außenraum zu schaffen.
Das neue Stadtmuseum, welches aus der Malzgasse an einem neuen Standort
verortet werden soll, bezieht das stadtbildprägende ehem. Gasthaus „Hotel
Stern“. Dabei übernimmt das historisch erhaltene, steile Satteldach sowohl zur
Bahnhofsstraße als Stadtachse als auch zum Platz -gegenüber dem Rathauseine
herausragende Position ein. Der reaktivierte Baustein Markt 23 wird mit
neuem Leben gefüllt, soll gleichzeitig auf Vergangenes hinweisen und aktiv die
Zukunft Neustadts mitgestalten - tempus futurum.

STÄDTEBAU
Der Neubau vervollständigt eine brachliegende Fläche, ordnet den Baubestand
neu und fügt sich präzise in die lokale Maßstäblichkeit des Areals ein. Der
Entwurf integriert den denkmalgeschützten Bestand am Markt 24, erhält die
historische Fassade am Markt 23 und arrondiert das Quartier städtebaulich zu
einem neuen multifunktionalen vertrauten Stadtbaustein. Ein Zusammenspiel
von Trauf- und Giebelseiten und alternierender Dachvolumetrie vermittelt zu
angrenzenden Häusern.

POROSITÄT
Nicht nur das neue Museum profitiert von der Reaktivierung und Erweiterung
des Kulturdenkmals, auch Touristeninformation, Stadtverwaltung und
Standesamt bekommen einen neuen repräsentativen Standort mit einem
belebten Entree als Anlaufstelle mit zentralen Innenhof.
Der neue Eingangsbereich soll als Vermittler zwischen der Innenstadt und den
städtischen Einrichtungen wahrgenommen werden.
Der heutige Zugang über den Innenhof in die Stadtverwaltung soll auch
weiterhin für Mitarbeiter und Besucher über die Lange Gasse erhalten bleiben.
Eine Gebäudefuge, genau zwischen Altbau und neuem Bauteil gesetzt, markiert
den Hofeingang. Der museumspädagogische Bereich ist sowohl hof- wie auch
strassenseitig, über die Bahnhofstrasse, erreichbar.

ADRESSE
Eine klare Gliederung der Bestandsfassade -bei Beibehaltung seiner
Stilelemente- soll auf die neue Nutzung des ehem. Hotels aufmerksam machen.
Der neue Zugang Markt 23 & 24 wird durch einen Sandsteinportal, der sich aus
dem Sandsteinsockel in die Höhe entwickelt, markiert. Als Ornament schmückt
der Stern die neue Sandsteinfasche am Eingang und zeugt von vergangenen
Zeiten. Die pyramidal angeordneten Hechtgauben weichen einer
neuinterpretierten Dach-bestimmenden Gaube. Die großflächige Verglasung des
neuen Stadtfensters, steht im Kontrast zu den umliegenden Bestandsfassaden,
gleichzeitig strahlt das weithin geöffnete Dach eine neue einladende Offenheit
aus.
NUTZUNGSVERTEILUNG
Übers Entree werden erdgeschossig die Touristeninformation, der
Museumspädagogischer Bereich und das Standesamt erschlossen. Der
Hofzugang über die Lange Gasse führt die Besucher zum Bürgerbüro und
Konferenzbereich. Über diese Schnittstellen werden separate Nebeneingänge
geschaffen, welche die Zirkulation zu den weiteren Nutzungen, sowohl für
Besucher als auch für das Personal regulieren. Im ersten Obergeschoss
gruppieren sich von Markt 24 beginnend, auf einer barrierefreien Ebene, alle
Abteilungen der städtischen Verwaltung inklusive sämtlicher Nebenräume. Über
dieselbe Ebene erreichen die Mitarbeiter das neue Bauarchiv und haben Zugang
zur Pausenterrasse.

MATERIALITÄT
Durch die Neuinterpretation bestehender architektonischer Motive gelingt es
dem Entwurf eine Einheit von Alt und Neu zu schaffen.
Die gefaltete Dachlandschaft des Anbaus, hergeleitet aus der Satteldach-
Komposition des Altbaus, geht materialtreu in vertikale Aussenwände über.
Diese sollen überwiegend aus einschaligem Dämmbeton bestehen, welcher im
Fensterbereich tiefe Laibungen zur Blickeinrahmung erzeugt und gleichzeitig
zeitgemäße Energiestandards einhält. Die charakteristische Farbe der
Sandsteinfassadenelemente des Altbaus wird vom Neubau durch Sandstein als
Zuschlagstoff im Beton wieder aufgenommen. Die gelbrot changierende
Betonfassade lehnt sich in ihrer Textur und Farbgebung an bestehende
Putzfassaden. Die profilierten Begleitflächen im Fensterbereich des Neubaus
stellen eine zeitgenössische Interpretation der dekorativ im Laibungs- und
Faschenbereich gestalteten Bestandsfenster dar.
Das vorgeschlagene Material soll unserer Intention nach eine direkte Verbindung
zwischen Alt und Neu herstellen und dem gesamten Ensemble zu einer neuen
Identität verhelfen.

FREIRAUM
Der große Innenhof bildet die Mitte den neuen Hauses. Dieser ist jederzeit über
das poröse Erdgeschoss für alle Nutzungseinheiten erreichbar, dient als
öffentlicher Freiraum für Aktivitäten und schafft Synergieeffekte zwischen den
verschiedenen Akteure. Die wassergebundene Decke wird zentral durch eine
kleine Rasenfläche mit zwei schattenspendenden Bäumen unterbrochen.

EPILOG
Da »jetzt« nicht das Ende der Entwicklung dieses Ortes ist, sondern nur ein
Schritt zwischen Vergangenheit und Zukunft, muss die Architektur des Hauses
den aktuellen Anforderungen gerecht werden, sich aber auch mit der
Vergangenheit auseinandersetzen und in die Zukunft weisen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich durch eine komplette, geschlossene Blockbildung an den bestehenden umgebenden Straßen aus, lediglich eine Durchfahrt von der Langen Gasse öffnet den Innenhof. Ein separates Gebäude auf dem südlichen Baufeld bietet vier Wohnungen an. Das gesamte Ensemble wird mit verschieden geneigten und in der Höhe differenzierten Sattel- und Walmdächern gedeckt und bettet sich mit dieser Tektonik unauffällig und maßstäblich korrekt in das bestehende Stadtbild ein. Das Haus Markt 23 mit Seitenflügel wird mit seinen Außenwänden und seinem Erker und Portalen in der Bahnhofstraße prinzipiell erhalten. Das darüber neu errichtete Betondach wird mit einer überdimensionalen vertikalen Gaupe versehen, welche vor allem in ihrer Massivität deutlich kritisiert wird. Insbesondere entsteht eine formale Konkurrenz zum neuen orthogonalen Eingangsportal. Gleiche Kritik gilt für den Gaupen-ähnlichen Dachaufbau im Flügel Bahnhofstraße. Die Eingangsebene wird auf das Markt-Niveau gelegt, was leider ein Verlust der Kellergewölbe zur Folge hat. Denkmalpflegerisch werden die Hechtgaupen in pyramidaler Form schmerzlich vermisst Der Auftakt des Museums mit ausreichender Foyerfläche und Durchblick zum Hof ist sehr gelungen. Die Lage der museumspädagogischen Werkstatt ist ideal, weil im Kontakt mit der Hof-Freifläche ein vielfältiges Arbeiten ermöglicht wird. Die Dramaturgie des musealen Konzepts ist nachvollziehbar. Eine Korrespondenz der verschiedenen Themen durch die einfache Stapelung der Ausstellungsflächen in die drei Obergeschosse ist nicht möglich. Durch den zentral freigestellten Aufzug wird dieser Nachteil etwas ausgleichen. Die Sonderausstellung im obersten Geschoss ist sehr gut separiert und kann beliebig zugeschaltet werden. Die Lage der Depots ist gelungen. Das Haus Markt 24 wird im Grundriss komplett umgestaltet, gewinnt damit aber im Zusammenhang mit dem anschließendem Neubauteil eine beinah ideale Funktionsordnung. Auch die erdgeschossige Verknüpfung der Verwaltung und des Standesamtes mit dem Museum, bei gleichzeitiger Abtrennbarkeit und separater Zugänglichkeit über den Hof, ist sehr gelungen. Einzelne Flächen sollten noch getauscht werden; z.Bsp. sehr publikumsträchtige Funktionen ins Erdgeschoß. Die Ausrichtung des Trauzimmers zum Marktplatz mit möglichem direkten Zugang ist sehr begrüßenswert. Die Neubauteile werden mit Fassaden und Dachflächen aus Liapor-Dämmbeton vorgeschlagen und sollen damit ein sichtbares Alleinstellungsmerkmal im Stadtbild erhalten. Diese Konstruktion wird als äußerst anspruchsvoll und damit auch kritisch beurteilt. Sämtlich zu lösende Details wie Dachentwässerung, Schneefänge, Entlüftungen etc. werden das idealisierte Bild stören. Die Rettungswege scheinen grundsätzlich gelöst. Der Entwurf verzichtet auf ein neues Untergeschoss und stellt sich trotz seiner erhöhten Programmfläche mit vergleichsweise geringen Kubaturwerten als insgesamt wirtschaftlich dar.