modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Realisierungswettbewerb | 02/2020

„tempus futurum“ – Stadtmuseum Neustadt in Sachsen

Außenraumperspektive

Außenraumperspektive

ein 3. Preis

Chestnutt_Niess Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee

Das Bestandsgebäude am Markt 23 hat eine außergewöhnliche und wechselvolle Geschichte durchlebt; schön, mondän, spannungsvoll, tragisch und leidenschaftlich. Man könnte sogar behaupten, dass seine Geschichte, gerade vor dem Hintergrund der neuen Nutzung als Stadtmuseum, selbst als Ausstellungsstück für die deutsche Geschichte repräsentativ ist.
Das Haus, das sieht man in den verschiedenen historischen Fotografien sehr gut, hat seine äußerliche Erscheinung, vor allem zum Marktplatz hin mehrfach geändert. Die größten Änderungen erfolgten jedoch durch die fast vollständige Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, den Abriss und den leidenschaftlichen, aber leider unvollkommenen Versuch das Haus nach dem Krieg wiederaufzubauen. In der Nachkriegsfassung wurden die im Formate der Fenster geändert und die Fensterlage verschoben, der Erker steht an ganz
anderer Stelle und die Dachform und der Giebel in der Bahnhofstraße wurden gänzlich anders ausgeführt. Eigentlich ist das Haus ein Neubau.
Was ist dann eigentlich historisch?
Wir finden nicht das Haus, sondern seine Geschichte „historisch“. Anders formuliert, das Denkmal ist nicht das Gebäude, sondern der Denkmalwert wird eher durch den geschichtlichen Ablauf und deren bauliche Metamorphose verkörpert.
Das Voogtsche Haus am Markt 24 hat auch eine „gelebte“ Geschichte, aber seine Erzählkraft entstammt ganz anderen Gründen. Jenseits des schönen und intakten Antlitzes der Barockfassaden am Markt und in der Langen Gasse sowie der teilweise erhaltenen Konstruktionen, vor allem im Dachstuhl, besteht ein großer historischer Wert im verlorengegangenen Raumkontext des alten, engen Hinterhofs durch den abgerissenen
Seitenflügel. Dieses „Fehlstück“ ist durch den Giebelstumpf mit seinem Pultdach mit dem darin erhaltenen Treppenhaus vom Hof aus noch erkennbar. Heute also ein Kuriosum und Relikt einer vergangenen baulichen Realität, deren Deutung wahrscheinlich heute eher nur von „Kennern“ enträtselt werden kann. Dieser kleine Giebelstumpf mit seinem Pultdach als Hinweis einer ehemaligen baulichen Struktur von einem langgestreckten Flügel bietet die Möglichkeit eine neue bauliche Struktur von Hallen zu schaffen. Unsere neue Hallenstruktur greift das Pultdach auf und führt die Formensprache in einer neuen Bedeutung fort. Somit werden beide Bauten, Markt 23 und 24, zu einem neuen Ensemble aus „Teilen“ geschaffen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Gebäude bildet die Kubatur des Vorvorgängerbaus wieder ab, indem es die Walmdachausbildung zur Bahnhofstraße wieder aufgreift und den Kopfbau vom Langbau an der Bahnhofstraße baukörperlich absetzt. Die durchgängig rote Einfärbung hebt das Ensemble im Stadtbild heraus und führt zu einer Abstraktion seiner Kubatur. Der Hauptbau Markt 23 bleibt dominant und bildet zusammen mit dem Nachbargebäude Markt 24 das Gesicht zum Marktplatz. Die Ergänzungsbebauung im südlichen Grundstücksbereich ordnet sich dem Hauptgebäude unter und entwickelt eine nachvollziehbare, aber formal fremdartige Giebelfolge aus. Auch das Sheddach des Gebäudes südlich der Langen Gasse ist ein unverständliches Motiv. Der barrierefreie Eingang vom Marktplatz aus erfordert den Abbruch der Kellerdecke, insgesamt erscheint die Organisation der Erdgeschossebenen unbewältigt. Die Fassaden des Kopfbaus und nach der Bahnhofstraße werden einschließlich des Erkers offensichtlich erhalten, dabei erfolgt die Fassadengliederung durch Überlagerung alter Gliederungselemente mit neuen Fenstern und Sonderelementen. Im Bereich des denkmalgeschützten Bestandes ergibt sich hierdurch eine reizvolle Verdichtung aus unterschiedlichen Zeitschichten, wobei die neuzeitlichen, appliziert wirkenden Glasflächen eher unmotiviert und zufällig erscheinen. Die Wiederaufnahme der historischen, markanten Dachgauben wird schlüssig in die räumliche Gestaltung des Eingangsbereichs integriert, die Detailanmutung ist ausreichend feingliedrig und maßstäblich. Die vorgegebene Ausstellungskonzeption ist gut umgesetzt und räumlich attraktiv entwickelt. Dennoch wird der Luftraum, der sich im Eingangsbereich bis unter das Dach erstreckt, in seiner räumlichen Dominanz kontrovers diskutiert und teilweise als überzogen beurteilt. Der über den Aufzug im 2. OG erreichte Ausblickbereich bildet den Auftakt für einen räumlich differenzierten Rundgang bis in das EG, ist aber nicht für Veranstaltungen nutzbar. Die Verwaltungsflächen des Ordnungs- und des Bauamtes sind gut verortet und erschlossen, erforderliche Änderungen in der Belegung lassen sich in der weiteren Planung problemlos vornehmen. Der offene Verbindungsgang im 1. OG zwischen Bestand und Neubau wird kritisch gesehen. Die Baukonstruktion ist konventionell und lässt keine besonderen Schwierigkeiten erwarten. Eine Ausnahme bildet nur das mehrgeschossige Foyer, in dem auskragende Galerien und Brücken integriert werden müssen. Die Wirtschaftlichkeit liegt im mittleren Bereich.
Innenraumperspektive

Innenraumperspektive