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Einladungswettbewerb | 11/2019

Arealentwicklung Alte Spinnerei an der Lorze in Baar (CH)

Perspektive_01

Perspektive_01

Teilnahme

Preisgeld: 45.000 EUR

Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten

Architektur

koepflipartner

Landschaftsarchitektur

TEAMverkehr

Verkehrsplanung

Dr. Brigitte Moser

sonstige Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau und Architektur

Gemäss den Projektverfassern bildet die Baugeschichte Grundlage und Inspirationsquelle zugleich. Spezifische kontextuelle Eigenheiten werden aufgesucht und versucht mit den neuen Interventionen in eine dialogische Beziehung zu setzen. Diese durchaus verständliche Idee, die auch als eine Art Collage verstanden werden kann, schafft in der konkreten Umsetzung gleichermassen schöne aber auch schwierige städteräumliche Momente. Obwohl der ehemalige repräsentative Freiraum zwischen der Langgasse und der alten Spinnerei zu grossen Teilen überbaut wird, soll die Restfläche, in Referenz an den ursprünglichen und nicht mehr vorhandenen Bestand, typologisch eine parkähnliche Anmut erhalten. Es wird bezweifelt, ob dies gelingen kann. Die Bauten selbst gruppieren sich zu drei Einheiten. Den Auftakt macht ein grosses Gebäude, in dem sich Hotel und Alterswohnungen befinden, und das durch seine kubische Form einen kleinen Vorplatz an der Kreuzung Haldenstrasse–Langgasse schafft, gleichzeitig aber durch seine Position eine räumlich einladende Öffnung zum zentralen Hauptplatz verhindert. Der im Erdgeschoss des Residenzclusters angebotene, nadelöhrartige Durchgang kann den Mangel nicht wirklich beheben. Die Mitte bildet zusammen mit dem Hauptplatz ein Ensemble aus dem Verwaltungsgebäude und zwei dazugestellten Gebäuden, die neben einer kulinarischen Nutzung kulturellen und schulischen Zwecken zugeführt werden. Dass der schützenswerte Bau in eine Gruppe mit fabrikartigen Gassen eingebunden wird, verunklärt die Bedeutung des Solitärs. Den nördlichen Abschluss macht ein grosser Hallenbau, der durch seine Beschaffenheit und Anmut den Bezug zum Typus Markthalle sucht. Thematisch ist die vorgeschlagene Glasarchitektur nachvollziehbar, im Kontext der muralen Architektursprache der alten Spinnerei stellt sich jedoch die Frage, ob das Trennende stärker wirkt als das Verbindende und ob der starke Kontrast zwischen Alt und Neu nicht zu plakativ ausfällt. Das Erdgeschoss im Mitteltrakt der alten Spinnerei wird geöffnet und mit einer eingebauten Bar zum einladenden Entrée. Es erschliesst neben der Nutzung im eigenen Gebäude die Südseite des Areals, wo die Autoren mit historischer Referenz einen Werk-Boulevard einrichten. Entlang dieser Gasse gesellen sich zum bestehenden Kraftwerk eine interessante Gruppe von vier Gebäuden, die neben im Erdgeschoss sich befindenden Atelier- und Gewerbenutzungen in den vier Obergeschossen spezielle Wohnformen wie Studio- und Clusterwohnungen anbieten. Das westliche Ende wird durch ein grösseres, abschliessendes Gebäude der Gruppe zusammen mit dem Residenzcluster markiert. Die Verbindung zur reformierten Kirche wird dadurch gestärkt. Der Freiraum, der sich zwischen den Bauten formt, soll nicht Platz sein, sondern vielmehr als Teil der grossen übergeordneten "Parkanlage" gelesen werden.

Im Süden der alten Spinnerei fügen sich sechs kleine Bauten zusammen mit dem Kesselhaus zu drei Zeilen. Sie schaffen siedlungstypologisch den Übergang zu den angrenzenden Reihenhäusern. Die Idee der Ondulierung scheint beliebig zu sein. Im Weiteren kann sie durch die Kürze der Zeilen ihre räumliche und strukturierende Wirkung nicht vollumfänglich entfalten. Die verschiedenen vorgeschlagenen Typologien zeigen schön proportionierte und zeitgemässe Wohnungsgrundrisse, die eine vielfältige und unterschiedliche Bewohnerschaft ansprechen können.

Die Unterschiedlichkeit der vorgeschlagenen Architekturen ist in logischer Konsequenz der übergeordneten Konzeptidee geschuldet. Ob die verschiedenen Haus-Charaktere untereinander und im Verbund mit den Bestandsbauten vollumfänglich zusammenpassen, bleibt fraglich.

Das Nutzungskonzept erfüllt in weiten Teilen die gestellten Anforderungen. Die grossen Verkaufsflächen im Hallenbau sind gut positioniert und optimal erschlossen. Der Residenzcluster mit Hotel und Alterswohnen liegt an prominenter Lage. Die verschiedenen Wohn-, Atelier- und Gewerbenutzungen finden im Südteil des Areals den richtigen Ort.

Die Flächen und Volumenberechnungen lassen eine vernünftige Wirtschaftlichkeit erwarten. Die Nachhaltigkeitsbeurteilung zeigt ein differentes Bild. Einerseits kann das Grünraum- und Mobilitätskonzept einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, andererseits stellen grosse Glasbauten in der Beziehung eine grosse Herausforderung dar.

Freiraum

Der vorgesehene Park als Reminiszenz an die ehemalige repräsentative Grünfläche vor der Spinnerei ist ein interessanter und ansprechender Ansatz. Allerdings bleibt er wegen der dichten künftigen Bebauung und Gliederung nach Ansicht der Jury zu fragmentarisch. Vielmehr entsteht der Eindruck einer innerstädtischen Campusanlage, die nicht wirklich mit der ehemaligen Spinnerei an der Lorze in Einklang gebracht werden kann.

Mit dem Werk-Boulevard im Süden ist ein Freiraumtyp mit in seiner Ausgestaltung und Nutzung gut vorstellbaren, zum Park komplementären Werkatmosphäre angedacht. Die privaten Freiräume sind mit einer Pergola von den halböffentlichen Durchgängen abgegrenzt, so dass die Privatsphäre gewahrt bleibt. Die Aussenräume sind sorgfältig durchgearbeitet und vermitteln unterschiedliche Atmosphären.

Die zum Prinzip erklärte Heterogenität der Bauten in einer verbindenden Parklandschaft wird grundsätzlich als gangbarer Weg zur Stärkung des Ensembles betrachtet. Allerdings vermag es der ausformulierte Vorschlag wegen der doch starken Fragmentierung nach Auffassung der Jury nicht wirklich, dem Areal eine neue Identität zu geben.

Ortsbildschutz/ISOS

Mit dem grossen Grünraum auf der Nordseite, in den unterschiedlich gestaltete Neubauten als "Pavillons" hineingestellt sind, gelingt es, das Hauptgebäude der Spinnerei wieder sehr gut sichtbar zu machen. Von verschiedenen Stellen der Langgasse her kommend, wird das Gebäude auf vielfältige Weise erlebbar, was mit Blick auf die Schutzziele, die das ISOS für dieses Teilgebiet formuliert (Erhalt des Charakters, Rückbau bestehender Werkhallen), sehr begrüsst wird. Demgegenüber schliesst allerdings der dominante, in zwei Volumen gestaffelte Neubau an der Nordwestecke, mit nur schmalem Durchgang zum Park, das Areal zu stark ab. Der Mühlebachkanal wird in die Umgebungsgestaltung integriert und so Teil des Areals. Nicht überzeugend ist die Einbindung des Verwaltungsgebäudes, das mit zwei Neubauten, die in Volumen und Setzung eher zufällig wirken, ein neues Ensemble bilden soll. Der neue Platz auf der Westseite zum Kirchenquartier und der Werkboulevard südlich der Spinnerei geben der langgezogenen Fabrik Raum und binden insbesondere auch das Kraftwerk sehr gut ein. Der Neubau südlich des neuen Platzes wirkt allerdings relativ dominant am Fuss des Hügels. Die durchgrünte Wohnbebauung auf dem südlichen Arealteil ist aus Sicht des Ortsbildschutzes vom Ansatz her möglich, in der vorgeschlagenen Version mit teilweise bis zu fünfgeschossigen Bauten jedoch zu dicht.

Schlusswürdigung

Abschliessend beurteilt kann festgestellt werden, dass die vorgeschlagene entwerferische Methodik einen interessanten Versuch darstellt, das historische Erbe und sein Umfeld mit den Neubauten zu einer inspirierenden urbanen Collage zusammenzufügen. In der konkreten Umsetzung finden jedoch noch zu viele Teile nicht richtig zueinander. Der erhoffte synergetische Mehrwert für das Ensemble kann dadurch nicht vollumfänglich eingelöst werden.
Perspektive_02

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Lageplan

Lageplan