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Einladungswettbewerb | 11/2019

Arealentwicklung Alte Spinnerei an der Lorze in Baar (CH)

Perspektive

Perspektive

Teilnahme

Preisgeld: 45.000 EUR

Buol & ZĂŒnd Architekten

Architektur

Caruso St John Architects

Architektur

Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Beurteilung durch das Preisgericht

StÀdtebau und Architektur

Die Verfasser schlagen vor, der Geschichte des Areales mit seinen mannigfaltigen VerĂ€nderungsprozessen ein weiteres Kapitel zuzufĂŒgen, das die ĂŒber all die Jahrzehnte feststellbare, ausgesprochen eigenwillige Mischung aus Pragmatismus und ReprĂ€sentationsbedĂŒrfnis der ehemaligen Besitzerschaften zum Ausdruck bringen soll.

Die von verschiedenen Verfassern durchgefĂŒhrte Suche nach historischen Zeugen der Arealentwicklung offenbaren mehrfache gebĂ€udetypologische VerĂ€nderungen auf der SĂŒdseite des Areals. UrsprĂŒnglich ebenso unverbaut wie das nördliche Areal zur spĂ€teren Kantonsstrasse hin, wurden auf der SĂŒdseite zuerst traditionelle, mit SatteldĂ€chern gedeckte NebengebĂ€ude, in einem spĂ€teren Zeitpunkt grossflĂ€chigere Hallen mit Oblichtern und SheddĂ€chern erstellt. In den Siebzigerjahren wurde das ehemals reprĂ€sentative VorgelĂ€nde mit einer gnadenlos pragmatischen Hallenstruktur ĂŒberbaut und aufgrund der zulĂ€ssigen MaximalausnĂŒtzung das gesamte, historisch gewachsene industrielle Erbe auf der SĂŒdseite bis auf das Kesselhaus ausradiert.

Die teilweise verstörende Arealgeschichte wird zum Anlass genommen, dem zuletzt erstellten baulichen Zeugen in einer Art Vorwegnahme einer denkbaren spĂ€teren denkmalpflegerischen Strategie Referenz zu erweisen und Teile des Untergeschosses im nördlichen Arealteil fĂŒr die Nachwelt zu erhalten und im nĂ€chsten Ausbauschritt sichtbar zu machen. Der Bereich der Untergeschosse resp. der Sockelpartie wird in seinem Fussabdruck als feldartiger Bezirk interpretiert. Er wird durch neue Dienstleistungsbauten ergĂ€nzt, in seiner Mittelpartie mit einem parkartigen Paradiesgarten ausgestattet und in seinen AuslĂ€ufern mit SockelmĂ€uerchen ablesbar gemacht. Die Neubauten knĂŒpfen in ihrer architektonischen Sprache an diejenige der heutigen GebĂ€ude an. Damit gelingt es, dem Bereich zwischen dem geschĂŒtzten HauptgebĂ€ude und der Langgasse im Grundsatz quasi eine historische Verortung und IdentitĂ€t zu geben. Die ausserhalb dieses hofartigen Bezirks liegenden Bereiche werden insofern folgerichtig, im Kontrast zum begrĂŒnten Innern, als HartflĂ€chen interpretiert. Der direkte rĂ€umliche Bezug zum bestehenden HauptgebĂ€ude wirkt verstellt und dem grossen öffentlichen Freiraum wird eine isolierte, eine Art halbprivate QualitĂ€t gegeben. Die Einfassung des Bezirks wurde in den ĂŒbrigen Bereichen als unklar, wenig einladend und im Bereich der neu zu erstellenden Zufahrtsrampen als nicht gelöst betrachtet.

Die Idee, auf der SĂŒdseite zwei inselartige, Richtung Waldgutsch offene Hofstrukturen zu schaffen, ist grundsĂ€tzlich nachvollziehbar, da sie den Talboden als öffentlichen, frei zugĂ€nglichen Teil des ehemaligen Fabrikareals zu erhalten und zu stĂ€rken versucht. Von der WohnqualitĂ€t her vermochten die insgesamt sehr schmalen FreirĂ€ume jedoch nicht zu ĂŒberzeugen.

Die Nutzungsverteilung ist gekennzeichnet durch ein klare Trennung der Nutzungen in den nördlichen Teil mit ausschliesslich DienstleistungsflĂ€chen und den sĂŒdlichen Teil mit Wohnungen und einigen atelierartigen Nutzungen. Die Nutzungsverteilung wurde auch im Zusammenhang mit den grossen Dichteunterschieden im Bereich der sĂŒdlichen Hofstrukturen und dem nördlichen Kopfbereich als wenig glĂŒcklich beurteilt. Der Vorschlag, im bestehenden HauptgebĂ€ude die Hotelnutzung einzulagern, wurde zwar aus dem Blickwinkel einer Adressbildung im Sinne eines identitĂ€tsstiftenden historischen Bezugs verstanden, aus GrĂŒnden der PraktikabilitĂ€t jedoch abgelehnt.

Der Entscheid fĂŒr zwei akzentuiert unterschiedliche Architektursprachen der GebĂ€ude nördlich und sĂŒdlich des HauptgebĂ€udes kann konzeptionell nachvollzogen werden. Es fragt sich allerdings, warum nicht der Versuch gemacht wurde, eine einheitlichere Ausdrucksform zu entwickeln, die auch formal die PrĂ€senz und die Raumstimmung des reprĂ€sentativen HauptgebĂ€udes aufgreift, mit diesem in einen identitĂ€tsstiftenden Dialog tritt und damit den Auftritt des Gesamtareals stĂ€rkt. Die tektonische Ausdrucksform der Bauten auf dem sĂŒdlichen Arealteil wirkt zufĂ€llig. Es wird kein Dialog mit der Sprache der bestehenden GebĂ€ude sichtbar.

Die Grundrisse der Wohnungen sind generell in ihrer seriellen, quasi an industriellen Gegebenheiten orientierten Charakteristik sehr klar und im Detail sorgfĂ€ltig und schön gestaltet. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese aus MarktĂŒberlegungen, aber auch aus GrĂŒnden einer breiteren Streuung des Zielpublikums differenzierter angelegt werden mĂŒssten. Teilweise sind die Grundrisse der Wohnungen durch widersprĂŒchliche Orientierung auf den PlĂ€nen schwierig zu lesen und zu beurteilen.

Das Grundrisslayout der GeschĂ€ftsflĂ€chen ist im Grundsatz einfach und klar. Nicht gelöst ist die Aufsplittung der LadenflĂ€chen auf vergleichsweise kleine, isolierte FlĂ€chen ĂŒber mehrere Geschosse.

Mit den Vorbehalten betreffend MarktgĂ€ngigkeit ist der Projektvorschlag aus ökonomischer und ökologischer Sicht positiv zu beurteilen. Der Ansatz, ĂŒber dem weitgehend erhaltenen Sockelgeschoss auf der Nordseite ausschliesslich GeschĂ€ftsflĂ€chen vorzusehen, ist aus ökonomischem Blickwinkel folgerichtig. Durch die Möglichkeit, die offenen, grossen NutzflĂ€chen in Skelettbauweise vergleichsweise leicht auszubilden, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass damit unter UmstĂ€nden sehr aufwendige Anpassungen der Tragstruktur in den bestehenden Sockelgeschossen vermieden werden könnten.

Freiraum

Der Entwurf sieht einen gegen die Langgasse mit einer unterbrochenen Mauer umschlossenen Paradiesgarten als Herz der Anlage vor. Warum diese Typologie an diesem Ort gewÀhlt wird, bleibt allerdings wenig nachvollziehbar, zudem wird die Spinnerei damit eher von der Langgasse abgeschottet.

GrundsĂ€tzlich ansprechend ist der Ansatz, den bestehenden, unter der Spinnerei durchfĂŒhrenden Hauptkanal zu öffnen und im Garten sicht- und spĂŒrbar zu machen. Wenig verstanden wird demgegenĂŒber die Eindeckung des Kanals entlang der Langgasse und die Ausbildung eines breiten Trottoirs, wĂ€hrend die den Strassenraum sĂ€umenden Erdgeschosse den neu gewonnenen Raum in keiner Art und Weise bespielen. Im Gegenteil begleitet ein fast durchgehend geschlossener und entsprechend abweisender Sockel den Strassenraum. Ähnlich abschliessend verhalten sich die hufeisenartigen Wohnhöfe sĂŒdlich der Spinnerei zur Lorze. Der zur Lorze hin mit höheren Kopfbauten akzentuierte Strassenraum steht wenig im Zusammenhang mit dem sĂŒdlich folgenden QuartierstrĂ€sschen Richtung HöllhĂ€user. Die hier angedachte Volumetrie bildet zudem einen massiven Massstabssprung zur angrenzenden Bebauung. Die hofartigen FreirĂ€ume wirken sehr stĂ€dtisch und beengt, was hier an diesem Ort nicht richtig verstanden wird. Ebenso widersprĂŒchlich erscheint der Versuch, mit hohen, prĂ€genden Bauten wie z.B. dem Hotel, das alte SpinnereigebĂ€ude herauszuheben. Nach Ansicht der Jury wirken die Volumen gerade im Freiraum eher bedrĂ€ngend denn akzentuierend.

Das Projekt zeigt insgesamt interessante AnsĂ€tze, aber es erscheinen viele der gewĂ€hlten Lösungen in sich zu widersprĂŒchlich und nicht gelöst.

Ortsbildschutz/ISOS

Der neue "Paradiesgarten" mit Umfassungsmauer nördlich der Spinnerei passt aus Sicht des Ortsbildschutzes nicht zum Charakter des ehemaligen Industrieareals. Statt einer Einbindung und Sichtbarmachung der FabrikgebĂ€ude werden diese eher von der Langgasse abgeschottet. So wird denn auch der MĂŒhlebachkanal nur innerhalb des Gartens gezeigt, wĂ€hrend der Kanal an der Langgasse, der heute sichtbar ist, verdeckt werden soll. Die Wiederaufnahme des architektonischen Charakters der bestehenden Hallen in den Neubauten muss unter Bezugnahme auf die Schutzempfehlungen des ISOS ("lĂ€ngerfristig RĂŒckbau der neuen Werkhallen vor der Hauptfront") als kritisch bewertet werden. Positiv beurteilt wird die Schaffung eines neuen Platzes im Westen des Areals. Der Neubau am Fuss des Altgutsch ist allerdings an dieser Stelle zu dominant und im Ortsbild störend. Die Bebauung des sĂŒdlichen Teils des Areals wirkt zu dicht. Die hohe Fassade entlang der Lorze mit einem stĂ€dtischen Charakter ist aus Sicht des Ortsbildschutzes als GegenĂŒber zur Baugruppe der ehemaligen ZiegelhĂŒtte nicht denkbar.

SchlusswĂŒrdigung

Beim Vorschlag von Buol & ZĂŒnd / Caruso St John Architects AG / Studio Vulkan handelt es sich um einen sehr eigenstĂ€ndigen, im nördlichen Abschnitt eigenwilligen Konzeptansatz, der in sich auf verschiedenen Ebenen sorgfĂ€ltig entwickelt wurde. Die volumetrische Dichteverteilung und die stĂ€dtebauliche Einbindung in den gebauten und landschaftlichen Kontext wurde insgesamt in verschiedener Hinsicht als nicht wirklich ĂŒberzeugend beurteilt. Dies gilt auch fĂŒr den zufĂ€llig wirkenden, formalen Ausdruck der GebĂ€ude auf der SĂŒdseite des Areals.
Lageplan

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