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Offener Wettbewerb | 09/2019

Neubau eines Zentrums für seelische Gesundheit am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg

Außenvisualisierung

Außenvisualisierung

2. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

pbr Architekten Ingenieure

Architektur

arbos landscape GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Inspired by Nature
Angelehnt an die Form anatomischer Zellkörper stellt sich der Neubau für seelische Gesundheit im Lageplan mit zwei pavillonartigen Gebäudeteilen dar. Die konvexen Baukörper mit den jeweiligen begrünten Innenhöfen nehmen die vier Funktionsbereiche Untersuchung – Behandlung – Tagesklinik (Apartments) – Therapie auf. Durch das gemeinsame Foyer – die „Synapse „– entsteht auf zwei Etagen eine vitale Verbindung dieser Funktionsbereiche, die sich als Ringstruktur um eine freie Mitte (Zellkern) abbilden.
Motiviert durch die mittlerweile unumstrittene Bedeutung von „Healing Architecture“ haben wir unser Leitbild an den therapeutischen, funktionalen, räumlichen und landschaftsräumlichen Zielen der Aufgabenstellung ausgerichtet und weiterentwickelt. Leitbild für den vorliegenden Entwurf ist das physiologisch-anatomische Grundmuster einer „Zell-Zell-Interaktion“. So entsteht ein Gebäude mit einer offenen erlebbaren Gestalt, einer klaren Orientierung, kurzen Wegen, natürlicher Belichtung, Rückzugsorten, Terrassen und Treffpunkten - mit einer spürbaren Verbindung von Mensch zu Mensch und von Mensch und Ort.
Gebäude
Durch ihre Anordnung bilden die beiden Gebäudevolumen spannungsvolle und differenzierte Außen- und Innenraumbezüge. Die ungerichtete Architektursprache bildet keine harten Raumkanten, es gibt keine klassischen Vorder- oder Rückseiten, alles fließt. Beide Volumen sind durch das gläserne Foyer miteinander verbunden. Dieser Zentrale Eingangsbereich ermöglicht einen fließenden Übergang von der südlich angrenzenden Parklandschaft, über den Neubau in den Patientengarten des Zentrums für seelische Gesundheit. Die Erlebbarkeit der Umgebung soll, wie die gezielt auf einen erlebbaren Tag-Nacht-Rhythmus ausgerichtete Architektur, den Prozess der geistigen Heilung fördern.
Anders als die bestehende rechtwinklige und symmetrisch angeordnete Bebauung baut das Zentrum für seelische Gesundheit einen starken Bezug zu den angrenzenden Grünräumen und zum Patientenpark auf.

Erschließung und Funktionen
Der Haupteingang liegt an der südlichen Erschließungsstraße, mit einem kleinen Vorplatz (und Fahrradstellplätzen). Die Tagesklinik erhält einen separaten Zugang ebenfalls von Süden, am östlichen Rand. Die Anlieferung erfolgt (überdacht) an der Nordseite des Gebäudes über die westliche Straße, getrennt von der sonstigen Erschließung. Im Erdgeschoss gruppiert sich der Untersuchungsbereich (Trakt 1) mit Leitstelle um einen geschützten grünen Innenhof. Ebenfalls im Erdgeschoss befindet sich der Therapiebereich (Trakt 4), mit direktem Zugang zum Therapiegarten. Im Obergeschoss sind die Apartments der Tagesklinik (Trakt 3) sowie die Betten- und Behandlungsstation (Trakt 2) angeordnet. Sämtliche Apartments und Zimmer orientieren sich mit Blick zum Außenraum.
Die Innenhöfe (Zellkerne) und Terrassen im Obergeschoss bieten durch ihre Gestaltung unterschiedliche Aufenthaltsqualitäten, unterstützen die Therapiezwecke und tragen zur sehr guten Orientierung und Belichtung des Gebäudes bei. Rückzugs- und Kommunikationsbereiche sowie Terrassen entstehen in den „Rundecken“ der Gebäudefigur. Oberlichter sorgen für zusätzliches Sonnenlicht und fördern den zirkadianen Rhythmus der Patienten und Bewohner.
Natürliche Materialien wie Holz, Glas, helle Farben und Stoffe unterstützen die positive und freundliche Ausstrahlung auf die Nutzer und die „Nahbarkeit“ an das Gebäude. Ein natürlicher Ort, an dem man sich wohlfühlt und gern aufhält. Die Fassade wird durch umlaufende weiße Betonbrüstungen und vertikale Holzpaneele strukturiert. wWir schlagen eine extensive Dachbegrünung und eine Holzkonstruktion für die Fassaden vor. Wünschenswert wäre der Einsatz recycelter Materialien, zum Beispiel Zuschlagstoffe aus Abbruchmaterial, wiederverwertetes Holz und Bodenbeläge (im Außenbereich). Damit wird dem ressourcenschonenden Umgang mit vorhandenem Baumaterial entsprochen und ein inhaltlicher Akzent zur „Revitalisierung“ gesetzt.


Erläuterungsbericht: nachhaltiges Bauen (C.2.10)

Dem Entwurfskonzept liegt der Nachhaltigkeitsgedanke in allen Dimensionen zugrunde. Insgesamt werden Baustoffe und Konstruktionen/Verbindungen gewählt, die dem Kreislaufgedanken bzw. Cradle-to-Cradle Prinzip soweit wie möglich gerecht werden. Bei der Materialität wird auf Langlebigkeit, Rückbaubarkeit und Recyclingfähigkeit sowie deren Auswirkungen auf die Innenraumluft geachtet. Neben energetisch optimierten Bauteilen für einen geringen Energiebedarf in der Nutzungsphase wird neben Materialentscheidungen unter Berücksichtigung von ökologischen und ökonomischen Kriterien insbesondere der Nutzer mit zentralen Komfortthemen (Tageslicht, Behaglichkeit etc.) in den Mittelpunkt der Planung gerückt. Für den Nutzerkomfort im Gebäude wird ein maßgeschneidertes Konzept aus natürlicher Belichtung für eine optimale Ausnutzung des Tageslichteinfalls, Blend- und Sonnenschutz sowie akustisch wirksamen Maßnahmen ausgearbeitet.

Für eine energetisch optimierte Gebäudehülle ist der Dämmstandard der EnEV 2013 mit den erhöhten Anforderungen seit dem 01.01.2016 einzuhalten. Die Wärmeverluste und -gewinne durch die transluzenten Bauteile haben einen bedeutenden Einfluss auf die Energiebilanz und das Raumklima. Die Art der Verglasung wird daher nutzungsspezifisch nach den Kriterien der Dämmwirkung, Gesamtenergiedurchlassgrad und Tageslichttransmission optimiert, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen passiver Nutzung der solaren Strahlung und dem sommerlichen Wärmeschutz zu erreichen. Die Wärmedurchgangskoeffizienten der Isolierverglasung betragen im Mittel ≤ 1,00 W/(m²K).
Ein hoher visueller Komfort (Tageslichtverfügbarkeit) wird durch tageslichtoptimierte Glasflächenanteile, Atriumsverglasung, geringe Deckenstürze bzw. raumhohe Fester, niedrige Brüstungen und helle Decken-, Fußboden- und Wandflächen realisiert.
Ein auf das sommerliche Wärmeschutzkonzept abgestimmter außenliegender Sonnenschutz findet Berücksichtigung. Die Wärme- und Kältespeicherung im Gebäude erfolgt durch speicherfähige Materialien der Tragkonstruktion (Stahlbetondecken und tragende Wände)

Für die Fassadenbekleidung wird Holz als nachwachsende und CO2-neutrale Ressource gewählt. Aus ökologischen Gründen soll eine Holzart aus nachhaltiger Forstwirtschaft (FSC/PEFC-zertifiziert) gewählt werden, die gleichzeitig einen geringen Wartungs- und Instandhaltungsaufwand mit sich bringt und keine Nachbehandlung mit umweltgefährdenden Produkten erfordert. Hier bieten sich daher z.B. Lärche oder hochdruckbehandeltes Nadelholz an.

Zu einem gesundheitsverträglichen Raumklima wie auch einer ökologisch unbedenklichen Ausstattung tragen schadstoffarme Materialien bei. So werden in der späteren detaillierten Planung beispielsweise lösemittelfreie Anstriche und Lackierungen, Hilfsmittel/Klebstoffe, Bodenbeläge ohne Weichmacher, Schwermetalle etc. gewählt. Bei Holzprodukten im Innenraum wird darauf geachtet, insbesondere keine stark verleimten und damit formaldehydhaltigen Holzprodukte einzusetzen. Als Bodenbelag bietet sich in den meisten Bereichen ein Linoleumboden an, da die Rohstoffe regional verfügbar sind (Leinöl, Holz etc.) und Linoleum eine geringe graue Energie besitzt. Um die Kosten im Lebenszyklus zu optimieren, werden zur Reduzierung des Reinigungs- und Instandhaltungsaufwands neben schmutzresistenten Oberflächen (Linoleum und Fliesen) und intelligenten Konstruktionen (wandmontierte Sanitärobjekte, Heizkörper, Treppengeländer ohne Aufstützpunkte auf Trittstufen etc.) auch wassersparende Armaturen zur Reduzierung des Frischwasserverbrauchs berücksichtigt. Für eine flexible Umbaubarkeit oder Umnutzungsfähigkeit wird ein flexibles Grundraster mit hohem Anteil nichttragender Wände geplant. Regenwasser wird durch die geplante extensive Dachbegrünung zurückgehalten und trägt durch Verdunstung nicht nur zu geringen Wasserentsorgungskosten bei, sondern sorgt gleichzeitig für ein gutes Mikroklima am Standort, schützt die Dachabdichtung vor UV-Strahlung (längere Lebensdauer) und leistet einen guten Beitrag zur Biodiversität.

Um einfache Umbaumaßnahmen und einen späteren Rückbau zu ermöglichen, werden die Bauteile hinsichtlich Rückbau, Trennbarkeit und Recycling optimiert, z.B. durch Verzicht auf Verbundbaustoffe und den Einsatz von reversiblen Verbindungstechniken statt Verklebung von Materialien.

In den nächsten Planungsschritten werden Kriterien zum nachhaltigen Bauen durch das interdisziplinäre Planungsteam im Detail ausgearbeitet. Hierzu können auch Hilfsmittel zur Anwendung kommen, die bei der weiteren Optimierung des Konzepts unterstützen: Neben der erforderlichen Energiebilanzierung können mit Tageslichtsimulationen sowie Simulationen zum thermischen Komfort z.B. die Fensterflächenanteile und die Kubatur des Gebäudes weiter optimiert werden, die Ermittlung der Gebäude-Ökobilanz als Entscheidungshilfe bei der weiteren Materialauswahl dienen und eine Berechnung der Lebenszykluskosten zur Optimierung der Nutzungsphase beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Im Areal des vorwiegend orthogonal geordneten ,Bundeswehrkrankenhaus Hamburg‘, fallen zwei amorphe Baukörper als Gebäudevorschlag für das Zentrum für seelische Gesundheit auf.

Die auf den ersten Blick scheinbar freien Formen reagieren bei näherer Betrachtung jedoch sensibel, angemessen und richtig auf den Kontext. Durch die gegliederte Gebäudefigur entwickeln sich Freiräume mit verschiedenen Charakteren. Vorplatz, Innenhof, Garten und Park bieten eine breite Palette von Nutzungsmöglichkeiten, auch individuelle Rückzugsräume werden geschaffen. Das Gebäude ist nur zwei Geschosse hoch, beide Teile haben Innenhöfe (sowohl geschützt wie frei zugänglich) und sind durch ein gemeinsames helles Foyer miteinander verbunden.

Die Gebäudefiguration hat eine sympathische Erscheinung, die Fassaden wirken relativ offen, sind gut gegliedert und proportioniert - wirken dennoch etwas zufällig und beliebig.

Das Zentrum für seelische Gesundheit hat keine Rückseite, es steht als Solitär im Grün der bestehenden und zukünftigen Parkanlage. Trotz der konvexen Schwünge entsteht durch eine geschickte Setzung und Platzierung der beiden Körper eine wie selbstverständlich auffindbare, sich dem Besucher öffnende Eingangssituation. Der Haupteingang mit Empfang, Haupttreppe und Aufzug liegt richtig an der südlichen Erschließungsstraße, vis a vis des schönen Parks und hat einen gut dimensionierten, kleinen Vorplatz. Der Zugang zur Tagesklinik liegt separat, aber ebenfalls an der Straße - die Anlieferung wurde an der westlichen Straße gut angeordnet. Die Wegeführung im Gebäude ist grundsätzlich unkompliziert, Ausblicke in die Umgebung wie in die Innenhöfe sind reizvoll und dienen der Orientierung.

Die Funktionsbereiche sind sinnvoll organisiert und angeordnet, der Außenbezug der qualitätvollen Zimmer überzeugt, auch wenn die Nähe zur Erschließungsstraße im EG durchaus kritisch gesehen wird. Der östliche Baukörper wird an der Nordseite aufgeständert, so dass unterhalb des Obergeschosses ein überdachter Außenraum entsteht. Die Qualitäten dieses Bereiches werden unterschiedlich bewertet: Als eine interessante Übergangszone wird das geöffnete Erdgeschoß des Therapietraktes gewürdigt, auch wenn die dargestellte Vegetationsentwicklung hier eher schwierig sein dürfte - der geschützte, überdachte, jeder Zeit nutzbare Außenraum (nicht nur für Raucher) wird jedoch begrüßt.

Die vorgeschlagene Primärkonstruktion ist im positiven Sinne einfach, nachvollziehbar und scheint unproblematisch umsetzbar. Die Atmosphäre im Äußeren wie im Inneren des Gebäudes entspricht den Nutzererwartungen.

Bei aller Sympathie für den Entwurf gibt es dennoch Kritik:

Die für den Entwurf wichtigen und prägnanten Rundungen der konvexen Fassade machen eine präzise Detaillierung erforderlich, bei Umsetzung der Entwurfsqualität werden hohe Herstellungskosten befürchtet. Auch werden Ausbaugewerke aufgrund der amorphen Grundrisse zu baulichem Mehraufwand führen.

In der nördlichen Hälfte des Westbaukörpers wird unterhalb einer Terrasse ein Dreibund vorgeschlagen, die Flure und Raumzuschnitte in diesem Bereich bleiben qualitativ hinter den überzeugenden anderen Bereichen im Zentrum zurück.

Die Lage, Dienstzimmer‘ in der Betten- und Behandlungsstation ist nicht günstig. Vorschläge bzw. Angaben für suizidpräventive Maßnahmen in Trakt 2 fehlen. Bewegungsflächen in barrierefreien Bereichen sind häufig zu gering bemessen.

Hinsichtlich der planerischen Kenndaten liegt die Arbeit im Durchschnitt.

Die Verfasser wollen einen Ort schaffen, an dem man sich wohlfühlen, sich gerne aufhält und genesen kann - dies ist ihnen mit dem vorliegenden Entwurf, der sowohl dem reizvollen Standort wie auch der besonderen Nutzung seine Referenz erweist, auf überzeugende Weise gelungen.
Lageplan Bundeswehrkrankenhaus

Lageplan Bundeswehrkrankenhaus

Foyer

Foyer

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Obergeschoss

Schnitt AA

Schnitt AA

Schnitt BB

Schnitt BB

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Patientenzimmer

Patientenzimmer

Nutzungsverteilung Erdgeschoss

Nutzungsverteilung Erdgeschoss