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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2020

Neubau einer Mensa für die Ludwig-Uhland-Schule in Gießen

2. Preis

NEUMANN & HEINSDORFF ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

Wir meinen, dass der Neubau eine sehr gute Gelegenheit ist, das Areal der Ludwig-Uhland-Schule neu zu ordnen und mit der Mensa zukunftsweisend zu erweitern. Neben der räumlichen Erweiterung soll der Zugang zum Gesamtareal geklärt und die Schule eine angemessene bauliche Adresse im städtischen Gefüge erhalten. Wie könnte das gehen?

Wir schlagen den Neubau als einen winkelförmigen Baukörper vor, der dem Schulhof zum Strassenraum eine neue, schützende Fassung gibt. Indem er von den Bestandsbauten abrückt, öffnet sich am Aulweg ein angemessener Vorplatz. In unmittelbarer Nähe zum zukünftigen Hol- und Bringbereich der Kinder, bildet er den neuen, barrierefreien Haupteingang zum gesamten Schulgelände. Im Anschluss daran befindet sich der Ganztagesbereich, dem auf der gegenüberliegenden Seite, an der Ecke Aul-/Wartweg, die Mensa und Aula gegenübersteht. Dieser macht das Schulensemble im Umfeld prägnant sichtbar und bildet die gut wahrnehmbare bauliche Adresse. Während sich der Neubau zum Strassenraum eher dezent und zurückhaltend gibt, öffnet er sich weit und einladend zum Schulhof. Die einzelnen Funktionsbereiche wie Ganztagesbetreuung, Aula und Küche gruppieren sich U-förmig um die vorhandenen Säuleneichen. Ein lang gestrecktes Foyer orientiert sich zum Schulhof, verbindet die unterschiedlichen Bereiche und ist die zentrale Anlaufstelle.
Die Schulkinder streifen hier quasi nebenbei Garderobe, Trinkwasserzapfstelle und Kinder WCs bevor sie die Aula und Mensa erreichen. Der Musikraum ist von aussen separat zu erreichen und steht für Veranstaltungen als zuschaltbarer Bühnenraum zur Verfügung. Die Anlieferungsküche bildet zusammen mit den weiteren Sanitärbereichen den baulichen, schützenden Rücken zum Aulweg. Ganz im Sinne eines zukunftsweisenden und ressourcenschonendens Bauens wird der Neubau weitgehend in zeitgenössischer Holzbauweise auf einer Betonbodenplatte erstellt. Die damit verbundene Vorfertigung reduziert die Montagezeiten vor Ort und ermöglicht eine sehr präzise Ausführung. Die damit einhergehende einfache und klare Ordnung gibt dem Bau seine markante Erscheinung und vermeidet schwierige Detailausbildungen. Während ein Spalier aus Metallammellen im weit aufgeglasten Strassenniveau Schutz vor ungeliebten Einblicken bietet und dabei die Nutzung geheimnisvoll zum Strassenraum durchscheinen lässt, erhalten die geschlossenen Flächen eine hochwärmedämmende Holzfassade. Die Verwendung von weitgehend unbehandelten, natürlichen Materialien Innenraum wie Holzvertäfelungen für Wände und Decken ermöglicht auf einfache Weise die Integration von Akustikabsorbern und sorgt für ein in jeder Hinsicht behagliches Raumklima. Die Verwendung von haustechnischen Anlagen wird mit Hilfe einer intelligenten Lüftung auf das notwendige Minimum, ganz im Sinne eines einfachen und robusten Bauens, beschränkt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Einbindung

Bereits auf der Ebene der städtebaulichen Setzung ist diese Arbeit in der Lage, einige der wesentlichen Fragen dieser Bauaufgabe völlig selbstverständlich und überzeugend zu beantworten. Mit einer winkel- bzw. U-förmigen Dis-position des vorgeschlagenen Neubaus gelingt es den Verfassern, den Straßenraum des Aulwegs beruhigend zu fassen und gemeinsam mit dem Bestand eine großzügige und einladende Zugangssituation für die Gesamtanlage zu schaffen. Die Aula / Mensa besetzt den östlichen Grundstücksbereich entlang des Wartwegs, wird zum Referenzpunkt des Ensembles und klärt gleich-zeitig den östlichen Abschluss des Schulhofs samt Feuerwehrzufahrt und Andienung des dort befindlichen Musiksaals. Der dritte Schenkel des Baukörpers sorgt für die besondere Qualität dieser Arbeit, indem er den Bereich um die Säule-eichen zusätzlich einfasst, eine hohe außenräumliche Qualität entstehen lässt und folgerichtig die Eingangssituation des Neubaus an dieser Stelle ausbildet. Darüber hinaus tritt dieses Volumen in Dialog mit dem gegenüberliegenden Verwaltungs-bereich und wertet die Zugangssituation vom Aulweg deutlich auf.
All diese außenräumlichen Qualitäten im Dialog mit dem Bestand gelingen mit einem Baukörper von großer Klarheit und angenehmer Einfachheit.

Architektonische Qualität

Mit Feinfühligkeit und zurückhaltender Eleganz wird die städtebauliche Setzung in eine stimmige architektonische Komposition überführt. Eine den jeweiligen Nutzungsbereichen entsprechende baukörperliche Gliederung in der Höhe wird mit einer die verschiedenen Teilbereiche zusammenbindenden Fassadengliederung überlagert und lässt so ein spannungsvolles Wechselspiel entstehen. Die umlaufenden Glasfassade erzeugt einen durchgängigen Horizont, über dem sich die opaken Flächen der darüberliegenden Außenwandbereiche feingliedrig und fast schwerelos als vertikale Holzlattung artikulieren. In diesem Zusammenhang sei auch die große Bearbeitungstiefe dieser Arbeit erwähnt. Aufbauend auf der Klarheit und Strenge des Gesamtentwurfs verspricht die materielle und konstruktive Vertiefung neben so zentralen Aspekten wie Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit auch eine hohe architektonische Qualität für den Fall einer Umsetzung.

Qualität der Erschließung / räumliche Organisation / funktionale Anforderungen

Trotz allen Lobes für die strukturelle Logik der Grundrissorganisation und die ebenso positiv besprochenen außenräumlichen Qualitäten der Gesamterschließung können die innenräumlichen und funktionalen Qualitäten der Eingangssituation des Neubaus das Preisgereicht nicht vollends überzeugen. Mehr Großzügigkeit, weniger symmetrische Strenge und eine räumliche Akzentuierung innerhalb des durchgängigen Erschließungs-gangs hätten hier geholfen.
Ergänzend sei erwähnt, dass die Einschnürung des östlichen Zugangs zum Schulhof innerhalb des Preisgerichts kontrovers diskutiert wurde. Ob die geplanten Abstände zwischen den Baukörpern der Funktion einer Feuerwehrzufahrt gerecht würden, wäre darüber hinaus zu prüfen. Leichte, mit großer Gewissheit „heilbare“ Defizite auf funktionaler Ebene müssen der Vollständigkeit halber noch angesprochen werden. Der große Abstand der Lehrküche zur Mensa vermag nicht zu überzeugen. Ebenso wird festgestellt, dass die Flächen der Aula und auch die des speziellen Lernbereichs nicht vollständig den Anforderungen entsprechen.
Mit dem Blick auf das große Ganze soll hier aber noch einmal festgehalten werden, welch hohe architektonische Qualität die Verfasser in der Auseinandersetzung mit dieser Aufgabenstellung haben entstehen lassen.