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Einstufiger, begrenzt offener städtebaulicher Ideenwettbewerb mit hochbaulichem und landschaftsarchitektonischem Realisierungsteil | 04/2008

"Weltquartier" Wilhelmsburg

Ankauf

KPW Papay Warncke Vagt Architekten PartG mbB

Architektur

gartenlabor landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau und Gestalt

Die Siedlung des „Weltquartiers“ wird geprägt durch die in weiten Teilen intakte Grund-struktur der Nord-Süd ausgerichteten Zeilenbauten aus Backstein. Das durchgängige Material, aber auch der Erhalt der vielen Originaldetails, trägt zu dem positiven Bild einer einheitlichen, historisch gewachsenen Gesamtgestalt bei, die einen hohen Identifikations-faktor erzeugt. Die von den Verfassern vorgeschlagenen notwendigen Sanierungs- und Ergänzungsmaßnahmen ordnen sich daher bewusst dieser Grundgestalt unter, um diese zu erhalten und zu stärken.

Unter dieser Prämisse sieht das Konzept den weit gehenden Erhalt der Bestandsbauten vor. Dies gilt sowohl für die westlich der Veringstraße gelegenen Baukörper als auch für den nördlichen Abschluss an der Neuhöfer Straße. Um hier jedoch eine dem Quartier ent-sprechende Auftaktsituation zu schaffen, werden Teile der nördlichsten Zeilenbauten zu-rückgebaut und durch neue \"Köpfe\" mit einer nach Norden gerichteten Ausrichtung er-setzt. Das Prinzip der Zeilen soll hier jedoch bewusst nicht verändert werden, da diese Typologie aus Sicht der Verfasser die Siedlung in besonderem Maße charakterisiert.

Die neuen Kopfbauten gliedern durch eine leichte Verdrehung auf subtile Weise die Zwi-schenräume der vier Zeilen in zwei unterschiedliche Freiraumzonen und geben den Häu-sern eine klarere zweiseitige Orientierung. Auf der einen Seite befindet sich der Straßen-raum mit seinen Haupterschließungen, der in der Grundgestalt nahezu unverändert er-halten bleiben soll. Auf der anderen Seite \"öffnen\" sich die Häuser durch eine neue vor-gelagerte Schicht, die als zusätzliche Wohnraum- und Terrassenschicht fungiert, dem jeweiligen Grün- bzw. Parkraum.

Durch diese klare Orientierung zum Grünraum entsteht eine stärkere Fokussierung zum gemeinsam genutzten Binnenraum. Dieser Parkraum wird durch eine in Schichten aufge-baute Struktur gegliedert, bei der eine deutliche Trennung der privaten und öffentlichen Freiräume entsteht. Der neuen Gebäudeschicht werden jeweils eine privat genutzte Ter-rassenschicht und davor eine privat genutzte Gartenschicht vorgelagert, die durch eine raumbildende Heckenbepflanzung eingefasst ist. Durch die spiegelbildliche Schichtung dieser privaten Freiräume entsteht in der Mitte des Grünraums die gemeinschaftlich ge-nutzte Gartenfläche mit den übergeordneten Fußwegverbindungen, die zum interaktiven Treffen der Bewohnerschaft einlädt.

Die beiden Freiraumzonen haben in der Mitte des Quartiers jeweils ihren Kulminations-punkt. Für den Erschließungsraum ist dies nach wie vor der Weimarer Platz, der von sei-ner Kleinteiligkeit befreit wird und in Anlehnung an italienische Plätze durch eine freie multifunktional bespielbare Fläche eine offene und großzügige Ausstrahlung erhält. Einzi-ges Gliederungselement ist eine lange geschwungene Sitzbank, die in der Mitte des Plat-zes zwischen der \"steinernen\" Freifläche und der \"weichen\" Spielfläche im nördlichen Be-reich verläuft. Dies ist der sonnige Treffpunkt für \"Kind und Kegel\", so dass hier die größ-te Lebendigkeit im Quartier entsteht.

Der Grünraum erhält auf nahezu gleicher Höhe ein grünes Pendant zum Weimarer Platz. Eingefasst von einem multifunktional nutzbaren Neubau für Gewerbe bzw. Wohnen ent-steht eine grüne Mitte, die durch eine treppenartige Topographie noch verstärkt wird. Dieser Ort versteht sich nicht als Konkurrenz zum Weimarer Platz, sonders als Ergänzung des Freiflächenangebotes. Hier lässt es sich im Grünen auf den Rasentreppen sitzen, sich ungestört unterhalten, oder dem Treiben im Park zuzusehen.

Durch eine Verlängerung der Bebauung an der Rotenhäuser Straße auf die Flucht des Neubaus entsteht im Süden einerseits ein geordneter räumlicher Abschluss zwischen der Zeilentypologie und dem gründerzeitlichen Blockrandfragment und andererseits eine tor-artige Situation für die Diagonale des Gert-Schwämmle-Wegs.

Auf diese Weise werden auch die Feuerwehr und die Reihenhausgruppe städtebaulich integriert und ein übergeordnetes städtebauliches Konzept als behutsame Stadtreparatur erkennbar. Kurzum, eine von West nach Ost strukturierte Schichtung von Zeilenbauten und differenzierten Freiräumen mit zwei mittigen \"Aufweitungen\" als Treff- und Orientie-rungspunkte für die Bewohnerschaft.


Gebäude- und Sanierungskonzept

Die Bestandsbauten werden analog zu dem Schichtkonzept der Freiräume auf differen-zierte Weise saniert bzw. ergänzt. Auf den Erschließungs- und Stirnseiten werden durch eine im Detail untersuchte Innendämmung (siehe bauphysikalisches Konzept) die Back-steinfassaden und die Dachlandschaft mit den kleinen Gauben in seiner Bestandsgestalt nicht verändert. Lediglich die Vorgärten und Erschließungswege erhalten eine Aufwer-tung. So behält die Siedlung seine Ausstrahlung als denkmalwürdiges Ensemble.

Auf der Garten- bzw. Parkseite erhalten die Gebäude durch eine zusätzliche Schicht mit Wohnraumerweiterungen und Terrassen dagegen ein neues \"Gesicht\" und eine offenere Ausstrahlung, ohne dass die Bestandsaußenwand in seiner Wahrnehmung verloren geht. Diese neue Gebäudeschicht ist als Holzrahmenkonstruktion vor die Bestandsbauten ge-stellt und beinhaltet einerseits Wohnraumerweiterungen als Kompensation für die Innen-dämmflächen, aber auch als erweitertes Wohnraumangebot, und zum anderen loggia-artige Terrassenbereiche für jede Wohnung.

Bei der Optimierung der Wohnungsgrundrisse verfolgen die Verfasser das Ziel, die Wohn-fläche der einzelnen Wohnungen und die Grundstruktur der 2- und 3-Spänner nicht we-sentlich zu verändern, um die Wohnungen in ihrer Fläche \"bezahlbar\" zu lassen. Vielmehr wird durch die Wohnraumerweiterung die Anzahl der Räume pro Wohnung auf nur ge-ringfügig erhöhter Wohnfläche vergrößert. So entstehen äußerst kompakte Vielraum-Wohnungen für Familien auf engstem, aber gut ausgenutztem Raum. Die Struktur der Wohnungswände bleibt dabei nahezu unberührt. Aber durch die Option einer Verlagerung der Kochstellen aus den Küchen in die als große Wohnküchen konzipierten Wohnzimmer werden einerseits zusätzliche Kinderzimmer \"gewonnen\" und anderseits das Wohnzim-mer als Zentrum der Kommunikation gestärkt. So entstehen aus Sicht der Verfasser äu-ßerst effiziente Wohnungen für Familien mit geringem Mietaufkommen. Darüber hinaus erhalten die Mieter durch die Erweiterungskonstruktion eine Qualitätssteigerung der Be-lichtung über bodentiefe Fenster und gut nutzbare Terrassenbereiche.

Die Dachwohnungen werden durch ein Maisonetteprinzip, bei dem der gesamte Dach-raum ausgenutzt wird, deutlich aufgewertet. Neben 4 Zimmern erhalten diese Wohnun-gen zudem eine Galerie vor einer sehr großzügigen Dachterrasse, die als begehbare \"Großgaube\" der unteren Ebene in das Dach eingeschnitten wird. Analog zu der Erweite-rungsschicht verkörpern diese Dachterrassen zusätzlich die Fokussierung und Öffnung der Gebäude zu dem Garten- und Parkraum.

Der Neubau im Süden wird als Erweiterung des Wohnungs- und Nutzungsangebots für das Weltquartier vorgeschlagen. Für die Verfasser stellt er sich als einzige wirklich reale Alternative für die \"gewachsene\" Gewerbestruktur dar. Eine bauliche Aufwertung für die jetzigen Nutzer würde die Mieten erhöhen und somit ebenfalls eine Verdrängung stattfin-den. Daher wird hier bewusst eine Qualitätserhöhung durch einen 4 - geschossigen Neu-bau für Kleingewerbe (Loftbüros, Ateliers, etc.) und familiengerechtes Wohnen vorge-schlagen.



Das Grundprinzip des Baukörpers besteht aus \"gestapelten\" Maisonette-Wohnungen, bei dem in den ersten beiden Geschossen \"eingeschobene\" Townhouses für Familien entste-hen, die eine reale Nutzungserweiterung für das Quartier darstellen. Im Zentrum des Baukörpers werden diese Reihenhäuser zu multifunktionalen Gewerbe- und Wohnlofts. Auf der unteren Ebene können Bürolofts, Ateliers und Kleingewerbe in unterschiedlichen Achsbreiten entstehen. Die obere Ebene könnte ggf. optional als Wohn- und Arbeitsebene eingefügt werden, so dass auch zweigeschossige Lofts entstehen können. Darüber befin-den sich ebenfalls Maisonettewohnungen mit Dachterrassen und eigenem Zugang über Kaskadentreppen ohne Gemeinschaftserschließungen und mit eigener Adressbildung.


Haustechnisches Konzept

Das haustechnische Konzept orientiert sich an den energetischen und klimapolitischen Zielen der IBA und der Freien und Hansestadt Hamburg. So erfolgt die Wärmeversorgung des Weltquartiers über den Energie-Bunker mit Photovoltaik und solarer Wärmeerzeu-gung, bzw. alternativ über ein Blockheizkraftwerk aus Kraft-Wärme-Kopplung zur Strom- und Wärmeerzeugung.

Über Nahwärmeleitungen ist der Energiebunker bzw. das BHKW mit Übergabestationen in den einzelnen Häusern des Weltquartiers verbunden. Die Brauchwassererwärmung er-folgt in jedem einzelnen Haus zentral. Die Beheizung der Wohnungen erfolgt in den Neu-bauten über eine Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung und in den Bestandsbauten über neue statische Heizkörper.

Die Belüftung der Wohnungen kann natürlich über Fenster erfolgen. Angestrebt wird je-doch die Option einer kontrollierten mechanischen Be- und Entlüftung (dezentrale Geräte mit Wärmerückgewinnung, jeweils in den Küchen oder Bädern angeordnet, beispielsweise mit den Dunstabzugshauben kombinierbar) und zentralen Schächten für die Zu- und Ab-luft über Dach. Auf diese Weise lassen sich einerseits die angestrebten KfW-Standards erreichen und anderseits unterstützt es das bauphysikalische Konzept im Hinblick auf den Komfort und den hygienischen Bedürfnissen. Im Hinblick auf die Akzeptanz des Nutzer-verhaltens gilt es diese Option jedoch weiter zu prüfen.