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Einladungswettbewerb | 02/2008

Realisierungswettbewerb Fallersleber-Tor-Brücke

3. Preis

KRP Architektur GmbH

Architektur

Locodrom Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Fallersleber-Tor-Brücke“ Ersatzneubau der Brücke über die Okerumflut

Stadträumliche Einordnung der Brücke Die Fallersleber-Tor-Brücke verbindet das historische Zentrum Braunschweigs mit der nord-östlichen Vorstadt, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts angelegt wurde. Sie ist Teil einer Platz- und Raumfolge, die den Stadtzugang markiert. Ein stadtauswärts gelegener Platz mit gegenüberliegenden Torhäusern führt auf die Brücke, die als Einschnürung und Zäsur den Übergang zur Stadt erlebbar macht. Stadteinwärts weitet sich der Raum wieder platzartig auf und leitet in eine Allee über. Baumpflanzungen betonen diese beabsichtigte Raumwirkung.
Von dieser historischen Anlage sind wesentliche Teile noch ablesbar und sollen mit den Neuplanungen gestärkt werden.
Der Grünzug Wallanlage bildet ein weiteres wichtiges Element, das den Ort charakterisiert. Die den Okerumflutgraben begleitenden Bäume haben teilweise beachtliche Dimensionen und stellen wichtige städtebauliche Dominanten dar.
Leitidee der Brücke Grundlage für den Entwurf der neuen Brücke war die genaue historische Analyse des Ortes, der städtebaulichen Notwendigkeiten und die Analyse der verschiedenen funktionalen Anbindungen und Erschließungen. Die Neugestaltung der Brücke setzt ein individuelles Zeichen mit hoher Signetwirkung. Dabei stören keine übertriebenen konstruktiven Gesten den Kontext der Stadt. Sie fügt sich wie selbstverständlich ein, ohne sich unterzuordnen und macht den historischen Stadtplan wieder erlebbar. Die Brücke wird als klassische Stadtbrücke, wie es sie in vielen europäischen Städten wie z. B. Paris und Dresden gibt, interpretiert. Sie schafft eine repräsentative Flussquerung und verbindet sich in ihrer Zeichenhaftigkeit mit dem speziellen Ort. Die Leitidee der Brücke entwickelte sich aus der Analyse der Vorgänger- und Nachbarbauten und der Landschaft. Der klassizistischen Orthogonalität des Stadtplans und der im schrägen Winkel kreuzende Fluss wird zusammen mit dem winkeligen Anschnitt der Brückenwiderlager und der orthogolalen Brückenüberführung zu einer neuen gestalterischen Aussage verknüpft.
Der Entwurf bezieht sich auf den Brückentypus der benachbarten Brücken über die Okerumflut und interpretiert ihn in einer zeitgemäßen Form neu.
Ebenso werden prägende gestalterische Elemente des Vorgängerbaus für die Ausbildung der Konstruktion einbezogen.
Elemente des Vorgängerbaus, die sich als charakteristisch erwiesen und neu interpretiert werden:
- Rippen als Tragwerk
- bastionsartigen Widerlager - Materialwechsel zwischen Widerlager und Tragwerk - akzentuierter Brückenzugang

Gestaltung der Freianlagen
Die freiraumplanerischen Maßnahmen im Stadtraum beziehen sich auf die Stärkung der historischen Raumwirkung. Den Bestand ergänzende und weiterführende Baumpflanzungen stärken das Gerüst des Straßenraumes und betonen die straßen- und stadträumliche Verengung der Brücke.
Die gewünschte Verbindung der beiden Teilbereiche des botanischen Gartens wird durch den Uferbegleitenden Weg unterhalb der Brücke gewährleistet. Er schmiegt sich in unterschiedlichen Breiten an die Böschung, reduziert die notwendigen Eingriffe in die Böschung und den Baumbestand. Beidseitige Treppenanlagen auf der Ostseite der Brücke gewährleisten eine Anbindung des Uferweges an beide Straßenseiten.
Gestaltung der Brücke Ausgehend von dem Leitgedanken der „Neuinterpretation und Verknüpfung mit der Landschaft“ erhält die Bücke eine flach geführte Rahmenkonstruktion, die als flacher Bogen in Anlehnung an die bestehenden und historischen Brücken über den Umflutgraben ausgebildet ist.
Die historischen Raumkanten werden durch Auftaktmaste und Widerlagerwände definiert.
Die Treppenanlagen am östlichen Platz schaffen eine zusätzliche räumliche Markierung der platzartigen Situation bei den Torhäusern und verknüpfen ihn mit der Landschaft. Der westliche Brückenkopf wird seiner städtebaulichen Bedeutung gemäß, er bildet keinen Platz, ohne Treppenanlage ausgeführt.
Die im Laufe der städtebaulichen Entwicklung veränderte Führung der Okerumflut, in den ursprünglichen Planungen stößt sie orthogonal auf die Brücke, ist im Laufe der weiteren städtebaulichen Veränderungen der Stadt zu einem schrägwinkligen Verlauf verändert worden.
Der Entwurf respektiert diese Entwicklung und thematisiert sie. Das Deck der Brücke resultiert aus dem klassizistischen Städtebau, die Unterbauten folgen dem Flussverlauf. Hieraus resultiert eine spannende geometrische Verknüpfung zweier Systeme. Die räumliche Konsequenz bietet für den Nutzer der Uferwege ein eindrucksvolles Spiel mit perspektivischen Effekten und fügt das Bauwerk harmonisch in den Landschaftsraum.
Die Rippen der Brückenkonstruktion folgen der Stirnseite der Widerlager, die sich infolge der Geometrie verwindet. Sie wenden sich demzufolge auf der einen Seite dem Betrachter zu, während sie sich auf der Gegenüberliegenden dem Blick entziehen.
Die Widerlager sind kontrastierend zu der schlanken Brückenkonstruktion als massive Stahlbetonkonstruktion ausgebildet, die sich mit den Auftaktmasten zu einer Figur zusammenziehen.
Die Oberfläche ist durch die horizontale Struktur der Leistenschalung gegliedert. Als Material ist Sichtbeton mit Sandsteinmehl eingefärbt vorgesehen. Hierdurch wird ein warmer an historische Fassaden angelehnter Farbton erzeugt. In Teilbereichen der Widerlagerwand wird die Oberfläche handwerklich nachbearbeitet und gestockt.
Das Geländer ist ganz auf eine transparente Wirkung reduziert und besteht aus leicht konisch geformten Pfosten im Abstand von 12 cm. Der Handlauf ist zum Aufstützen verbreitert und beinhaltet die Ausleuchtung des Randbereiches der Brücke.

Die Nachtwirkung stellt einen wesentlichen Punkt der Gestaltung dar.
Das Lichtband im Handlauf und die Beleuchtung unterhalb der Brücke bilden ein Lichtband welches den besonderen Charakter der Brücke bei Nacht unterstreicht.
Die Zweckbeleuchtung auf der Brücke ist mittig angeordnet und wird durch abgehängte Leuchten gewährleistet.
Unterhalb der Brücke, zwischen den Rippen, ist eine diffuse, farblich leicht akzentuierte Lichtstimmung vorgesehen, die mittels Kompaktleuchtstofflampen mit einem gelben Lichtspektrum erzeugt wird. Für die Fernsicht wird sie einen geheimnisvollen Aspekt in die Ansicht bringen und einen besonderen Ort markieren.

Statische Daten und Tragwerk
Daten
Länge in Brückenachse: 32,75 m
Lichte Weite in Brückenachse: 25,00 m (im Fußpunkt)
Nutzbreite: 17,30 m
Bauhöhe: 0,60 - 1,80 m
Gradiente: unverändert zum Bestand

Konstruktion
Das architektonisch-städtebauliche Konzept des Bauwerks wird in der Konstruktion weitergeführt – Brücke und Unterbau mit Widerlagern bilden eine monolithische, fugenlose Stahlbetonkonstruktion. Das Tragwerk der Brücke ist, in Anlehnung an die vorhandene Konstruktion von Möller, eine Reihung schmaler Stahlbetonrippen. Die Brückenrippenplatte geht ohne Fugen in die Widerlager über, und bildet eine Rahmenkonstruktion mit einer Spannweite von ca. 30m. Die Brücke wird auf Pfähle gegründet.



Brückentragwerk und -querschnitt
Der Brückenquerschnitt wurde mit dem Ziel eine möglichst niedrige Laufplattenhöhe über der Mitte des Lichtraumprofils zu erreichen, entwickelt. Die mit 40cm relativ schmalen Rippen werden in engem Abstand von 1,60m angeordnet, und zur Einspannstelle am Rahmeneck stark angevoutet, um ausreichende Steifigkeit zu bieten, um die Verformungen bei Befahrung durch die Straßenbahn gering zu halten. Die Rahmenstiele sind asymmetrisch, da die Stiele am Fußpunkt den schrägen Flusslauf aufnehmen, und dadurch alle unterschiedlich geneigt sind.
Die Brücke und Widerlager werden in Ortbetonbauweise hergestellt, um die Vorzüge der monolithischen Stahlbetonbauweise - Durchlaufwirkungen und Entfall von Lager – in Bezug auf Steifigkeit und Wartungsfreiheit ausnutzen zu können. Die Es werden keine Fahrbahnübergänge vorgesehen.
Die vorgesehenen Leitungen werden zwischen den Rippen unter der Deckenplatte geführt, und sind daher vom Raum unter der Brücke zugänglich.

Gründung
In der Auslobungsunterlage zum Wettbewerb sind ein Bodengutachten und eine Konzeptplanung für verschiedene Gründungsvarianten auf der Basis eines Einfeldsystems enthalten. Ausreichend tragfähige Bodenschichten befinden sich erst ab einer Tiefe von 16m ab Geländeoberkante.
Für den vorhandenen Entwurf ist eine große Steifigkeit der Auflager zur Aufnahme der Horizontalkräfte aus dem Rahmentragwerk erforderlich. Es werden Schrägpfähle angeordnet, um die Horizontalkräfte mit geringen Verformungen in den Baugrund abzuleiten. Aufgrund der sich in der Nähe befindlichen Bauwerke wird eine Bohrpfahlgründung gegenüber Rammpfähle bevorzugt. Für die Vordimensionierung wurde von Großbohrpfählen, Durchmesser 1m ausgegangen.

Gesamttragverhalten
Das Gesamttragverhalten der Brücke ist durch das mehrfach statisch unbestimmte System und die große Steifigkeit des eingespannten Rahmens günstig. Die statische Verformung durch Straßenbahnlasten liegt bei L/2000 (elastisch gerechnet, also in der Größenordnung von L/1000 am gerissenen Querschnitt).
Die Brücke ist fugenlos konzipiert. Die durch Temperatureinwirkungen verursachten Spannungen bleiben allerdings aufgrund der weichen seitlichen Lagerung der Pfähle und der relativ kurzen Längen klein.

Montage
Nach Herstellung der Bohrpfähle wird die gesamte Brückenkonstruktion aus Ortbeton hergestellt. Auf die Pfahlkopfplatte können die im Widerlager befindlichen Schotte hergestellt werden. Die Rahmenrippen (ggf. mit Schraubmuffen an die Schotte angeschlossen) können einzeln eingeschalt und mit der gleichen Schalung hergestellt werden. Da die Oker nicht schiffbar und die Durchgangshöhe ausreichend groß ist, wird die Einrüstung und Schalung unproblematisch. Die durchgehende Brückenplatte verbindet alle Bauteile und steift die Rippen seitlich aus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Stadtraum Fallersleber Tor wird auf kaum merkliche Weise durch Widerla-gerbauwerke und historische Auftaktmaste akzentuiert. Eine weitergehende Rhythmisierung des breiten Straßenraumes sieht der Verfasser weder in der Längs- noch in der Querrichtung vor. Breitgelagerte Treppenabgänge führen entlang der östlichen Brückenwiderlager und begleiten den öffentlichen Raum im Bereich der historischen Torhäuser. Die gewählte Einschnürung der Brücke aus der Fußgängerperspektive ist kaum erlebbar.
Die neu geschaffene Uferpromenade eröffnet gute Raumqualitäten, die durch variierende Aufweitungen und Wegebreiten gesteigert werden. Angebunden wird die Promenade über allzu großzügig ausgelegte Treppen an den öffentli-chen Straßenraum. Die gewählte räumliche Ausformung begrenzt die Eingriffe in die Baumsubstanz.
Der Verfasser hat das Brückenprofil und die Widerlager gut und selbstverständ-lich in das Flussbett eingefügt und damit ein angemessenes Zeichen großer Zurückhaltung formuliert.
Die flach geführte Rahmen-Rippen-Konstruktion löst die Gestaltungsaufgabe auf bewährte und konventionelle Weise. Erkennbar greift der Verfasser prä-gende Elemente der bestehenden Brücke auf und interpretiert sie auf eine schlichte Weise neu.