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Einladungswettbewerb | 02/2008

Renovierung des Innenraumes der Kirche St. Georg

Lageplan / Konzeption

Lageplan / Konzeption

1. Preis

Peter W. Schmidt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

RENOVIERUNG DES INNENRAUMES DER KIRCHE ST. GEORG STUTTGART




1) Vorplatz und Portal

Die Kirche St. Georg soll als einladender Ort im Herzen seiner Gemeinde stehen. Der neue Vorplatz im Westen repräsentiert den Übergang vom städtischen Leben zum liturgischen Ort der Kirche.

Es entsteht als Gegenpol zum Vorplatz an der Heilbronner Straße ein ruhiger zurückgezogener Ort, der vor und nach dem Gottesdienst zu Begegnungen und Gesprächen anregt, aber auch für besondere Festlichkeiten geeignet ist. Die schon von morgendlicher Sonne beschienenen Bänke laden zum Verweilen ein. Neben der Treppe fügt sich eine Rampe in die Begrenzungsmauer ein.
Die neue Eingangssituation steht dem Ostportal symmetrisch gegenüber. Das Bild der „Offenen Kirche“ wird durch die neuen Blickachsen gestärkt. Der neue Zugang als Sichtbetonkörper mit Cortenstahltüren und der umlaufenden Glasfuge ist eindeutig als Ergänzung zum originalen Bauwerk ablesbar. Es wird das Aggiornamento, das „Heutigwerden“ der Kirche, spürbar. Darüber hinaus stärkt die neue Eingangssituation die symmetrische Komposition des Sakralraumes. Anstelle des alten Windfanges entsteht ein ständig zugänglicher Gebetsraum.


2) Liturgie und Raumbezüge

Die Ergänzungen und Neuordnungen im Innenraum von St. Georg verstärken die Bedeutung und Form des liturgischen Raumes in selbstbewusster Einfachheit. Sie entsprechen dem Reichtum der christlichen Tradition, der Schlichtheit der Erbauungszeit und den Ansprüchen an die heutige Vielfalt des Gemeindelebens.

Zwischen den beiden Portalen befindet sich eine Abfolge von Gebetsnischen mit den Heiligenfiguren und der Ort für das Bußsakrament. Im Mittelschiff stehen die neuen Bänke mit Ausrichtung zum vorgezogenen Altarbereich. Der hell beschienene Raum des ehemaligen Altarpodestes wird mit neuen Sitzmöbeln für Werktags- und Meditationsgottesdienste genutzt. Der sakrale Raum erscheint somit als gegliederte Einheit.Die Anordnung der liturgischen Orte orientiert sich an dem Ablauf des Gottesdienstes.
Die Glaubensgemeinschaft und ihr Vorsteher rücken durch das Vorziehen von Altar und Ambo näher zueinander. Der mit 2 flachen Stufen hervorgehobene Bereich verstärkt das Zusammenspiel der Gemeinde und lässt die Mitglieder der Gemeinschaft Erlebnisse wie Kommunion und Taufe unmittelbarer erfahren.
Der Kindergottesdienst wird fortan in der ehemaligen Taufkapelle abgehalten. Die Türen werden Schall- und Blickdicht aufgerüstet, so dass eine Gleichzeitigkeit mit dem regulären Gottesdienst möglich ist.
Die neue Ministrantensakristei befindet sich unter der Priestersakristei und ist mit dieser über eine Treppe verbunden. Ein zweiter Zugang befindet sich am Vorplatz. Der Pfarrer Scharrenberger Raum wandert in die prominente Lage der Belle Etage direkt neben die Apsis.



3) Raumwirkung

Der Sakralraum wird durch die Erneuerung der Materialien und die Reduktion auf seine klare Form geschärft und in seiner Erhabenheit erlebbar. Die hinzugefügten Elemente ergänzen den Innenraum in zurückhaltender Form und geben so dem Erleben des Mysteriums würdevoll Raum. Durch die neue Eingangssituation wird das Zusammenkommen und die Kommunikation der Gemeindemitglieder gestärkt.

Die Ergänzung durch das zweite Portal reagiert auf die vorliegende städtebauliche Situation. Das Ankommen in der Kirche repräsentiert nun auf beiden Seiten in angemessener Weise die Schnittstelle zwischen weltlichem und geistlichem Ort. Die Raumabfolge vom ruhigen hinteren Kirchplatz durch das rückwärtige Kirchenschiff über die Treppenanlage und den Vorplatz an der Heilbronner Straße zum Gemeindesaal ermöglicht eine Durchwegung, die ein lebendiges Gemeindeleben anregt und das Thema der Wegekirche weiterführt.
Vom eingestellten Portal öffnen sich Blickbeziehungen zwischen den Eingangsbereichen und durch das gegenüber liegende Portal hinaus in den Freiraum. Im Licht trifft man aufeinander, um sich zur gottesdienstlichen Versammlung einzufinden.
Die ehemaligen Ambonen mit ihren Mosaiken zieren als Spuren der Geschichte den ansonsten sehr ruhigen Raum. Chöre und Bands können auf dem Podest oder den hinteren Stufen zwischen diesen ihren Platz einnehmen.


4) Licht und Raum

Das Spiel der sorgfältig erdachten Geometrien unter dem Licht soll wieder das prägende Element im Erleben des Sakralraumes von St. Georg sein.

Dem weißen Putz sind Quarzsplitter beigemischt, so dass die Wände je nach Lichteinfall unterschiedlich hell schimmern. Dem leichten lichtdurchfluteten Raum stellt der hellgraue geschliffene Betonestrich mit Splitzuschlag einen erdenden Pol gegenüber. In diesem befindet sich die Fußbodenheizung, die mit einem hohen Effizienzgrand und geringer Aufheizzeit zur Behaglichkeit beiträgt.
Der dunklen Holzdecke wird eine durchgängige weiße Decke mit umlaufender Lichtfuge vorgesetzt. Die alten Lüftungsfenster über den Bögen werden wieder freigelegt. Neben dem positiven Effekt für das Regulieren des Raumklimas werfen diese am Tage kleine Lichtkegel auf die helle Decke. Das Kunstlicht im Innenraum greift das Motiv der ursprünglich an den Streben der Bögen vorhandenen Kerzen auf. In einem langen Stab sind Leuchtmittel und Akustikanlage zusammengefasst. Entlang der Pfeiler und in den Gebetsnischen erhellen diese wie Wandkerzen stimmungsvoll den Raum.
Das neue Kirchengestühl aus gekalkter Eiche ist in Form von Bänken im Gedanken eines Moduls konzipiert, um in Abstimmung besonderer Situationen und Nutzungsanforderungen raumbildend gestellt werden zu können.


PETER W. SCHMIDT ARCHITEKT BDA

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf nimmt die strenge geometrische Klarheit der Anlage auf und stärkt sie. An der Westseite wird ein Platz geschaffen, der die aktuelle Zugänglichkeit neu adäquat ermöglicht, dabei nimmt er geschickt den Dialog mit der “offiziellen Zugangsseite“ im Osten auf ohne ihm zu konkurrenzierten: Das Entwurfskonzept geht vom Bestand aus: Der vorhandene Grundriss wird “neu möbliert“:
Der neue Eingang ist als möbelartiges Element in einer angemessenen, zurückhaltenden Architektursprache eingeschoben. Unter Beibehaltung der bestehenden Chorstufen wird der Altarbereich additiv
und reversibel ins Langhaus vorgeschoben und verlängert.
Fast alle notwendigen baulichen Maßnahmen können reversibel erfolgen. Geschickt sind die Nutzungen „Werktags- und Festtagsgottesdienste“ im neuen Altarbereich kombiniert.
Die neue Belegung der Taufkapelle als Kinderkirche überzeugt jedoch funktional und räumlich nicht. Die expressionistische Kapelle sollte nicht gänzlich vom Kirchenraum getrennt werden. Der Vorschlag einer zweigeschossigen Sakristei ist überdimensioniert bzw. greift in die Gemeinderäume ein. Der Andachts- und Gedenkbereich im Chorbereich wirkt zufällig, es fehlt der Mut diesen Bereich nach der Verlagerung bewusst leer zu lassen. Die bemängelten Nutzungen könnten aber in
Rücksprache nach dem Prinzip der Möblierung optimiert werden.
Was in der architektonischen Konzeption überzeugt, muss in der architektonischen Materialisierung bemängelt werden. Die Ursprungskirche lebt von Material- und Farbkontrast. Die Stimmigkeit des innenräumlichen Materialkonzepts steht im Gegensatz zur historischen Ausstattung. Der Vorschlag der Harmonisierung durch helle Oberflächen (z.B. eingehängte Lichtdecke und gekalkte Eichenbänke) überzeugen nicht. Der Entwurf knüpft geschickt an Hugo Schlössers konzeptionell klare und strenge Anlage und Architektur an. Reagiert mit einer durchgängigen angemessenen Konzeption und Architektursprache auf die expressionistische sachliche Architektur. Dabei wird der Bestand in weiten Zügen gewahrt und einer ökonomisch, funktionell adäquat neuen Nutzung zugeführt. Allerdings müssen einzelne Funktionszuweisungen und die Materialwahl überarbeitet werden, was auf der guten konzeptionellen Basis im Dialog möglich ist.
Grundrisse

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Schnitte

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Ansichten

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