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Ideenwettbewerb mit städtebaulichem Realisierungsteil nach RPW 2013 | 05/2022

Neubebauung Post-/VoBa-Areal in Sindelfingen

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

BeL Sozietät für Architektur

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Molestina Architekten + Stadtplaner GmbH

Stadtplanung / Städtebau

studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept 

Klimagerechter Städtebau sollte im Spannungsfeld zwischen hoher, baulicher Dichte und 

städtebaulicher Auflockerung mittels klimatisch wirksamer Vegetationsräume sinnvolle Kompromisse 

stiften. Eine intensive Ausnutzung städtischer Infrastrukturen durch flächenschonende, kompakte 

Bauweisen steht Bedürfnissen zur Absenkung von sommerlichen Höchsttemperaturen, zur Produktion 

von Sauerstoff, zur Schaffung von Biotopen und zur Versickerung von Oberflächenwasser gegenüber.  

Das Post-/VoBa-Areal als zentraler Stadtbaustein Sindelfingens und Eingang zur historischen 

Innenstadt stellt darüber hinaus höchste Ansprüche an die sozialräumlichen Qualitäten des Ortes. 

Hier treffen wichtige fußläufige Verbindungen zwischen Bahnhof, Marktplatz, Wettbachplatz, Rathaus, 

Garten- und Mercedesstraße aufeinander, ÖPNV, MIV und Radverkehr tangieren das Areal auf der 

Gartenstraße. Ein so gut erschlossener Ort bietet günstige Bedingungen für stadträumliche 

Aneignung, eine Vielzahl von Aktivitäten jenseits des Transits, Aktivitäten des Aufenthalts, sind hier 

sehr erwünscht.  

Das Kultur- und Bürger*innenzentrum als Teil des Raumprogramms verlangt nach einer 

selbstverständlichen Präsenz im öffentlichen Raum, man sollte nicht nur intuitiv zu diesem großen, 

öffentlichen Gebäude gelangen und sich angenehm im öffentlichen Raum davor aufhalten, sondern 

auch dessen große gesellschaftliche Bedeutung in baulicher Form deutlich spüren. 

Das Für und Wider dieser zum Teil gegensätzlichen Aspekte zwischen ökologischer und sozialer 

Nachhaltigkeit führt zu einem verblüffend einfachen städtebaulichen Diagramm, das nicht nur in der 

Lage ist die vorliegenden Widersprüche zu vereinen, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von 

Synergien herstellt. 


Diagrammatisch beschrieben bündeln wir das gesamte Bauvolumen des Raumprogramms in einem 

straßenbegleitenden Solitär, heben ihn an und erhalten damit einen zusammenhängenden, 

durchlässigen Grünraum über alle angrenzenden Straßen hinweg. 

Das minimiert den Versiegelungsgrad und maximiert potentielle Flächen für Vegetation und soziale 

Interaktion. Wir erhalten ein 38,5m hohes und 25,4m tiefes, funktional hybrides Gebäudevolumen in 

Längsausrichtung entlang der Mercedesstraße. Das Gebäude ist gen Mercedesstraße zurückgesetzt, 

an der Gartenstraße tangiert es die Grundstücksgrenze, an der Poststraße hält es unter Wahrung der 

nachbarschaftlichen Belange maximalen Abstand zur gegenüberliegenden Bebauung. Richtung 

Unterer Torgasse entsteht ein neuer, großzügiger Grünraum. Als Hochpunkt ist das Gebäude durch 

seine präzise Positionierung von jeder Seite klar wahrnehmbar, ohne dass es Konflikte mit den 

gegenüberliegenden Bebauungen auslöst. Vielmehr stiftet es neue städtebauliche Zusammenhänge 

und verleiht seiner öffentlichen Bestimmung Ausdruck. 


Dem 5,8m hohen Erdgeschoss des 11-geschossigen Baukörpers kommt dabei eine besondere 

Bedeutung zu, sein baulicher Fußabdruck ist minimiert und seine Höhe ist maximiert, um 

Durchlässigkeit in alle Richtungen zu gewähren. Jede Seite bildet besondere Teilräume, so liegt die 

ruhige Eingangshalle der Wohnungen an der Poststraße mit der Eingangstür zur Mercedesstraße. Die 

Mercedesstraße wird von einer Kolonnade mit begleitenden Bäumen gesäumt, hier können Tische 

des Cafés des Kultur- und Bürger*innenzentrums in der Morgensonne platziert werden. Dieser Raum 

leitet nach Süden in die Stadtloggia über, das Gebäude kragt hier mit der Schräge der ansteigenden 

Bestuhlung des Bürger*innensaals im 1. Hauptgeschoss 9,6m nach Süden aus und spannt damit 

einen öffentlichen, überdachten Außenraum auf, der neben seiner Funktion als Eingangsbereich des 

Kultur- und Bürger*innenzentrums ganz im Sinne einer städtischen Loggia für kulturelle und 

gesellschaftliche Aktivitäten zur Verfügung steht. Dieser Raum vermittelt zwischen dem 

Kreuzungsraum von Mercedes- und Gartenstraße und dem öffentlichen Grünraum zwischen Gebäude 

und Unterer Torgasse. 


Das gesamte Areal liegt im Zentrum eines „shared space“, der durch die umgebenen Straßen 

Mercedesstraße/Gartenstraße/Untere Torgasse und Poststraße gebildet wird. Die Grenzen dieses 

städtischen Raumes sind fließend, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen genießen absolute Priorität, 

die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge ist auf ein Minimum reduziert. 


Architektonisches Konzept

Als hybrides Gebäude organisiert sich das Haus im Schnitt, es folgt dem Prinzip eines neutralen 

Skeletts, dass sich veränderten Nutzungsprofilen leicht anpassen kann. Dazu besitzt es eine in der 

Gebäudetiefe weit spannende Grundstruktur aus vier Doppelgeschossen, die nach Bedarf mit 

Zwischengeschossen aufgeteilt werden können. Neben diesen konfigurierbaren Regelgeschossen 

sind Untergeschoss, Erdgeschoss und Dachgeschoss spezifisch ausgebildet. Das Untergeschoss 

dient der Unterbringung von motorisierten und nicht motorisierten Fahrzeugen, es ist über eine Rampe 

im Westen von der Unteren Torgasse erschlossen. Das Erdgeschoss umfasst die Eingangshalle der 

Wohnnutzungen samt Kinderwagenraum sowie vor allem den Eingangsbereich des Kultur- und 

Bürger*innenzentrums; sein Café öffnet sich in drei Richtungen und lädt zum Besuch des Zentrums 

ein. 


Die vertikale Erschließung des Gebäudes besteht aus zwei als bauliche Rettungswege ausgebildeten, 

ineinander verschränkten, geschlossenen Treppenhäusern, einem separaten Treppenhaus, das die 

öffentlichen zwei Hauptgeschosse des Kultur- und Bürger*innenzentrums erschließt sowie zwei 

Aufzügen, wovon einer Personen- und Feuerwehraufzug für die Wohn- und Arbeitsgeschosse, der 

zweite ein großer Personen- und Lastenaufzug ausschließlich für das Kultur- und 

Bürger*innenzentrum ist.  

Im Erdgeschoss sowie dem 1. bis 2. Hauptgeschoß befindet sich das Kultur- und 

Bürger*innenzentrum. Es ist über alle drei Hauptgeschosse in einen offenen, öffentlichen Bereich 

nach Süden und einen geschlossenen Bereich nach Norden zoniert. Während der große 

Veranstaltungssaal im 1. Hauptgeschoss eine ansteigende Bestuhlung besitzt, ist der 

Multifunktionssaal darüber eben. In den weiteren Obergeschossen können Wohn- und/oder 

Arbeitsgeschosse frei konfiguriert werden. Für das vorliegende Raumprogramm haben wir ein 

Zwischengeschoss als Co-Workingzone vorgesehen, ein Zwischengeschoss als eingeschossige 

Wohnungen und ein Hauptgeschoss als Maisonettetypen.  

Gekrönt wird das Gebäude von einem Dachgeschoss mit zarter Sheddachkonstruktion aus einer nach 

Süden gerichteten PV-Anlage und verglasten Nordseiten, welches sowohl für die Benutzer*innen des 

Kultur- und Bürger*innenzentrums als auch den Bewohner*innen des Hauses offen steht. Hier können 

unterschiedliche Vegetationsformen klimatisch untergebracht werden, neben ausschließlich der 

Erbauung dienenden Pflanzen kann auch produktive Gartenwirtschaft in Hochbeeten betrieben 

werden. Weitere Nutzungen sind eine Elterninitiative, eine Bar, sowie Spiel- und Sportflächen. 

 

Baukonstruktion  

Im Rahmen des städtebaulichen Entwurfs und angesichts der zurzeit durch Lieferengpässe und 

Preissteigerungen geprägten Produktionsbedingungen kann man keine verbindlichen Angaben zur 

Konstruktion des Gebäudes machen, sondern nur eine Absicht formulieren. In Anbetracht seiner 

Klassifizierung als Hochhaus und Sonderbau wird ein konstruktives Skelett aus Stahlbeton das Bauen 

erleichtern und eine dauerhafte Standzeit gewähren. Der Grad der Hybridisierung mit einer 

Holzkonstruktion kann sich neben allen nicht-tragenden Teilen auch auf die Ausbildung der Decken 

erstrecken. Die Fassaden sind als Glasvorhangfassaden mit außenliegender Verschattung 

vorgesehen. 


Freiraum 

Durch die kompakte Bauweise wird mitten in Sindelfingen ein einzigartiger neuer innerstädtischer 

Freiraum geschaffen, ein multifunktionaler grüner Stadtraum. Durch die geringe bauliche 

Inanspruchnahme von wertvollem unversiegeltem Grund und Boden wird ein für Singelfingen neuer 

Freiraumtypus in der Innenstadt entwickelt. 


Der Freiraum wird weitestgehend als Rasen- und Wiesenfläche naturbelassen. Darüber herrscht ein 

üppiger neuer Baumbestand aus verschiedensten Baumarten mit intensiver Blüte und Herbstfärbung. 

Alle Bäume werden auf ca. 3.50 – 4.00 m aufgeastet, so dass sich ein geschützter, zugleich aber 

übersichtlicher und heiterer Raum darunter entwickeln kann.  

Die Baumarten wie Sumpfeichen, japanischer Schnurbaum, Amberbaum, Tulpenbaum, Zellkove und 

Lederhülsenbaum entsprechen den derzeitigen Erkenntnissen zum Klimawandel.  

Die darunterliegende Rasen- und Wiesenfläche ist nicht nur eine große Spielfläche, sondern lädt auch 

zum Verweilen ein und entspricht den Wünschen einer Stadtgesellschaft an einen modernen 

innerstädtischen Freiraum. Durch leichte Höhenmodellierungen entsteht zusätzlicher Retentionsraum 

bei Starkregenereignissen. Sämtliches anfallendes Regenwasser wird auf dem Grundstück örtlich 

versickert. Eingebettet liegen kleine, runde Sitzgelegenheiten und Spielpunkte für jung und alt. 


Wege aus ungebundener Decke verbinden wie selbstverständlich das Kultur- und 

Bürger*innenzentrum mit dem umgebenen Freiräumen. 


Die notwendige Beleuchtung wird mittels punktförmiger Lichtstelen zwischen den Bäumen hergestellt. 

Dabei werden nicht nur die Wege beleuchtet, sondern diffus auch die Baumkronen. Aspekte der 

Insektenfreundlichkeit finden bei der Beleuchtung eine besondere Berücksichtigung. 


Die Gartenstraße wird mit zusätzlichen Baumreihen sinnvoll ergänzt. Zusammen mit dem 

Kreuzungsbereich der Mercedesstraße wird das klassische Straßenraumprofil verlassen und zu einer 

„shared space“ Fläche weiterentwickelt. Dazu werden die asphaltierten Bereiche entfernt und im 

gesamten Bereich mit einem Natursteinbelag einheitlich befestigt. 


Sämtliche Materialien werden nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit verwendet. 

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überrascht mit der Setzung eines einzigen dafür umso großformatigen Baukörpers. Die städtebauliche Wirkung ist dabei klug gewählt. Der schwachen westlichen Bauflucht der Mercedesstraße wird ein selbstbewusster Abschluss gegeben und der bisher experimentell-situative Freiraum des Post-/VoBa-Areals erhält eine neue innerstädtische Freiraumqualität. Entsprechend der städtebaulichen Aufgabenstellung entspricht die Gestaltung noch nicht der Qualität einer Freiraumplanung. Das Ziel einer urbanen, grünen, gut überblickbaren Fläche wird mit dem hoch aufgelasteten Stadtwald Rechnung getragen.


Der Entwurf zeigt auf diesen beiden Ebenen in die Zukunft. Der unversiegelte großzügige Freiraum bietet die Qualitäten, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel erwartet werden müssen. Die Abmilderung der Gefahren von Starkregenereignissen über großflächige Versickerung genauso wie Kompensation von Hitzeperioden über die Bäume. Die intensive Begrünung steht im wohltuenden Kontrast zum steinernen Markt- und Wettbachplatz und kann so zur innerstädtischen Nutzungsvielfalt beitragen. 


Dass die TG-Abfahrt in diesem Zusammenhang insbesondere aufgrund der Lage nicht überzeugen kann, ist eine kleine Anmerkung. Auch eine Einbeziehung der Unteren Torstraße und der Poststraße in das Freiraumkonzept hätte das zukunftsweisende städtebauliche Freiraumkonzept noch weiter stärken können. In diesem Zusammenhang wird kontrovers über die gestalterischen Absichten des Freiraums diskutiert.  


Flächensparende und kompakte Baukörper mit einem der geringsten Footprint im Vergleich zu den anderen Arbeiten, dafür aber genau im Mittelfeld liegenden Geschossfläche machen den Entwurf sowohl wirtschaftlich als auch klimatisch nachhaltig. Die konzeptionelle Durcharbeitung des 11-geschossigen, 25 mal 38 Meter großen Solitärs kann genauso überzeugen wie die Anordnung der übereinander vorgeschlagenen Schichtung der Nutzungen. Es ist richtig, dass die Verfasser dem Kultur- und Bürger:innenzentrum eine öffentliche Präsenz wünschen. Es erscheint auch folgerichtig, dass das erdgeschossige Foyer mit Café möglichst offen und fließend zum Außenraum situiert ist. Kritisch wird von Teilen der Eingang gesehen, da er tief im Baufeld liegt. Es wird verstanden, dass die ansteigende Auskragung dieses Manko zu mindern weiß. Allerdings geht diese Geste zu Lasten einer Flexibilität des darüberliegenden Veranstaltungssaals. Auch der Übergang zu Mercedesstraße ist in der Ausgestaltung des Freiraumes leider unentschieden. Die Freischankfläche des Cafés wird nicht die Kraft einer Belebung des Straßenraumes entwickeln können. Nach Norden könnte das Volumen zu mächtig erscheinen. 


Auch wenn Wohnnutzung in die Tiefe des Baukörpers einige Herausforderungen mit sich bringt, die Verfasser:innen schlagen einen interessanten Weg über einen zentralen Erschließungsraum und Ost-West-Orientierung vor. Die oberste Ebene wird mit solarzellenbestückten Sheds und darunterliegender vielseitig nutzbarer Dachfläche gestaltet. Die Konstruktion, ein Skelettbau ist einfach und wurde bewusst in Hinblick auf Flexibilität gewählt. Im Rahmen der städtebaulichen Aufgabe wird zudem auf die Möglichkeit des Holzbaus für nichttragende Bauteile hingewiesen. 


Insgesamt stellt der Entwurf einen richtungsweisenden und ambitionierten Vorschlag dar, der auf vielen Ebenen Antworten auf die klimatischen und sozialen Fragen der Zukunft stellt. Lediglich im Erdgeschoss, insbesondere zur Mercedesstraße bleibt der Vorschlag eine Antwort auf die gewünschten belebenden gewerblichen Nutzungen schuldig. Der hybride vielschichtige Baukörper zeigt architektonische Ambitionen und hätte mit seinen großzügigen Grünflächen die Kraft einen starken in die Zukunft gewandten Beitrag zur Identifikation der Bürger mit ihrer Innenstadt zu leisten.