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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2009

Neubau des NS-Dokumentationszentrums an der Brienner Straße

Modell

Modell

1. Preis

GEORG • SCHEEL • WETZEL ARCHITEKTEN GmbH

Architektur

Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mit dem NS-Dokumentationszentrum auf dem Grundstück der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP wird fragmenthaft an die frühere städtebauliche Situation zwischen Königsplatz und Karolinenplatz angeknüpft, ohne jedoch die einst symmetrische Gewichtung von Baukörpern beiderseits der Brienner Straße wieder aufleben zu lassen. Im Gegenteil: die Wiederbebauung des Grundstücks des „braunen Hauses“ wird einen asymmetrischen Akzent innerhalb der axialen Platzkonfiguration setzen und somit ihr Ziel erreichen, sich von der bestehenden Topographie abzulösen, die immer noch vom Stempel geprägt ist, den die Nationalsozialisten diesem Ort durch ihre Umbauten aufdrückten. Das NS-Dokumentationszentrum kann somit gleichsam zu einem neuen öffentlichen Standort für eine distanzierte Betrachtung des belasteten Umfeldes werden, der die auf eine axiale Perspektive angelegte Platzkomposition bewusst aus einem anderen Blickwinkel vorführt.

Mit unserem Entwurf versuchen wir dieser Zielsetzung so weit wie möglich Nachdruck zu verleihen. Der komprimierte, ungerichtete Kubus, den wir vorschlagen, besetzt zwar den Bauort und markiert somit den geschichtlich unheilvollen Ort der Täter, er wird jedoch durch seine Autonomie gleichzeitig als frei in den Umraum gesetztes Objekt erlebt. Typologische Elemente der historischen Villenbebauung wie längs gerichtete Straßenfassade, Eingang zur Straße, Frontalität etc. werden mit dem Neubau nicht wieder belebt. Er steht frei in dem sich hier über die Nachkriegsjahre etablierten Grünraum, von dem er auch betreten wird. Über den Grünraum setzt sich das Dokumentationszentrum mit dem weiteren Kontext der Umgebung in Beziehung.

Der Besucher betritt zunächst die im Westen vorgelagerte Terrasse vor dem Neubau und hat von hier direkte Sichtbeziehung zu den Fragmenten der so genannten „Ehrentempel“. Markierungen im Boden der Terrasse weisen auf die Bebauungskontur des „braunen Hauses“ hin. Er/Sie erfährt diesen Raum somit zunächst über die Abwesenheit historischer Bauten, deren Spuren die zwischenzeitlichen Veränderungen des Ortes verständlich machen, ähnlich wie bei einem archäologischen Grabungsfeld.
Die Terrasse und der Kubus, den man nun im Osten betritt, sind ein vollkommen neuer Ort, der die historischen Spuren zwar freilegt, aber in Struktur Proportion und Lage neue Wege geht.

Der Baukörper ist von großer Schlichtheit und Übersichtlichkeit im Inneren. Der quadratische Grundriss wird durch drei Erschließungskerne gegliedert, die zu den Ecken des Baus miteinander verbundene Räume bilden. Diese Räume bilden die Grundstruktur für die auf mehreren Geschossen verteilte Ausstellung. Sie sind – je nach Ausstellungsarchitektur – entweder als Raumfolge oder als untergliederter Großraum bespielbar. Die Stapelung der Ausstellungsflächen ermöglicht gleichzeitig Sichtbeziehungen aus unterschiedlichen Höhen zum baulichen Umfeld.
Während sich die Wechselausstellung im Untergeschoss befindet, übergreift die Dauerausstellung drei Obergeschosse. Die drei Geschosse entsprechen dem thematischen Aufbau der Ausstellung in die drei großen chronologischen Themenfelder: „Anfänge der NS-Bewegung“, „Zeit der Diktatur“, „Nachkriegszeit“. Über Lufträume sind alle Ausstellungsebenen und diese ihrerseits mit dem Foyer im Erdgeschoss räumlich verbunden. Die Lufträume sind – von Geschoss zu Geschoss wechselnd – jeweils in einem der Eckräume angesiedelt. An diesen Orten erlauben dann Geschoss übergreifende Öffnungen den Blick in die Umgebung und strukturieren damit auf natürliche Weise die Fassade.
Während Seminarbereich und Verwaltung auf zwei darüber liegenden Geschossen verteilt sind, befindet sich der Saal im Untergeschoss unterhalb der Terrasse.

Innen wie außen ist der Bau geprägt durch das dominierende Material Weißbeton, einem mit weißem Gesteinsmehl und Weißpigment hergestellten Transportbeton, in dem das Gebäude vollständig über die tragenden Kerne und Fassaden und die Deckenplatten konstruiert ist.
Die Terrasse ist ebenfalls in Ortbetonweise mit Besenstrichoberfläche ausgeführt, während der Boden im Inneren durch Schleifen des Weißbetons als Terrazzo in Erscheinung tritt. Die roh belassene Konstruktion wird zum passe-partout für die Ausstellungsarchitektur.
Die Fensteröffnungen werden von eng stehenden Betonlamellen strukturiert, die in der Innenwahrnehmung den Blick in eine Folge von Einzelbildern zerlegen und in der Schrägansicht als geschlossenes Wandkontinuum erscheinen. An den Brüstungen befinden sich die jeweiligen Hinweise zur Erläuterung der umgebenden Topographie samt Dokumentationen von historischen Fotos des jeweiligen Blickes. Wo aus kuratorischen Gründen erforderlich, können die Fensteröffnungen jochweise verdunkelt werden und so noch fokussiertere Außenraumbezüge bzw. Tageslichtverhältnisse hergestellt werden.

Die auch im Innenbereich sichtbare Betonstruktur des Gebäudes so wie seine kompakte Bauweise bietet sich für den Einsatz von Bauteilaktivierung der Decken und ggf. der Wände mit einem Niedertemperaturkreislauf an. Ein Quelluftsystem macht eine herkömmliche Klimatisierung überflüssig. Das Heizsystem, das zu hoher Temperaturkonstanz beiträgt, kann seinen Energiebedarf auch aus regenerativen Energienquellen wie z.B. Wärmeenergie des Grundwassers über Wärmepumpentechnik beziehen. Diese Maßnahmen, wie auch die hohen Dämmstandards der Außenhülle bei einem optimierten Volumen-Hüllflächenverhältnis bewirken eine erhebliche Senkung der Kosten für Heizen und Kühlen sowie eine beträchtliche Verminderung des CO2 Ausstoßes.
Lageplan

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Detail

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