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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2009

Umbau/Erweiterung Friedhofgebäude, Konzept Friedhofanlage

2. Rang

Vetter Schmid Architekten

Architektur

bbz landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Ausgangslage
Der Friedhof Wohlen wurde ursprünglich als achsensymmetrische Anlage mit zentraler Hauptallee gebaut und im Laufe der Jahre gegen Westen hin erweitert. In Bezug zum raumgreifenden Friedhofgebäude entstand so ein Ungleichgewicht und die ursprüngliche Logik der Anlage wurde verunklärt. Die Erweiterung wirkt angehängt, was durch den Niveausprung, resp. der Ausformulierung desselben verstärkt wird. Auch die Eingangssituation weist Defizite auf, wirkt diffus und ein angemessener Ort der Ankunft und Besammlung fehlt.

Konzept Friedhofanlage
Der Entwurf beabsichtigt die starke Achsialität mit Bezug zum Friedhofgebäude zu brechen.Ein übergeordnetes und die Anlage vereinheitlichendes System sich auffächernder Wege bildet die neue Grundstruktur. Dieses Thema ermöglicht ferner eine gute Einbindung der zukünftigen Erweiterung im Westen. Insofern wird vom vorgeschlagenen Standort einer Urnenwand abgesehen, da eine solche Intervention die Trennung zwischen neuem und altem Friedhof unterstützen würde.
Zugang Der Zugang zum Friedhof wird geklärt und auf die Bezugsachse zum Ortszentrum konzentriert. Auftakt der Anlage bildet ein neu defi niertes Feld, auf welchem leicht erhöht das Friedhofsgebäude in einem Kissen aus Gräsern sitzt und den Besucher auf den zentral gelegenen Ankunftsplatz geleitet. Dieser lädt mit einem mächtigen Baum, einem Brunnen und platzdefi nierenden Sitzbänken zum verweilen ein.

Gräberfelder
Im Mittelteil des Friedhofs bildet das Wegnetz klassische Gräberfelder. Die „windmühlenartige“ Anordnung der Feinerschliessung wird beibehalten und in den neuen Feldern fortgeführt. Die daraus entstehende Vierteilung der Felder erlaubt eine grosse Flexibilität für unterschiedliche Begräbnisformen und es kann auf sich im Laufe der Jahre verändernde Bedürfnisse reagiert werden.

Längerfristig wird ein lockerer, parkartiger Baumbestand mit Grossbäumen angestrebt. In der Fläche werden die Bäume etwas ausgelichtet, an den Rändern des Friedhofs wo nötig und möglich verdichtet. Die bestehende Allee wird durch das Wegfallen einer Hauptachse obsolet. Die Alleebäume bleiben erhalten, werden aber nicht ersetzt. Für die Materialisierung der Wegeflächen wird ein „Saibro“ vorgeschlagen. Dieser befestigte Belag ist gut befahrbar, rollstuhlgängig und trotzdem wasserdurchlässig.

Stelenhain
Der Abschluss gegen das Bahntrassee wird durch den neuen Stelenhain für Urnenbestattungen gebildet. Dieser spannt das Fächersystem auf und fungiert als Element, das alte wie neue Teile verbindet. Mit hochstämmigen Bäumen (Sophora japonica) durchsetzt, bietet er eine grosszügige Räumlichkeit mit Parkqualitäten an. Die darin in lockerer Anordnung gesetzten drei Meter hohen Betonstelen verfügen über jeweils sechs Urnennischen
.
Gemeinschaftsgrab
Das neue Gemeinschaftsgrab liegt im Südosten des Stelenhains. Als wasserführendes Objekt aus Beton thematisiert es den Kreislauf des Wassers, der symbolisch den Lauf der Dinge darstellt. Das Wasser entspringt einem Kubus, in dem die Asche der Verstorbenen beigesetzt wird, umfl iesst Bronzekörper für die Innschriften und mündet in einem mit Seerosen bepfl anzten Becken.
Die vorgeschlagene Erweiterung des Friedhofs ist mit lediglich geringfügigen Veränderungen am Bestand verbunden und ist zeitlich fl exibel umsetzbar. Je nach Bedarf kann auch nur der Stelenhain in einer ersten Etappe realisiert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Architektur

Aussergewöhnlich ist das Konzept im Versuch, die bestehende Friedhofsmauer in der Gestalt einer Hecke weiter zu führen und somit das Gebäude mit der Gartenanlage zu einem Identitätsstarken Ganzen zu verschmelzen. Gut gelungen ist die lineare Einbettung der Parkplätze entlang der grünen Mauer. Der Konzeption folgend steht das Friedhofgebäude auf einem begrünten Baufeld, welches dadurch mit den Gräberfeldern in Dialog treten kann. Der Zugang erfolgt jedoch weiterhin unattraktiv über einen verkleinerten Vorplatz auf der Rückseite des Gebäudes. Leider ist der Zugang auch wegen seiner architektonischen Form für Besucher schwer auffindbar.
Der Anschein, dass es sich beim architektonisch eigenständigen Friedhofsgebäude um einen Neubau handle, trügt. Von der Abdankungshalle wurden lediglich die Um-fassungswände erhalten, das Dach ist komplett neu gestaltet und wird mit den An-bauten und einer neuen Fassade zu einem charakterstarken Baukörper vereint, wel-cher in seiner Aussage verwirrt. Die mit dem Erhalt gesuchte Wirtschaftlichkeit wird wegen der Eingriffstiefe kaum erreicht. Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob es sinn-fällig sei, dem Ausdruck eines bestehenden Gebäudes mit dieser Verfremdung zu begegnen?
Im Inneren hingegen besticht das Projekt durch die Suche nach einer mystischen, der Nutzung entsprechenden Räumlichkeit. Diese wird durch überhöhte Räume und farbig verglaste Oberlichter erzeugt. Da die Oberlichter nach Norden orientiert wer-den, sind alle Räume blendungsfrei beleuchtet. Die wenigen Oberlichter der Gänge genügen jedoch kaum, um die Korridore mittels Lichtumlenkung zu erhellen. Die Grundrisse werden wegen ihrer inneren Organisation und Bearbeitungstiefe positiv gewürdigt. Damit die Trauernden die gewünschte Ruhe und Besinnlichkeit finden können, werden die Bereiche für die Besucher und den Betrieb geschickt voneinan-der getrennt und voreinander in Raumschichten platziert. Ebenso störungsfrei liegen der Besucherzugang und die Anlieferung auf zwei gegenüber liegenden Seiten. Auf die Rampe ins Untergeschoss kann wegen der Erstellung eines ebenerdigen Geräte-raums verzichtet werden.

Friedhofgestaltung

Das Konzept beabsichtigt sowohl die Axialität als auch die bestehende Baumstruktur aufzubrechen, d.h. abgehende Bäume und Heckenelemente werden nicht mehr ersetzt, die Baumallee wird entfernt. Für die Zukunft wird eine offene, eher parkartige Friedhofanlage, mit eingestreuten Bäumen, angestrebt. Trotzdem soll das bestehen-de Wegnetz erhalten bleiben bzw. wird noch ergänzt, ungeachtet verschiedener Niveauunterschiede und Etappen
Dadurch wird die bestehende, übergeordnete Struktur noch verstärkt und steht in gewisser Weise im Widerspruch zum vorgeschlagen Konzept. Ebenso besteht durch das Verzichten auf Raumstrukturen die Gefahr des Beliebigen und des Verlustes von Rückzugsmöglichkeiten, einer gewünschten Intimität. Insbesondere vermag aus die-sen Gründen der Stelenhain mit dem Gemeinschaftsgrab nicht zu überzeugen. Assoziieren die Bilder doch eher einen städtischen, vielseitig nutzbaren Platz.
Grundsätzlich ist eine neue Interpretation der Gesamtanlage durchaus denkbar, allerdings wird stark bezweifelt, ob mit diesem Vorschlag jemals für die Zukunft ein ebenso starkes, Erscheinungsbild entstehen wird, wie dies die historische Anlage heute zu vermitteln vermag.

Gesamtwertung
Die Erscheinung des Friedhofsgebäudes fasziniert und verwirrt gleichermassen. Die Jury würdigt den Gestaltungswillen, ist allerdings der Meinung, dass besonders der gewählte Ausdruck und die Materialisierung der Funktion wenig entsprechend seien. Der Entwurf besticht mit seinem mystischen innenräumlichen Ausdruck und der Suche nach besinnlichen Stimmungen. Unverständlich ist der radikale Umgang mit his-torischen Spuren, sei es in Bezug auf das Gebäude als auch auf die Friedhofanlage. So gelingt es beispielsweise durch diese Haltung weder den unglücklichen Gebäu-deeingang zu verbessern, noch die Ausrichtung der Abdankungshalle zum Friedhof zu erzeugen. Die Oberlichter sind lichttechnisch korrekt gegen Norden orientiert, bilden aber vom südlich liegenden Friedhof aus eine unattraktive Rückseite.
Grundriss 1:500

Grundriss 1:500

Grundrisse 1:200

Grundrisse 1:200

Perspektive Eingang

Perspektive Eingang

Perspektive Stelenhain

Perspektive Stelenhain

Perspektiven Innenräume

Perspektiven Innenräume