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Begrenzter Wettbewerb mit kooperativen Elementen | 09/2008

Neugestaltung der Fußgängerzone Weender Straße

Perspektive \"Nabel\"

Perspektive \"Nabel\"

1. Preis

WES LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Hans-Hermann Krafft

Architektur

Erläuterungstext

Die historischen Photos von der Weender Straße vermitteln ein aufschlussreiches Bild der bestimmenden Nord-Südachse der Göttinger Innenstadt: Mit einer spannungsvollen, sehr leichten Krümmung zieht der Straßenraum den Blick des Betrachters weit in die Tiefe. Im Vordergrund bilden die Torpfeiler des Weender Tores einen imposanten Auftakt. Das Tor, die leichte Krümmung der Straße und die prägnante Gebäudesilhouette mit dem Alles überragenden Turm der Jacobikirche im Zentrum ergeben ein unverwechselbares und einprägsames Bild.

Auch heute lässt sich dieses Bild am Eingang zur Innenstadt ausmachen. Leider ist es durch überbordende Verkehrsflächen im Norden und durch ein Zuviel an Sträuchern und Einbauten beeinträchtigt. Ein „Freiräumen“ der westlichen Fläche und ein neuer Belag, analog zur Ostseite, würde die Wirkung eines zusammen-gehörenden Raumes deutlich erlebbar werden lassen. Auch die beidseitig des Stadteinganges beginnenden Wallanlagen könnten neben der vorgeschlagenen Hervorhebung der Böschungs-modellierung durch Sitzstufen deutlicher in Erscheinung treten.

Auch wenn der Stadteingang ohne ein Tor funktionieren wird, fehlt etwas Wesentliches. Vorgeschlagen werden zwei neue schlichte monolithische Pfeiler am Standort des ehemaligen Tores. Das Bild des historischen Tores wird durch ein Siebdruckverfahren auf die Vorderseite leicht durchscheinend und monochrom aufgetragen. Sonst werden die Pfeiler als Objekte belassen und nachts beleuchtet.

Etwas anders verhält es sich bei der zweiten „Station“, dem inneren Weender Tor. Die Zäsur des ursprünglichen inneren Stadteinganges wird im Bereich der querenden Jüdenstraße nachvollziehbar. Hier bietet sich ein Standort für eine, an die historische Situation erinnernde Stele.

Öffentlicher Nahverkehr, PKW-Anliegerverkehr und Fahrräder gehören heute zum Charakter der nördlichen Weender Straße zwischen Innerem und Äußerem Tor. Mit den vorgeschlagenen Gestaltungsmitteln wird die Weender Straße als die zentrale städtebauliche Achse in einem gestalterischen „Guss“ hervorgehoben. Der Fußgänger hat eindeutige Priorität und der notwendige öffentliche Nahverkehr wird auf selbstverständliche Weise integriert.

Die neue Zonierung der Weender Straße bezieht sich, ebenso wie die Gestaltung der Seitenstraßen auf die historische „Dreierzonierung“, bestehend aus jeweiliger Gebäudevorzone und Mitte. Gesteigert wird das Thema durch den Gesamteindruck eines von Hauskante zu Hauskante gespannten Teppichs von leicht changierenden, hellen Beigebrauntönen. Die Farbigkeit der Gebäude scheint sich in dem leichten Changieren des Teppichs zu spiegeln, je nach Tages- und Nachtzeit und je nach Witterung und Lichtverhältnissen in unterschiedlichem Charakter und wechselnder Intensität. (Neben dem vorgeschlagenen Beigetönen ist auch ein rötlich brauner Grundton vorstellbar).

Fußgängerzone und Marktplatz, vermitteln den Eindruck einer großen einheitlich schimmernden Fläche. Auf dem zweiten Blick erkennt man feine Abstufungen und Nuancen: Das Rathaus steht auf einem hell gerahmten Teppich. Dieser unterscheidet sich in der orthogonalen Verlegeart zur diagonalen Verlegeart der umgebenden Fläche. Ebenso verhält es sich mit den „Rändern“, den Vorzonen der Gebäude. Wie beim Marktplatz unterstreichen orthogonal verlegte, etwas hellere Platten die Gebäude, geben ihnen eine Art bodenbündigen Sockel, in leichtem Kontrast zur diagonalen Mitte. Blickt man in die Tiefe der Straße, wird der besondere charakteristische Straßenverlauf durch die „Traufstreifen“ und die hellen, leicht kontrastierenden Streifen der „Rinnenplatten“ hervorgehoben. Einzelne farblich leicht abgesetzte Platten markieren die Grenze für Warenständer.

An den verschiedenen Stationen, wie an den Kreuzungen der Seitenstraßen, sind in den Blickachsen Bänke und jeweils eine Wasserstele vorgesehen. Der wichtige Kreuzungspunkt Theater-/Prinzenstraße, der „Nabel“, behält die Skulptur der Tanzenden, allerdings auf einem erhöhten, nach oben konisch zulaufenden Sockel.
Die Aufweitung im Bereich der Barfüßergasse erhält Bänke, Spielbereiche und ein interaktives Fontänenfeld, das Kindern und Erwachsenen ermöglicht über Lichtschranken auf die Intensität und Kombinationen der Wasserfontänen direkten Einfluss zu nehmen. Man kann sie ‚an- und ausstellen’, sich in das Feld hineinbegeben ohne nass zu werden.

Der südliche Markteingang behält den „Vier-Kirchen-Blick“ und erhält daneben eine Steinbank in Erinnerung an den „Fischstein“. Der südliche Zugang an der Groner Straße behält die Trinkstele. Der wichtige Übergangsbereich zum Johanniskirchhof und zur Bibliothek wird ebenfalls mit einer Stele markiert. Langfristig sollte das Umfeld des
Johanniskirchhofes im gleichen Material wie die Fußgängerzone gestaltet sein, um den räumlichen Zusammenhang zu unterstreichen.

Der Jacobikirchhof ist auf das ursprüngliche Niveau angehoben. Man gelangt über drei flache Stufen auf den Platz. Únter den mächtigen, aufgeasteten und zu einem Baumkranz weitestgehend ergänzten Bäumen bewegt man sich auf einer Fläche aus Promenadengrand.

Bänke, Spielmöglichkeiten und steinerne Plattenwege schaffen einen ruhigeren und „ganz anderen“ animierenden Raum zur Geschäftigkeit der Fußgängerzone. Die nördlichen und südlichen Wege entlang der Bebauung werden zu „Gassen“. Die Jüdenstraße wird durch die Auslichtung von Büschen und durch das Aufasten der Bäume weithin sichtbar und als Raumkante wieder deutlich erlebbar. Die Stufen schneiden in eine parallel zur Weender Straße verlaufende niedrige Sitzmauer.

Entlang der Gassen reduziert sich der Höhenunterschied durch das ansteigende Gelände nach Osten auf nur noch eine Stufe. Der Nord- und Südeingang zur Kirche wird durch breite Plattenstreifen und eine Rampe hervorgehoben. Die Stimmung eines sehr ruhigen, von allen Seiten erreichbaren „grünen“, promenadenartigen Platzes hebt sich wohltuend von der steinernen Fußgängerzone ab.

Das Mobiliar wie Bänke und Poller sind einheitlich aus Naturstein, Markisen, Marktstände und Sonnenschirme aus hellem Textilstoff. Wie in den Perspektiven angedeutet sollte der Charakter der Gebäude nicht durch Werbung überformt werden. Eine Rücknahme von Werbung ist für das Erscheinungsbild und das Image der Innenstadt von wesentlicher Bedeutung. Nachts und in den Abendstunden tauchen hohe Lichtstelen mit ihrer direkten Beleuchtung Platz und Straße in ein brillantes Grundlicht. Kleinere Effektlichter erinnern an die klassischen Wandleuchten, die früher direkt an den Fassaden befestigt waren. Sie schaffen eine anheimelnde kleinteilige Lichtatmosphäre. Die großen gastronomischen Einrichtungen erhalten zusätzliche kleine Kandelaber (bestehende Kugeln könnten bleiben), die unter den Sonnenschirmen eine stimmungsvolle Atmosphäre schaffen. Up and Down Lights beleuchten zurückhaltend und nur punktuell architektonische Elemente an den Fassaden, den Dächern und städtebaulichen Dominanten. Ein dünnes Lichtband betont den Rathausteppich. Baumstrahler, indirektes Licht unter den Steinbänken und sanft angestrahlte Stelen tragen zur Atmosphäre bei.

In den Abend- und Nachtstunden sollen Marktplatz und Weender Straße feierlich leuchten. Dabei sollte die Schaufensterbeleuchtung zurücktreten. Die Flaneure sollen die Auslagen betrachten können, aber die städtische Bühne gehört jetzt mehr den Menschen, die die Innenstadt als besonderen und schönen Ort, als ihren Stadtraum genießen wollen. Die Materialflächen reflektieren das Licht auf angenehme und freundliche Weise. Und es wäre wünschenswert den Alles überspannenden Nachthimmel noch wahrnehmen zu können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sichdurch eine sehr einheitliche und homogene Gestaltung der Weender Straße aus. Die gewählte Dreierzonierung ermöglicht eine sehr flexible Nutzung des Straßenraumes.

Wichtige Stationen des historischen Stadtgrundrisses hebt der Entwurf behutsam und trotzdem sichtbar hervor.

Schaffung einer Torsituation in Höhe des Stadtwalls (äußeres Weender Tor) Stadteingangsymbol (inneres Weender Tor) räumliche Abgrenzung des Jacobikirchhofes zur Weender Straße

Die Bäume stehen in einem Band auf der Westseite. Einige Bäume werden entfernt, in anderen Bereichen dafür ergänzt. Dadurch gelingt ein spannungsvoller Rhythmus von freigestellten Abschnitten mit freiem Blick auf die historischen Häuserfassaden, Sehr gelungen ist die Einbindung des Alten Rathauses in den öffentlichen Bereich: ein vorgelagerter Pflasterteppich in der Größe des Grundrisses des Alten Rathauses gliedert den Platzbereich, ohne auf Großzügigkeit zu verzichten. Betont wird dieser Teppich durch ein im Pflaster eingelassenes dünnes Lichtband. Hervorzuheben ist die sehr zurückhaltende und minimalistische Möblierung.

Die Arbeit zeichnet sich durch qualitätvolle Details aus: So ist die Skulptur \"Die Tanzenden\" am angestammten Standtort auf einem erhöhten Sockel ganz neu dargestellt. Insgesamt ist der Entwurf auch im Detail durchgehend eine Arbeit, die mit überragenden Qualitäten überzeugt.
Perspektive vom Markt vor dem Rathaus

Perspektive vom Markt vor dem Rathaus

Jakobikirchhof

Jakobikirchhof

Lageplan Rathausplatz

Lageplan Rathausplatz