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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2009

Neugestaltung des Entenanger Kassel

2. Preis

foundation 5+ architekten landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

IngenieurbĂŒro KĂŒhnert, Inh. Dipl.-Ing. Christian Duksa

Verkehrsplanung

draussen. IDEEN IN SICHT

Visualisierung

ErlÀuterungstext

Leinen und Brokat – der Entenanger wird salonfĂ€hig

Der Entenanger ist jahrzehntelang behandelt worden wie die Besenkammer des Altstadtquartiers: Unterschiedliche, schlecht miteinander vereinbare Nutzungen wurden hinein gestopft, TĂŒr zu.
Der Platz „Entenanger“ spiegelt als Ensemble anschaulich die Prinzipien des Kasseler StĂ€dtebaus in den 50er Jahren wider. Die Fassadenstruktur, die kleinteilige Laden- und Gastronomiestruktur, die bewegte Topografie und der raumbildende Baumbestand bilden die markanten Platzmerkmale.
Der Entenanger weist einerseits eine prominente Lage im StadtgefĂŒge auf – die wichtige Verbindung Unterneustadt / Königsplatz, die NĂ€he zur Markthalle und zur Innenstadt – andererseits wirkt sich durch die Randlage zur Innenstadt deutlich auf die QualitĂ€t der Laden- und GeschĂ€ftsstruktur aus. Das Fehlen von Freiraum- und AufenthaltsqualitĂ€ten und die Dominanz des ruhenden PKW-Verkehrs auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer sind momentan die hervorstechenden Defizite der Platzgestaltung.

Einbindung in den stÀdtebaulichen Kontext
Den Entenanger quert die stadtrĂ€umlich wichtige Fuß- und Radfahrverbindung vom Königsplatz in die Unterneustadt und nach Bettenhausen. Wir ordnen den Entenanger in eine Reihe markanter PlĂ€tze und Orte auf dieser Route ein. Neben Königsplatz (Innenstadt) und der Karl-Branner-BrĂŒcke (Unterneustadt) wird der umgebaute Entenanger zum AushĂ€ngeschild der Altstadt.
In diesem Zusammenhang ist die Umorientierung der außerhalb der Markthalle gelegenen MarktstĂ€nde an diese Route ein sinnvoller weiterer Baustein. Über eine großzĂŒgige FußgĂ€ngertreppe und einen Umbau zur zentralen Erschließung des Parkdecks wird nicht nur die Markthallenfassade inszeniert, der Markt öffnet sich der stĂ€dtischen Öffentlichkeit, anstatt wie bisher „in der 2. Reihe“ mitten im Quartier zu liegen. Auch der Bereich um die Garnisonskirche erfĂ€hrt eine Aufwertung. Anstatt des klassischen Straßenprofils (ohne entsprechende Nutzung) soll ein Pflasterbelag von Hauskante zu Hauskante GroßzĂŒgigkeit vermitteln. TaxistellplĂ€tze und KurzzeitparkplĂ€tze sind weiterhin ausgewiesen, integrieren sich aber in die FlĂ€che.

StÀdtebauliche Strategie
Die stÀdtebauliche Strategie greift auf zwei unterschiedlichen Ebenen:
‱ den Entenanger zu einem eigenstĂ€ndigen und unverwechselbarem öffentlichen Raum im StadtgefĂŒge Kassels umzubauen
‱ das Altstadtquartier mit einem robusten und gleichzeitig reprĂ€sentativen Freiraum auszustatten, der in seiner Gestaltung und Nutzbarkeit auf das gesamte Quartier abstrahlt.

Den kleinteiligen Fassaden- und Einzelhandelsstrukturen am Platz soll ein vielseitig nutzbarer und offener Raum gegenĂŒber gestellt werden. Die Signifikanz im Stadtraum wird erreicht ĂŒber großzĂŒgige Einbauten in dieser offenen FlĂ€che, den Kissen, die ĂŒber die PlatzflĂ€che „verteilt“ werden. Sie sind Symbol fĂŒr die Aufbruchstimmung im Altstadtquartier mit dem Ziel der Schaffung einer höheren Wohn- und LebensqualitĂ€t. Sie ermöglichen durch ihre nutzungsoffene Ausgestaltung eine dynamische Nutzungsverteilung auf dem Platz, die die unterschiedlichen Nutzer gleichberechtigt behandelt (Radfahrer, Kurzparker, FußgĂ€nger, Kinder, Anwohner uvm.). Die nutzungsoffene Gestaltung ermöglicht auch die Inbesitznahme des Platzes fĂŒr temporĂ€re Veranstaltungen (Markterweiterung, Flohmarkt, Stadtfestnutzung, Zissel).
Das Freiraumkonzept verfolgt den Ansatz eines schrittweisen Umbaus im Quartier. Die Platzgestaltung verzichtet bewusst auf Beet- und RasenflĂ€chen auf dem Platz, um die vielfĂ€ltige Nutzbarkeit auch fĂŒr Veranstaltungen zu gewĂ€hrleisten. Stattdessen wird die GegensĂ€tzlichkeit zwischen dem öffentlichen steinernen Platz und den gemeinschaftlich nutzbaren, ĂŒppig begrĂŒnten Innenhöfen betont. Dies bedeutet eine (schrittweise) Inangriffnahme der InnenhofflĂ€chen und der StraßenrĂ€ume im Quartier.

Ein Platz
Grundvoraussetzung fĂŒr eine Belebung des Platzes sind eine einheitliche PlatzoberflĂ€che, wenige, prĂ€gnante Ausstattungselemente und die BĂŒndelung der Verkehrsfunktionen an den sĂŒdlichen Randbereichen. Einzelne erhaltenswerte BĂ€ume des Baumbestandes in Form von Robinien und Bergahorn bilden das erste VegetationsgerĂŒst des neuen Platzes; es wird ergĂ€nzt durch locker gepflanzte hochstĂ€mmige Kobushi-Magnolien, die im ausgewachsenen Zustand die erste Vegetationsschicht ablösen und in Habitus und BlĂŒte fĂŒr die notwendige PrĂ€gnanz sorgen.
Die topografische Besonderheit des Platzes wird durch das Wechselspiel eines durchgehenden, gleichmĂ€ĂŸig fallenden Belages und der sich aus der Topografie herausschĂ€lenden Kissen inszeniert.
Die kleinteilige Nutzung der PlatzrĂ€nder wird durch großzĂŒgige Vorbereiche gestĂŒtzt, die GeschĂ€fte erhalten die Möglichkeit, sich auf dem Platz zu prĂ€sentieren. Die Gastronomie erhĂ€lt AußenflĂ€chen in der sonnigen Mitte des Platzes.

Platzbelag und Kissen: „Leinen und Brokat“
Der Gegensatz zwischen dem robusten und strapazierfĂ€higen Alltagsbelag und den hochwertig materialisierten Kissen bildet das gestalterische „Bonbon“ des Platzes. Der Platzbelag aus Betonstein spannt sich als Reihenverband zwischen der nördlichen und sĂŒdlichen Platzkante. Er gliedert sich in rhythmische, anthrazitfarbene Streifen und beigefarben changierenden FlĂ€chen aus Betonpflaster in drei Farbnuancen. Es entsteht ein lebendiges Muster, das aus der Entfernung die kleinteiligen Fassaden beruhigt, aus der NĂ€he variiert und nicht monoton wirkt.
Die Kissen sind Einbauten aus hochwertigem Naturstein, Holz, Kunststoff und Betonwerkstein mit einer KantenlĂ€nge von ca. 9,00m x 13,00m. Sie sind gefasst sind aus einem einheitlichen Rahmen aus Naturstein, der sich aus dem Platzbelag „herausschiebt“. Er fungiert je nach Höhe als Stufe oder Sitzstufe. Innerhalb des Rahmens befinden sich gewölbte FlĂ€chen unterschiedlichen Materials: als Wellen aus Holz, eingespannt zwischen dĂŒnnen StahlwĂ€nden; als amorphe Kunststoffgebilde auf einer gewölbten FlĂ€che; als Muster verschiedenfarbigen Betonwerksteins in Terrazzooptik, zweiseitig von Sitzstufen flankiert. Alle drei Kissen sind als „Halbzeuge“, die sowohl zum Sitzen, Spielen, Ausruhen, Sonnenbaden u.v.m. geeignet.

Verkehr
Die momentane VerkehrsfĂŒhrung trennt den östlich gelegenen, inneren Platzteil vom Rest des Platzes und erschwert eine Nutzung der PlatzflĂ€che durch Anwohner und Besucher. Der Entwurf bĂŒndelt den fließenden Verkehr durch die Ausweisung einer zweispurigen Fahrbahn im sĂŒdlichen Platzteil. Hier sind auch 16 AnwohnerstellplĂ€tze , 6 BehindertenstellplĂ€tze und 19 KurzzeitparkplĂ€tze als QuerparkplĂ€tze angeordnet. Ein vier Meter breiter BĂŒrgersteig trennt den GebĂ€udevorbereich von der Fahrbahn und ermöglicht eine Außenbewerbung durch die EinzelhĂ€ndler .
Auch im Westen und Osten des Platzes bilden sich die oberste Gasse und der Graben als asphaltierte Fahrbahn im Platzbelag ab. Hier werden 7 weitere BewohnerstellplÀtze vorgehalten.
Der zentrale und nördliche Platzbereich ist als MischverkehrsflĂ€che ausgebildet. Die Anlieferung der EinzelhĂ€ndler und Anwohner ist ĂŒber eine Fahrgasse möglich, ebenso die Durchfahrt aus der Mittelgasse, die mit einem Rechtsabbieger auf die Oberste Gasse gefĂŒhrt werden.
Im Bereich der TrĂ€nkepforte begleitet auf der Nordseite der Straße ein 2,50m breiter, beidseitig befahrbarer Radweg den breiten BĂŒrgersteig zum Markt, zur Unterneustadt und dem Fuldaradweg. Die Anordnung des Radweges verhindert eine Querung der TrĂ€nkepforte im unfalltrĂ€chtigen Ostteil der Straße. Der sĂŒdliche Fahrbahnrand wird mit LĂ€ngsparkplĂ€tzen ausgestattet. Die Signalanlage am Steinweg bleibt auf der nördlichen Seite erhalten.
Das Entwurfskonzept ist auch als shared-space- Modell ohne die Ausweisung von TeilflĂ€chen fĂŒr einzelne Verkehrsteilnehmer denkbar. Aufgrund der Zonierung wĂŒrde sich wahrscheinlich eine Ă€hnliche Nutzung der FlĂ€chen ergeben. Diese Entscheidung kann aber nicht allein aus planerischer Sicht im Rahmen eines Wettbewerbs getroffen werden, sondern muss auf der Ebene der Politik und BĂŒrgerbeteiligung intensiv begleitet werden. Als Bodenbelag bietet sich dann aber eine PflasterflĂ€che aus Betonpflastersteinen an, die in den stĂ€rker befahrenen Bereichen mit einem stĂ€rkeren Unterbau und Pflaster ausgestattet werden sollte.

Beleuchtung
Das Beleuchtungskonzept sieht eine Beleuchtung der PlatzrĂ€nder ĂŒber an den Fassaden angebrachte Wandauslegerleuchte (Hess Campo 4500) und eine Beleuchtung der Platzmitte – der Kissen – ĂŒber 4 Mastleuchten, die mit Flutern (Siteco Sicompact) ausgestattet werden, vor. WĂ€hrend der Platzrand mit Fahrgasse und Anlieferzone gleichmĂ€ĂŸig illuminiert ist, liegt der Fokus in der Platzmitte auf einer pointierten Beleuchtung der Kissen. An den Kissen sind zusĂ€tzliche Beleuchtungselemente angebracht, die diese inszenieren: die geschwungenen Seiten der Holzwellen, glimmende Bernsteine und geheimnisvolle Linien auf dem Smaragdkissen. Der Brunnen wird an seinem neuen Standort ebenfalls angestrahlt.

EntwÀsserung
Der gesamte zentrale Platzbereich wird ĂŒber geschlossene Rinnen entwĂ€ssert, die in den dunklen Belagsstreifen positioniert werden. Am sĂŒdlichen und östlichen Platzende zwischen Fahrbahn und BĂŒrgersteig wird zur WasserfĂŒhrung ein Hochbord und mit AblĂ€ufen ausgestattet.

Barrierefreiheit
Der niveaugleiche Übergang im Bereich der Obersten Gasse / TrĂ€nkepforte und der DurchgĂ€nge an den QuerparkplĂ€tzen ermöglicht eine barrierefreie Nutzung des gesamten Platzes, der LĂ€ngsgefĂ€lle von 4 bis 4,5% und QuergefĂ€lle zwischen 1,2 und 2,8% aufweist.

Die Ausstattung
Die Möblierung des Platzes erfolgt durch wenige und einfache Elemente, die alle in einem Materialduktus gehalten sind: Metallpoller grenzen den Fahrbahnbereich im Westen und Osten des Platzes von der inneren PlatzflĂ€che ab. Eine Bankreihe mit einem Banktypus unterschiedlicher LĂ€nge zoniert die Anlieferzone und die Hauptbewegungsrichtung ĂŒber die LĂ€ngsseite des Platzes. Die BĂ€nke konzentrieren sich an publikumswirksamen Stellen wie der Kinder- und Jugendbibliothek, fungieren aber auch als Wartepunkte vor den GeschĂ€ften.
Die Brunnenanlage verbleibt in der Mitte des Platzes, wird aber nach SĂŒdwesten verschoben. Das Leitsystem befindet sich im nordwestlichen Platzteil in der NĂ€he der Kinder- und Jugendbibliothek.
Visualisierung: draussen. Marc Seeger

Visualisierung: draussen. Marc Seeger

'Kissen'

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