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Offener, anonymer, zweiphasiger Ideenwettbewerb | 04/2005

Wiederherstellung des Überganges vom Schlosspark zur Tannenwaldallee

Übergang Allee Schlosspark

Übergang Allee Schlosspark

1. Preis

wbp Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext



‘‘so eil' ich tempé zu...”

Tempé … kaum etwas wurde in der griechischen Antike von Dichtern so oft besungen wie das Tal am Fuße des Olymp. Große Platanen und Pappeln reihten sich entlang der Talkante auf und aus Felsspalten flossen Quellen. Die Göttinnen Artemis und Athene stiegen von der Höhe des Olymp hinab, um sich in der Kühle des Tales zu erfrischen und den Gesängen der Nymphen zu lauschen. Tempé …dieses Wort versinnbildlicht eine arkadische Paradieswelt, steht für eine Landschaft voller Glückseligkeit und Schönheit.

Der dem Schöngeistigen zugewandte Landgraf Friedrich V. Ludwig verwirklichte am Fuße des Schlosses Homburg seinen Traum von Tempé. Das Schloss glich bis 1770 einer Insel in der Landschaft, die man noch nicht bewusst als ’Landschaft’ wahrnahm. 1770 tat Friedrich V. mit Anlage der Tannenwaldallee und den Lustwäldern Großer und Kleiner Tannenwald den ersten ästhetischen Schritt in diese Landschaft. Über die Tannenwaldallee zu seinem geliebten Tannenwald geführt, verfasste er ein Gedicht über sein arkadisches Tal Tempé.

Landgraf Friedrich VI Joseph setzte ab dem 1820 den arkadischen Traum seines Vaters fort. Entlang der Tannenwaldallee entstanden Gärten, die jeder für sich ein kleines Paradies darstellten. Mit ’Landesverschönerungen’ wurde die Kulturlandschaft entlang der Tannenwaldallee zur ästhetischen Gartenlandschaft gestaltet. Mit Anlage der Elisabetenschneise führte man die Achse der Tannenwaldallee bis nach Limes fort.

So entstand über einen Zeitraum von 70 Jahren aus dem gesamten vor dem Höhenzug des Taunus gelegenen Tal eine ästhetisch kultivierte Gartenlandschaft als Traum von Tempé - ein Stück von Menschenhand geschaffene, idealisierte Natur.

Das Konzept greift die historische Idee zur Verwandlung des Talraums nach dem Bild des arkadischen Tempès auf und macht die schrittweise ästhetische Aneignung der Landschaft auf verschiedenen Ebenen sichtbar.

Weg durch das Tal Tempé
Der Weg vom Schloß entlang der Tannenwaldallee kann wie zu Zeiten des Landgrafen als Traum von Tempé gelesen werden. In Form eines Belagsbandes aus Beton, das das eingestanzte Tempégedicht des Landgrafen trägt, wird der Weg vom Schlosshügel in den Talraum nachgezeichnet. Den Worten und ihrer Bedeutung folgend überlagern sich poetischer Text und die heutige Realität. Gleich der damaligen Zeit kann die Umgebung mit der Vorstellung von Tempé wahrgenommen werden.
Schwelle in das Tal Tempé
Die Anlage der Tannenwaldallee mit ihrem Übergangspunkt am Schloßhügel symbolisiert den ersten Schritt über die Schwelle in eine zuvor nicht als Landschaft wahrgenommene Umgebung. Der Beginn des Gedichtbandes vor Überschreitung des Hindenburgrings markiert den Eintritt in das Tempétal. Das Textband wird in Funktion einer optischen Spange über den Kreuzungsbereich geführt und vermittelt über den Textinhalt die Verbindung zwischen Schloss, Schlossgarten, Allee und Gartenlandschaft. Eine Ampelanlage für den Fußgängerverkehr (Schaltung im Rhythmus mit nördlicher, vorhandener Ampel) ermöglicht die gefahrlose Überquerung der stark befahrenen Strasse. Die achsiale Sichtbeziehung vom Schloßbalkon zur Allee wird durch die Linearität des schmalen Bandes noch verstärkt. Zur verbesserten Wahrnehmung des Schlossgartens und der historischen Achse vom Hindenburgring aus, erhält die Strasse einen dreireihigen Baumgürtel, der im Bereich der Allee unterbrochen wird.

Gartenpromenade Tannenwaldallee
Der heute sehr heterogene und vom (ruhenden) Verkehr dominierte Straßenraum der Tannenwaldallee soll angemessen seiner historischen Bedeutung als Weg in eine Gartenlandschaft erlebbar werden. Die Tannenwaldallee wird zur Gartenpromenade: Eine niveaugleiche Belagsstruktur aus wassergebundener Decke für Fußwege und Parken, sowie einer farblich angepasstem Fahrbahn aus Splittmastix lassen den Autoverkehr optisch in den Hintergrund treten. Der ruhende Verkehr ist zwischen den Alleebäumen eingebettet. Die Fußgänger bewegen sich entlang des Gedichtbandes. Die Promenade wird Abends von Bodeneinbaustrahlern ausgeleuchtet, deren vertikaler Lichtkegel die Säulenform der Pyramidenpappeln noch betont. Der teilweise sehr alte, ausladend gewachsene Baumbestand wird erhalten und mit der historisch dokumentierten Alleepflanzung aus italienischen Pyramidenpappeln überlagert. Es entsteht eine spannungsvolle Allee, die an die historische Allee erinnert, ohne sie in Gänze wiederherzustellen.

Eintritt in die historischen Gartenräume
Die entlang der Allee aufgereihten historischen Gartenräume sind teilweise durch Bebauung unwiederbringlich verloren, zum Teil noch vorhanden und geplant denkmalpflegerisch wiederherzustellen. Die Eingänge zu den Gärten sollen mit einem quer zur Allee ausgerollten Teppich aus dunklem Stahl akzentuiert werden. Der Endpunkt des Eingangsteppichs ist als Verweilpunkt ausgestaltet und fokussiert mit Ausrichtung des Sitzenden den Blick auf den (teils nicht mehr vorhandenen) Eingang des Gartens.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser verfolgen den Ansatz den als Tempé bezeichneten, historischen Weg der Landgrafen, die heutige Tannenwaldallee, in der Überlagerung mehrerer historischer Schichten wiederherzustellen. Der Hindenburgring wird als dreireihige Allee ausgebildet. In der Tannenwaldallee ergänzen Pyramidenpappeln den bestehenden Baumbestand, deren Pflanzabstand zu überprüfen wäre. Auf Höhe der Kreuzung beider Wege entsteht durch Aussparen der Bäume ein freier, lichter Raum, der für beide Wege-Richtungen einen deutlichen Einschnitt bedeutet. Die Achse der Tannenwaldallee wird durch diese Lichtung, durch einen neuen, geometrisch gefassten Eingang in den Park und durch den in den Bodenbelag eingelassenen Streifen mit dem Textband des Tempégedichtes herausgearbeitet. Der Übergang über den Hindenburgring erfolgt hier pragmatisch richtig entwickelt über eine Ampelregelung und die Fußgängerführung über das Textband. Die Funktionalität der Querung sollte jedoch nochmals überprüft werden. Der Straßenquerschnitt der Tannenwaldallee wird neu geordnet. Dabei werden ruhender Verkehr und der Fußgängerbereich der Achse den einzelnen Straßenseiten zugeordnet. Die Eingänge in die historischen Gärten entlang des Tempé werden durch eingelegte „Teppiche“ aus dunklem Stahl, die quer über den gesamten Straßenraum laufen gekennzeichnet. Gegenüber den Eingängen sind jeweils Verweilpunkte als Ruhebänke ausgebildet.
Die Arbeit zeichnet sich insgesamt durch einen sehr pragmatischen, realistischen Ansatz aus, der mit mehreren historischen und künstlerisch-poetischen Konzepten überlagert wird. Das Textband des Tempé wird inhaltlich kontrovers diskutiert, wobei die Markierung der Achse Anerkennung findet. Durch die differenzierte Einbindung in die bestehende Situation werden die historischen Bezüge geachtet und herausgearbeitet. Gleichzeitig scheint die Funktion der Tannenwaldallee als Anliegerstraße auch in der Veränderung der Oberflächenmaterialien (wassergebundene Decken, Splittmastix) gewährleistet. Auch in der Konzeption der Beleuchtung durch Bodeneinbaustrahler, die in regelmäßigen Raster die Alleebäume als Reflexionsflächen benutzen, entsteht eine individuelle Situation, die aufgrund des Verzichts auf Beleuchtungsmasten angenehm zuückhaltend ist.
Der Erstellungsaufwand einer vollständigen Umgestaltung des Straßenquerschnitts und des Textbandes wird als hoch eingeschätzt.
Lichtinszenierung

Lichtinszenierung

Gartenpromenade

Gartenpromenade

Gartenlandschaft Bad Homburg

Gartenlandschaft Bad Homburg

Lageplan

Lageplan

Lageplanausschnitt

Lageplanausschnitt