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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2009

Gestaltung des öffentlichen Raumes Rottweil-Mitte

Preisgruppe 2

HAHN HERTLING VON HANTELMANN

Landschaftsarchitektur

OBERMEYER Gruppe

Verkehrsplanung

HINRICHS WILKENING ARCHITEKTEN

Architektur

Schlotfeldt Licht

Lichtplanung

Erläuterungstext

Die Stadt Rottweil ist mit einem historischen Stadtkern außergewöhnlicher Art ausgezeichnet Die bemerkenswert gut erhaltene, städtebauliche Anlage lässt seit dem Spätmittelalter die einem einstigen Zähringer-Straßenkreuz ähnelnde Stadtstruktur ablesen: zwei Straßenzüge kreuzen sich annähernd rechtwinklig und teilen das Stadtgebiet in vier Quartiere. Über diese zentralen Achsen war die Straßenstadt in ein übergeordnetes Netzwerk aus Handelsrouten eingebunden. Versorgung, Austausch, Handel, Arbeiten und Reisen waren an diesen einfach erweiterbaren Marktstraßen mit in die Straße integriertem Platzbereich die zentralen Themen.

Städtebauliches- und gestalterisches Gesamtkonzept

Der Entwurf unterstreicht als Hauptfokus dieses historisch wert- und würdevolle Kulturerbe mit einer zurückhaltenden, einheitlichen Gestaltung und arbeitet es im Hinblick auf die heutigen Funktionsanforderungen heraus. Ein öffentlicher Raum mit hohen Gestalt- und Aufenthaltsqualitäten entsteht. Das Konzept bietet ein flexibles, nachhaltig gebautes Grundgerüst, in dem die einzelnen Phasen eines Verkehrskonzepts mit schrittweiser Reduzierung des MIVs umgesetzt werden können, ohne dass erneute Umbauten im Straßenprofil getätigt werden müssen. Das Grundgerüst ist zudem unter wirtschaftlichen Aspekten variabel ausführbar. In einem ersten Schritt wird die Straßenführung auf ein Mindestmaß optimiert. Dieses Straßenprofil bildet mit Setzung der Borde die bauliche Grundlage für eine zukünftige Reduzierung des MIVs. Die neue Straßenführung in der Hochbrücktorstraße richtet einen generösen Straßenplatz mit Süd-, Westsonne ein. Eine klare Strukturierung der einzelnen Funktionsbereiche stellt die Verflechtung zu den angrenzenden Fußwege- und Radroutensystemen her. Historische Sichtbeziehungen und Brunnenanlagen in dem Straßenkreuz werden als Identifikationsmerkmale durch einen homogenen Bodenbelag und einen minimalen Einsatz von Einbauten heraus gearbeitet.

Nutzungs- und Funktionsbereiche

Geschichtlich bedingt bildet die steinerne Stadtmitte einen deutlichen Gegensatz zu der sie umgebenden, grünen Stadtgrabenanlage. Die Optimierung der Fahrbahnbreiten in Friedrichsplatz, Hochbrücktor- und Unterer Hauptstraße definiert einen großzügigen Fußgängerbereich als neuen Schwerpunkt im Stadtraum. Hauptaugenmerk ist ein durchgängig einheitlicher Bodenbelag in Linienoptik, die die Straßenfläche von Fassade zu Fassade optisch zusammen zieht, ihr einen platzartigen Charakter verleiht, den ruhenden Verkehr integriert und visuell entschleunigend wirkt. Hierin ist ein Asphaltband für den fließenden Verkehr (MIV, ÖPNV, Radfahrer) mit einem 3 cm hohen Bord eingelegt. Das Bord fungiert in allen Verkehrskonzeptphasen als markierende Zäsur zwischen dem Fußgängerbereich und dem fließenden Verkehr, was insbesondere für Sehbehinderte äußerst wichtig ist. Der niedrige Bord verstärkt einen homogenen Raumeindruck und kann gleichzeitig problemlos beparkt werden. Ein 1 bis 2,5m breiter Traufstreifen im ungerichtetem Pflasterverband, das Thema der Seitenstraßen aufgreifend, definiert eine klare Vorzone vor den Gebäuden. Zwischen Markt- und Georgsbrunnen spannen in den Natursteinpflasterreihen Rechtecke aus Natursteinplatten eine großzügige, multifunktionale Platzfläche für u.a. Wochenmärkte, Public Viewing, zusätzliche Gastronomie- und Einzelhandelsflächen in der östlichen Hochbrücktorstraße auf. Alle Bereiche sind barrierefrei erreichbar. Straßenpoller (Alternativ Eisennägel/-poller) markieren den Straßen begleitenden Bereich der PKW Stellplätze in der Phase 1 des Verkehrskonzepts. In Phase 2 mit Verkehrsreduktion zur heutigen Situation werden sie entfernt und auf Taxistände und Behindertenparkplätze minimiert. So werden sowohl Fußgängerbreiche als auch die multifunktionale Platzfläche erweitert. Fahradstellplätze sind in ausreichender Anzahl in diesem Parkstreifen integriert.

Gestaltung der Freiräume

Ein homogener Natursteinpflasterbelag in beige-grau und mit ebener Oberfläche erzeugt einen visuell großzügigen Straßenraum. Das Verlegemuster in Linien und Reihen zeichnet konsequent den historischen Straßenraum im Verlauf seiner Topographie nach und unterstreicht ihn als zusammenhängendes Ensemble mit seinen äußerst lebendigen Fassadenfluchten. Die Vielfältigkeit der Fassadenfarbgebung wird auf eine neutrale Basis gehoben.
Die freigestellten Sichtachsen von der Kreuzung aus in alle vier Straßenrichtungen und zwischen den Sandsteinbrunnen machen den historischen Stadtgrundriss erlebbar und schaffen eine attraktive Abfolge von hochwertigen Stadträumen. Präzise gesetzte, grüne Akzente bilden im Umfeld der Brunnenanlagen und an der Kapellenkirche im Zusammenspiel mit generösen Steinbänken Aufenthaltsorte mit einem besonders reizvollen Charakter im Stadtkern. Holzauflagen laden hier zu Sitzplätzen in Licht- und Schattenlage. Klar geordnete Bereiche und eine zurückhaltende, schlichte Materialwahl unterstreichen eine optimierte Orientierung für den Besucher. Gewerbe, Handel, Gastronomie und Promenieren werden wieder zum gestärkten Hauptaugenmerk.

Lichtgestaltung

Im Straßenraum wird ein sicheres gleichmäßiges Lichtniveau durch wechselseitig aufgestellte, Straßen begleitende Leuchten hergestellt, Lichtpunkthöhe ca. 5m Lichtpunktabstand ca. 20m. Bei formal gleich hohem Leuchtendesign sind zwei Ausstattungen vorgesehen. Im Bereich des Straßenplatzes sind die Lichtstelen als zweiflammige Leuchte, rotationssymmetrisch, mit rückwärtig weicher Lichtverteilung zur Ausbildung eines Gesamtlichtraums von Platz und Fassadenbereich ohne Blendung der Anwohner ausgebildet. Im Straßenraum selbst sind sie bandförmig zu einer gerichteten Ausleuchtung der Straßenfläche und mit einem diffusen Lichtanteil zur Aufhellung der Fassaden eingerichtet. Die Brunnen werden über Bodeneinbauleuchten oder Unterwasserstrahler akzentuiert. Öffentliche Gebäude wie Kirchen und Rathäuser können zusätzlich über Bodeneinbauleuchten illuminiert werden.

Verkehrskonzept

Das dargestellte Konzept zur Straßenraumgestaltung und Verkehrsführung zeichnet sich aus durch ein attraktiveres Angebot an Aufenthaltsflächen in der Ortsmitte für den nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung einer Mindestqualität für den MIV und Bus. Durch die Reduzierung der Verkehrsflächen in der Ortsdurchfahrt mit einer Breite bis maximal 7m (inkl. einer Radverkehrfahrspur) und Umwandlung der Senkrechtparker in Längsparker verbessern sich die Querungsmöglichkeiten für den fußläufigen Besucher der Innenstadt durchgängig im Straßenraum. Die Konflikte zwischen dem parkenden und fließenden Kfz- und Busverkehr reduzieren sich. Der Wille zur Verkehrsberuhigung der Ortsmitte von Rottweil wird verdeutlicht. Das heute autogerechte Straßenbild wandelt sich zu einer gemeinsamen Verkehrsfläche für alle Verkehrsteilnehmer mit entsprechender gegenseitiger Rücksichtnahme.