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Landschaftsplanerischer Realisierungswettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren | 12/2004

Neugestaltung der Freianlagen der Klosteranlage Eberbach im Rheingau

1. Preis

BERNARD UND SATTLER Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Kultur inmitten von Natur

Das Kloster Eberbach liegt inmitten dichter Laubwälder der Nordhänge des Rheingaus.
Als bedeutendstes erhaltenes Bauensemble aus der Zeit der Zisterzienser stellt es einen überregionalen Anziehungspunkt dar.
Die faszinierende historische Dimension ist heute dort spürbar, wo man sich innerhalb des ehemaligen Klausurbereichs bewegt; demgegenüber steht ein Areal zwischen Hauptgebäuden und Klostermauer, dessen Zustand der überragenden Bedeutung des Ortes nicht gerecht wird. Hier sind über die Jahre Strukturen entstanden, die der Unmittelbarkeit der Erfahrung wie im Klosterinnern im Wege stehen.
Das Areal erscheint vollgestellt, zugewachsen, verschmilzt gleichsam mit der Umgebung.
Die geschichtlich bedeutsame Differenz zwischen natürlicher Umgebung und strenger Kultur der Zisterzienser ist nicht mehr zu erkennen. Gemeinsam mit den Benediktinern waren es jedoch gerade die Zisterzienser, die wesentlich zur Entwicklung (mittelalterlicher) Gartenkultur beigetragen haben.
Vor diesem Hintergrund sollte es für die Freianlagen des Klosters Eberbach neben der unerlässlichen Überprüfung und Ordnung der Bestandsstrukturen ebenso um punktuelle gärtnerische Setzungen gehen.
Angesichts der wenigen gesicherten Informationen über mittelalterliche Gartenanlagen orientiert sich die vorliegende Arbeit an zisterziensischen Prinzipien:

Klausur: Kloster als nach innen orientierter Ort, zur Umgebung durch eine Mauer abgeschottet.
Filiation: Ein neuer Ort der Kultur entsteht an vorher von freier Natur besetztem Gelände.
Ordnung: Analog zur göttl. Ordnung folgen auch hier Prozesse und Räume einem Organisationsprinzip.
Rhythmus: Zusammenhang und Konsequenz statt Zufälligkeiten und Konkurrenzen.
Konzentration auf Wesentliches: Klarheit und Einfachheit statt Pomp und Eklektizismus.
ora et labora: Nebeneinander von Spiritualität und (körperlicher) Arbeit in definierten Grenzen.

Auf Grundlage dieser Prinzipien läßt sich ein schlüssiges Manual für die Gesamtanlage entwickeln. Mittels dessen können heutige Realitäten (Besucherführung, Gastronomie, Parkierung, Großveran-staltungen, Bauarbeiten etc.) funktional organisiert werden. Zugleich lassen sich Freiräume so gestalten, daß zisterziensische Kultur auch in den Aussenanlagen des Klosters Eberbach wieder deutlich erfahrbar wird.

Zisterziensiche Klarheit und und heutige Realität

Angelehnt an die zisterziensische Trennung zwischen Fratres und Konversen, erfolgt eine Gliederung der Freiräume in zwei Hauptbereiche: einem “Kern” im Bereich der Hauptgebäude des Klosters steht ein “Ring” im weiteren Bereich bis zur Klostermauer gegenüber.
Die Freiraumfolge des Kerns ist streng auf die Basilika orientiert. Ausgehend vom Kreuzgarten sucht sie mit einer schlichten Gestaltung hinter die Außergewöhnlichkeit der Klostergebäude zurückzutreten.
Im Ring finden sich unterschiedliche Gartenräume eingebettet: bestehende Gartentypologien wie Orangerie, Weingarten und Streuobstwiese am Torhaus werden in ihrer Charakteristik herausgearbeitet und fügen sich in den Zusammenhang ein. Neue Gartenräume wie der Arzneigarten (Herbularaius) südlich des neuen Hospitalsbaus, der Blumen-/Duftgarten am Abthaus und der Obstgarten (Pomarium) östlich des Schlosserbaus vervollständigen das Bild. Der erweiterte Parkplatz im Schmidtgarten sowie die Bereiche um Gaststätte und Gästehaus (Wildgehege)bilden den Abschluss bis an die Klostermauer.
Analog zu den Bauten und thematisch auf diese bezogen, spiegelt das System der Gärten somit das bauliche Organisationsprinzip des Klosters im Außenraum wider.
Zusammen mit dem Pfortenhaus bildet das Osttor den zweiten Hauptzugang für den täglichen Besucherverkehr. Das Nordtor ist als Zufahrt für Beschäftigte und als Zugangsbereich bei Großveran-staltungen gedacht, Wanderer auf dem Rundweg können ebenfalls von hier aus eintreten.
Ausgelichteter Gehölzbestand und neu gesetzte Baumreihen leiten klar und selbstverständlich Bewegungsrichtung und Blicke in der Annäherungen an das Ensemble. Dadurch läßt sich die Notwen-digkeit aufwändiger Beschilderungen auf ein notwendiges Maß reduzieren. Zusätzlich ergeben sich von vielen anderen Stellen im Umfeld vielfältige Ansichten auf Basilika und Klosterbauten.
Ein neuer „Rundweg“ entlang der Klostermauer, macht die Dimension des Gesamtgeländes eindrucksvoll wahrnehmbar, bietet ungewohnte (Durch-)Blicke auf das Kloster Eberbach.


Der große Klosterhof

Der große Klosterhof bildet einen neuen und außergewöhnlichen Raum inmitten des Klosterareals. Seinen räumlichen Abschluss bilden dabei die imposanten Klostergebäude (ehemalige Fraternei, Mönchsrefektorium und das Laiendormitoriums) sowie das Inspektorenhaus bzw. die Schlosserei im Norden.
Der vorliegende Entwurf sucht die räumliche Großzügigkeit des Hofes wieder zu entdecken bzw. zu stärken. Die nach Nordosten offene Raumkante wird durch in Reihe gesetzte Birnbäume geschlossen, welche gleichsam eine Fläche wassergebundener Decke rahmt. Unter den Bäumen befinden sich Sitzelemente, von denen aus man die außergewöhnliche Räumlichkeit intensiv erleben kann.
Der gesamte Hof wird durch Kleinsteinpflaster gerahmt. Im südlichen Hofbereich zwischen Fraternei, Mönchs- sowie dem Laienrefektorium befindet sich eine niveaugleiche Fläche aus Natursteinplatten. Diese nimmt in ihrer Materialität Bezug auf die Wege im Kreuzgarten.
Innerhalb des Klosterhofes setzt der neue Brunnen einen punktuellen Akzent und verweist auf die historische Tränke.

Verkehrskonzept/ Besucherlenkung

Das Kloster Eberbach weist heute zwei Besucherparkplätze außerhalb der Klostermauern auf: Vor dem Westzugang (Pfortenhaus) können 26 PKW und 5 Busse parken, vor dem Osttor 125 PKWs. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch für die Zukunft sinnvoll West- und Osttor für das fußläufige Eintreten in den Klosterbereich offen zu halten.

Kulturpflege ist wertvoll
Kloster Eberbach ist ein Kulturdenkmal mit überregionaler Bedeutung. Angesichts leerer öffentlicher Kassen scheint es vertretbar, die Besichtigung von Eberbach entgeltlich zu machen. Wer in Zukunft innerhalb die Klostermauern treten möchte, soll einen geringen Beitrag leisten (z.B. 1 €). Dieser Beitrag wird an Automaten (A1-A3) an den Zugängen entrichtet. Kontrollen erfolgen über Stichproben.
Die Notwendigkeit zweier Zugänge (Ost- und Westtor, s.o.) bringt mit sich, dass es auch zwei getrennte Kassenbereiche zum inneren Klosterbereich geben wird: Kassenbereich 1 (K 1) verbleibt im Neuen Krankenhaus, Kassenbereich 2 (K 2) wird über das Pfortenhaus und den Saugraben erschlossen.
Die Zufahrt für Autos durch das Westtor wird grundsätzlich untersagt. Eine Schranke vor dem Osttor verhindert ebenfalls die Zufahrt für Klosterbesucher. Kunden der Vinothek sowie gehbehinderten Menschen kann über eine Gegensprechanlage die Zufahrt erlaubt werden. Sie parken auf dem neuen Parkplatz nördlich der Vinothek. Die Weiterfahrt in das Innere der Klosteranlage wird durch Absperrpoller verhindert. In Ausnahmefällen (Catering, Rettungsfahrzeuge o.ä.) können diese Poller mittels Schlüssel umgeklappt werden.
Der heutige Parkplatz am Schmidtgarten wird erweitert und ist in Zukunft ausschließlich über die ausgebaute Forststrasse westlich des Klosters anfahrbar. Hier wird Mitarbeitern, Anwohnern sowie im Kloster tätigen Handwerkern das Parken ermöglicht. Die Zufahrt in das Klostergelände wird durch Absperrpoller verhindert. Ebenso über die Forststrasse wird der neue Parkplatz für Großveranstaltungen nördlich der Klosteranlage erschlossen.

Der gesamte innere Bereich des Klosters wird somit (bis auf wenige notwendige Ausnahmen) frei von ruhendem wie fließenden Verkehr erlebbar sein.