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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2009

Realisierungswettbewerb Rathaus Leingarten

Anerkennung

Peter W. Schmidt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau und Außenraumgestaltung


Das 1966 errichtete Rathaus von Leingarten soll aufgrund von Platzmangel sowie großer technischer und funktionaler Mängel durch einen Neubau ersetzt werden
Das zu überbauende Grundstück liegt im Zentrum Leingartens und wird nach Westen von einer zur Straße hin erhöht liegenden ca. 3,50 m hohen Umfassungsmauer aus Naturstein, die zur Kirche gehört, begrenzt. Auf dem Grundstück befindet sich außerdem der Marktplatz.

Der klare Baukörper reagiert durch die Fassadengestaltung und innenräumlichen Aufteilungen auf die differenzierten stadträumlichen Situationen und geht einen Dialog mit dem Ort ein. Er nutzt die zwei Höhenniveaus, die das Grundstück und die angrenzende Bebauung vorgeben, für die innenräumliche Konzeption. Im Norden, der Haupteingangsfassade mit dem Zugang zum Bürgerbüro, zeigt sich das Gebäude in seiner vollen Höhe von 3 Geschossen und dominiert so den alten wie neuen Marktplatz. Dieser erstreckt sich entlang der Heilbronner Straße und öffnet einen freien Blick auf das Rathaus.
Im Süden, zur Wohnbebauung hin, zeigt sich der Bau nur noch 2-geschossig und introvertiert und fasst den Raum der bestehenden Zehentasse neu. Die geschlossene Südfassade wird durch eine vertikale Glasfuge gegliedert, die den Passanten einen Blick von der Gasse aus in das Trauzimmer erhaschen lässt.
Die bestehenden Wegebeziehungen des Dorfes werden durch die Positionierung des Rathausneubaus und seiner Außengestaltung gestärkt und aufgewertet. Trotz seiner Größe wird das Gebäude so mit dem Gelände und der Umgebung verwoben.
Zur Kirche hin, auf dem Niveau des 1. Obergeschosses, wird ein neuer Platz definiert, der als Vorplatz für den Eingang in das Foyer des Trauzimmers und des Sitzungssaals dient. Gleichzeitig verbindet er das Rathaus mit der Kirche in einem neuen nachbarschaftlichen Verhältnis. Der „Kirchenplatz“ bildet das ruhige Pendant zum geschäftigen Marktplatz und etabliert einen bei Trauungen und anderen Festlichkeiten, aber auch für kirchliche Veranstaltungen nutzbaren öffentlichen Raum.
Die beiden charakterlich unterschiedlichen Plätze werden durch einen Arkadengang mit überdachter Treppenkaskade und einer grünen „Rasen-Welle“ miteinander verbunden. Der Säulengang vermittelt zwischen Innen- und Außenraum und spielt mit den Höhenniveaus zwischen Marktplatz und Kirche.

Der neue Marktplatz (an alter Stelle) ist in seinen Abmessungen etwas größer als ursprünglich. Die Platzmöblierung ist einfach gehalten um den zwei Mal wöchentlich stattfindenden Marktverkauf nicht zu beeinträchtigen. Bänke laden zum Verweilen im Schatten der Kirche ein. Vor dem Rathaus ist ein neuer steinerner Brunnen plaziert, der den Platz zoniert und ein neues Zentrum für den Marktplatz bildet.
Fahrradstellplätze sind in der neu entstehenden Gasse entlang der Kirchenmauer angeordnet.

Drei neue Stellplätze für Dienstfahrzeuge werden im Süden des Grundstückes, entlang der Zehentgasse, ausgewiesen.









Die Gebäudeorganisation


Das Innere des Gebäudes ist klar und einfach strukturiert: um das zentrale Erschließungsfoyer mit einer einläufigen Treppe reihen sich die Räume der Ost-West-orientierten Mitarbeiterbüros.
Die Büros der Amtsleiter, sowie das des Bürgermeisters liegen im Norden und erhalten zusätzlich einen repräsentativen Ausblick auf den Marktplatz, mittels über Eck liegenden raumhohen Verglasungen.

Die vertikale Erschließung erfolgt vom Marktplatzniveau aus über das öffentliche Eingangs-Foyer, das dem Bürgerbüro zugeordnet ist. Dieser Bereich dient den alltäglichen öffentlichen Amtsgeschäften.
Eine großzügige einläufige Treppe führt hinauf auf die „repräsentative“ Ebene des Hauses (Belletage).
Der Besucher gelangt in ein zweigeschossiges Foyer, das als Veranstaltungsraum, für Ausstellungen und Feste genutzt werden kann, aber auch der Kommunikation der Mitarbeiter dient.
Über die große Dachöffnung wird der Himmel ins Haus geholt. Dieses Oberlicht dient der natürlichen Belichtung und Lüftung des Hauses und übernimmt eine zentrale Rolle im Energiekonzept.
Eine Erweiterung des Foyers in den Außenraum wird durch die ebenfalls zweigeschossige „Stadtloggia“ geschaffen. Die Loggia steht als Mittler zwischen dem öffentlichen Marktplatz und dem großzügigen Erschließungsraum des Rathauses.

Dem Foyer zugeordnet, liegen im Süden der Veranstaltungssaal und das Trauzimmer. Diese Räume werden zusätzlich, ebenso wie der Besprechungsraum A10, über ein kleineres, eingeschossiges Foyer vom Kirchenplatz im Westen aus, getrennt erschlossen.
Das Trauzimmer orientiert sich mit seinen Fensteröffnungen nach Westen zur Kirche. Es erhält jedoch über die 2-geschossige Fuge in der Südfassade zusäzliches Licht und einen besonderen, fast sakralen Charakter. Diese „Lichtfuge“ schafft zusätzlich einen indirekten Bezug zwischen Foyer und Zehentgasse.
Im Sinne einer effizienten Raumauslastung wird vorgeschlagen die Funktion des großen Besprechungsraumes (D03) als alternierende Nutzung für das Trauzimmer vorzusehen.

Der große Veranstaltungssaal erhält ein Panoramafenster, das Sichtbeziehungen in die unterschiedlichen stadträumlichen Situationen ermöglicht.
Die Küche im Personalraum auf derselben Ebene kann bei Veranstaltungen zum Catering genutzt werden.

Das 2. Obergeschoss ist über die Galerie mit dem Geschoss darunter optisch und räumlich verbunden. Gleichzeitig ist es jedoch, als reines Verwaltungsgeschoss, nur über das im Osten gelegene Treppenhaus und den Aufzug an die öffentlichen Geschosse angebunden.
Der Bürgermeister erhält zusätzlich zum Ausblick auf den Marktplatz noch einen Stadtbalkon, der als Blickfang in der Loggia hängt.

Dem Notariat im 2. Obergeschoss zugeordnet ist eine Vorzone (Foyerzone), die als interne Kommunikationszone und als Wartebereich dient.

Die Anlieferung und Entsorgung des Rathauses erfolgt über den Eingang am „Kirchenplatz“.







Baukonstruktion und Materialität


Das Gebäude ist als Massivbau aus Stahlbeton und Mauerwerk geplant und mit einer hinterlüfteten, Natursteinfassade verkleidet.
Das edle Material Naturstein unterstützt die Bedeutung des Neubaus als öffentliches Gebäude und neuen Mittelpunkt des Ortes Leingarten und nimmt ein ortstypisches Gestaltungselemente auf (Teile der Kirchturmfassade sind in Naturstein ausgeführt, bei zahlreichen historischen Gebäuden in Leingarten werden die Erdgeschosszonen durch Natursteinmauerwerk betont).

Die Fenster in der Fassade werden als Holzfenster mit Wärmeschutzverglasung und tieferliegenden seitlichem Öffnungsflügel aus Holz ausgefürt. Durch dieses auch gestalterische Element wird die Glasfläche des Fensters auf das für die Belichtung optimale Maß reduziert. Außenliegende Sonnenschutzstores sind in die Fensterrahmen integriert.
Die Westfassade wird zusätzlich durch die vorgelagerten Arkaden verschattet.
Die Materialität lässt ein abwechslungsreiches Fassadenbild aus verglasten Öffnungen mit seitlichen Holzelementen in unterschiedlichen Fassadenebenen, sowie den Wandflächen entstehen, das zu den unterschiedlichen Tageszeiten in differenzierten Schattenvarianten erscheint.
Tiefe vertikale Glasfugen gliedern den monolithischen Baukörper. Das Fugenbild der Steinfassade strukturiert die geschlossenen Wandflächen.

Die Dachfläche des Gebäudes ist extensiv begrünt.

Der Einsatz robuster und reparaturfähiger Materialien, und die Verwendung von Baustoffen aus der Region sind ein wesentlicher Bestandteil des ökologischen Konzepts.


PETER W. SCHMIDT ARCHITEKT BDA

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich fügt sich das Gebäude in die Umgebung ein. Die
Abstände zu der Nachbarbebaung sind ausreichend dimensioniert.
Durch die 3-geschossige Bauweise passt sich das Gebäude
in der Höhenabwicklung der vorhandenen Bebauung an. Die
öffentlichen Parkplätze an der Heilbronner Straße bleiben erhalten.
Durch das Eingraben des Gebäudes wird die Kirchenmauer
abgegraben und ist zu sichern. Dies wird als problematisch angesehen.
Durch die Grundfläche des Gebäudeentwurfs wird die
Marktplatzfläche eingeengt. Die Größe ist nicht ausreichend im
Vergleich zur jetzigen Situation. Der Eingangsbereich ist offen und
freundlich gestaltet. Durch die Ausrichtung der Fensterflächen
in Ost-West-Richtung und die vorhandenen Arkaden können im
Eingangbereich Verschattungen nicht vermieden werden. Die
Arkade dient als reines Stilelement und hat keine sonstige Funktion
wie z. B. Sonnenschutz. Die massive Außenwand im rückseitigen
Bereich der Zehentgasse hat einen städtischen Charakter und
passt nicht in die Umgebung. Die Grundstücksgrenze wird im
südöstlichen Bereich um 3 m überschritten.
Der Innenbereich des Gebäudes ist klar strukturiert. Die Stützenkonstruktion
im Innenbereich macht die Situation unruhig und
verursacht im Atrium durch die unterschiedlichen Sonnenstände
Verschattungen. Im Gegenzug bietet sich für das Atrium ein
einfaches Lüftungssystem an. Weiter bietet die Dachfläche ein
großes solares Potenzial, das auch gleichzeitig als Sonnenschutz
dienen kann. Das Gebäude hat bei weitem den kleinsten
Fensterflächenanteil. Die Kompaktheit des Gebäudes (A/VVerhältnis)
liegt im Vergleich zu den anderen Entwürfen im
Normalbereich. Das Raumprogramm mit 1780 qm entspricht
weitgehend der Auslobung. Die Erschließung des Gebäudes ist
barrierefrei gestaltet. Die Funktionsbeziehungen der Ämter sind
größtenteils gut gewählt. Nur das Hauptamt ist vom Bürgerbüro
abgetrennt. Der Sanitärbereich in den einzelnen Geschossen
ist nicht zufriedenstellend.