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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2003

Neubau Justizvollzugsanstalt

Neubau Justizvollzugsanstalt _ Plan 1

Neubau Justizvollzugsanstalt _ Plan 1

Preisgruppe

hks architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau

Die drei Gebäudebereiche der Justizvollzugsanstalt, die zentralen, gemeinschaftlichen Nutzungen– die Hafträume – und die Werkstattbereiche werden durch ein, sich in die Tiefe des Grundstücks erstreckendes Gebäudeband miteinander verbunden.
Es bilden sich drei Hofbereiche: der E i n g a n g s h o f, der G e f a n g e n e n h o f und der W e r k h o f, die die gesamte Anlage masstäblich und nutzungsbezogen gliedern.
Städtebaulich dominierend ist die, das Gelände umfassende, hohe Gefängnismauer. Die einzelnen, nach aussen hin sichtbaren Gebäudeteile nehmen den Masstab der angrenzenden Bebauung auf. Das Werkstattgebäude bezieht sich auf die baulichen Großstrukturen im Westen des Geländes, das Haftgebäude weist von seinen Dimensionen Bezug zum vorhandenen Gefängniskreuzbau auf und das
Pfortengebäude, das als Einzelbauwerk ablesbar ist, bezieht sich auf die angrenzenden Einzelgebäude.


Architektur

Die Identität und die gestalterische Prägnanz des Konzepts liegt in der Spannung zwischen gerichtetem Haupterschliessungsgebäude und der Anordnung von drei Höfen an dieser Achse mit unterschiedlicher Ausrichtung.
Im Vergleich zur alten, unter Denkmalschutz stehenden Justizanstalt, die einen Baukörper in den Mittelpunkt des Konzepts stellt, wird bei der neuen Anlage ein nutzbarer, gemeinschaftlicher, räumlicher Mittelpunkt zum Kerngedanken des Baukonzepts. Wenn man eine Justizvollzugsanstalt – trotz Ausgrenzung der Gefangenen aus der Gesellschaft – als einen Bereich versteht, der die Inhaftierten befähigen soll künftig ein Leben in einer Gemeinschaft und sozialer Verantwortung zu führen, so ist ein architektonisches Konzept wichtig, das die Gemeinschaft auch räumlich erlebbar werden läßt. Aus diesem Grund bildet ein weiträumiger, zentral liegender Innenhof den Schwerpunkt der Anlage. Hier sind nicht nur der Freigangsbereich angeordnet sondern auch die Räume, die der Begegnung und der Freizeitgestaltung dienen sollen. So werden die Sporthalle – Besucherbereich - Mehrzweckraum – Kirchenraum und angrenzend die Schulungsräume und Bücherei hier angeordnet.
Da hier auch Kontakte mit der Ă–ffentlichkeit stattfinden, sind diese Bereiche auch auf einfachem, kurzem Weg von der Innenpforte zu erreichen.


Erschliessung

funktionale Zuordnungen
Die zentrale Erschliessung erstreckt sich entlang eines Gebäudebandes, das sich mit einem Wechsel zwischen gefassten Höfen und Gebäudeteilen in die Tiefe des Grundstücks entwickelt.
Das Pfortengebäude, als Bestandteil der Gefängnismauer macht dieses „innere Rückgrat“ schon am Eingang erkennbar. An dieser Achse liegt ein gebäudebegleitender Erschliessungsflur, der unterirdisch, wie auch oberirdisch die Haupterschliessung übernimmt.
Die Treppenhäuser für die angrenzenden Gebäude sind ebenfalls hier angeordnet, so daß alle Gebäude einfach und auf kurzem Wege zu erreichen sind.
In diesem Gebäudeband sind die Innenpforte, der Besucherbereich, die Gemeinschaftsräume, die Verwaltung mit Personalkantine, die Sporthalle und im hinteren Bereich der Gefangenen-Speisesaal mit Küche und Nebenräumen angeordnet.
Im U-förmigen, überschaubaren Unterkunftsgebäude sind neben den eigentlichen Hafträumen auch die Aufnahmeräume und die Räume für die Gesundheitsfürsorge untergebracht – dieser Bereich kann eigenständig abgetrennt werden, so daß ein reibungsloser Betrieb gewährleistet ist.
Da die einzelnen Haftbereiche durch die Übereckanordnung leicht überblickt werden können, werden während der Nacht lediglich 4 Wachpersonen benötigt, um alle 10 Bereiche zu sichern.
Die Werkstätten sind ebenfalls über die interne Haupterschliessung, sowie von außen über den Werkhof der An- und Ablieferung sicherstellt, zu erreichen.


Freianlagen

Die drei wesentlichen Höfe der Anstalt haben aufgrund ihrer verschiedenen Nutzungen und Aufgaben unterschiedlichen Charakter.
Der Werkhof wird als G a r t e n (Heckenbänder und Pflanzflächen), der Gefangenenhof als P a r k (Rasenwelle) und der Eingangshof als P l a t z (Baumblock aus geschnittenen Kirschbäumen) gestaltet.
Innerhalb des Gemeinschaftsgebäudes werden kleine Themenhöfe vorgeschlagen, die als „Jahreszeitenhöfe“ gedacht sind.
Im F r ü h j a h r s h o f am Speisesaal verströmt ein Kräuterteppich seine Düfte und Geophyten kündigen die Jahreszeit an.
Der S o m m e r h o f wird von einem Seerosenbecken bestimmt, welches die entsprechende Kühlung des Hofes mit sich bringt und die ruhige Atmosphäre in der Nähe zum Kirchenraum und der Bücherei schafft.
Der H e r b s t h o f besteht aus einer Holzterrasse auf der bunte Töpfe mit verschiedenen Sträuchern in unterschiedlichen Herbstfärbungen stehen.
Im W i n t e r h o f schaffen Gräser und eine immergrüne Eiche auch zu dieser Jahreszeit ein stimmungsvolles Bild.
Durch die unterschiedlichen Hofgestaltungen können die Insassen einzelne „Naturabläufe“ verfolgen, im Garten arbeiten oder im Gras liegen.
Die Stellplätze im Eingangsbereich werden von dicht gepflanzten Bäumen überdeckt.


Material - Farbe – Konstruktion

Neben den vielen Zwängen, die ein Strafvollzugs-gebäude auferlegt, liegt in der Material- und Farb-gestaltung eine Möglichkeit, „humanem“ Strafvollzug ein „Gesicht“ zu geben.
Die Aussen-Fassaden werden mit einem regional typischen Klinker verkleidet und die Fensteröffnungen werden zu Bändern zusammengefasst.
Ausnahme bilden die Fassaden der „Jahreszeitenhöfe“, die sich als Pfostenriegelfassade- innerhalb des kleinen Hofes- grosszügig öffnen.
Im Inneren des Gebäudes soll Holz als ein natürliches, haptisches Material die Grundatmosphäre bestimmen. Einzelne Farbakzentuierungen der öffentlichen Bereiche, sowie der Treppenhäuser sollen die Eintönigkeit des Gebäudes vermeiden und räumliche Schwerpunkte bilden. Insbesondere in den Unterkunftsräumen soll die Wirkung der Farbe eingesetzt werden.
Das Gebäude wird aus einer vorgefertigten Stahlbeton-konstruktion, die sowohl Kosten- als auch Zeiterspar-nis und Sicherheitsaspekte gewährleistet, erstellt.
Die Minimierung der Betriebskosten wird durch das haustechnische Konzept sichergestellt.
Die Bauunterhaltung insbesondere der Aussenfassaden ist durch die „wartungsfreie“ Klinkerfassade und Aluminiumfenster auf ein Minimum beschränkt.


Energetisches Konzept

Ziel des Energiekonzeptes ist es, Gebäude und Haustechnik zu einem integrierten Gesamtkonzept zusammenzufügen, dies geschieht durch folgende Massnahmen:

Realisierung der „5 Liter JVA“
• Gebäude mit hohen Speichermassenanteilen
• Passive Solargewinnung
• Hoher Dämmstandard (ca. 35% unter WSVO, ca. 10% unter EneV)
• Durch hohen Wärmedämmstandard kann ein wesentlicher Teil des Wärmebedarfs durch interne Wärmequellen (Bewohner), gedeckt werden.
• Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in den Bereichen Verwaltung, Gefangenunterkünfte, Mensa und Turnhalle reduzieren die Lüftungswärmeverluste um 70 –80%.
• Das System der Betonkernaktivierung sorgt für optimierten Temperaturausgleich innerhalb der Gebäude. Hiermit wird im Winter geheizt und im Sommer kann gekühlt werden (nicht in Turnhalle und Werkstätten).
• Nutzung der Erdwärme zum Kühlen im Sommer und Vortemperieren der Luft (Kühlschlangen im Grundwasser in erdberührten Bauteilen unter und neben den Gebäuden), kein Wärmepumpeneinsatz.
• Wärmebedarfsdeckung aus vorhandenem Heizwerk. Durch das System der Betonkernaktivierung werden sehr niedrige Rücklauftemperaturen erreicht.
• Thermische Solarenergienutzung über Röhren-kollektoren zur Warmwasserbereitung. Die Kollek-toren sind im Bereich des Flachdachs Gefangenen-trakt untergebracht und versorgen über eine zentrale WW- Bereitung die Gefangenenunterkünfte, die Turnhalle sowie die Waschräume in der Verwalt-ung. Die Kollektoren werden nicht aufgeständert, sondern flach auf den Gebäudedächern angeordnet. Sie werden so ausgelegt, dass eine Deckung in den Sommermonaten möglich ist, um auf eine Nah-wärmeversorgung zu verzichten.

Sorgsamer Umgang mit Wasser
• Regenwassernutzung (ca. 80 m³ Stahlspeicher) und Brunnenwassernutzung für Toiletten und Gartenbewässerung.
• Wassersparende Armaturen
• Flexible Versorgungstruktur im Bereich der Werkstätten zur Anpassung an unterschiedlich Nutzung (Wärme, Wasser, Elektrizität)
• Großzügig dimensionierte Grundleitungen zur Regenwasserrückhaltung im Spitzenfall

Stromsparende MaĂźnahmen
• Energiesparende Beleuchtung. Im Bereich Verwaltung, Turnhalle und Speisesaal zusätzlich tageslichtgesteuert.
• Effiziente Antriebe im Bereich Heizung und Lüftungsanlagen sowie Warmwasserversorgung
• Direktangetriebene Aufzugsanlagen
• Gasbefeuerte Kücheneinrichtungen zur Senkung der Spitzenlast und der Verbrauchskosten.
• Bereitstellung von südorientierten Dachflächen für mögliche Contractoren für Fotovoltaikanlagen

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen für die neue JVA Willich II eine Kammstruktur vor, die dem Ziel einer Individualisierung von Einzelbereichen und der Identitätsstiftung entgegen kommt.
Die klare Erschließungsspange mit dem Campus im Norden und den Haftzellen im Süden, die sich zu den kleinen \"Wohnhöfen\" öffnen, schafft eine sinnvolle Gliederung des Grundstücks in öffentliche bzw. gemeinschaftliche Freiflächen und in private Räume. Die Verfasser haben diese vorhandenen Räume sehr differenziert durchgearbeitet. Man spürt das Verlangen, der JVA nicht die Anmutung eines Gefängnisses zu verleihen, aber gerade hier liegt ein gravierender Mangel verborgen: der hohe erforderliche Personaleinsatz und die sehr große Transparenz. Angefangen von der mit einer Person nicht zu \"bespielenden\" Schleuse, von der aus entweder die Besucher oder die Fahrzeuge kontrolliert werden können, über die voll verglaste Verwaltung, die nur mit unverhältnismäßig hohen Mitteln gesichert werden kann, bis hin zu den fast bis zum Boden verglasten Zellen, in denen eine Intimität kaum zu gewähren ist (zumal einige Zellen sogar zum Besucherzentrum oder zur Krankenstation hin orientiert sind).
Es wurde kritisiert, dass zwei Hafteinheiten nicht durch eine Person überwacht werden können, was unter dem Aspekt der angespannten Personalsituation hohe Priorität hat.
Insgesamt handelt es sich um eine virtuos vorgetragenen und angenehm erscheinenden Entwurf, der als wichtiger Beitrag zur Neuformulierung des gestellten Themas gewertet wird; jedoch wurde den hohen Sicherheitsanforderungen und dem vorgegebenen Kostenrahmen nicht in ausreichender Weise Rechnung getragen.
Neubau Justizvollzugsanstalt _ Plan 2

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Neubau Justizvollzugsanstalt _ Plan 3

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