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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2009

Umbau Christuskirche Kirchheim

3. Preis

arabzadeh.schneider.wirth architekten

Architektur

koeber Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Evangelische Christuskirche wurde im Jahre 1909 durch den Architekten Martin Elsässer erbaut und 1953/54 von Prof. Yelin umgebaut.
Diese Umbauten sollen im vorgegebenen Kostenrahmen rückgängig gemacht werden. Zusätzliche Räume sind zu konzipieren, um zukünftig vielfältige kirchliche Aktivitäten der Christuskirchengemeinde zu fördern.

Raumkonzept

Der Innenraum bleibt in seinem denkmalgeschützten Bestand erhalten. Das Altarbild von Prof. Yelin wird durch die drei ursprünglichen Fenster in moderner Gestaltung ersetzt, die sich im Mauerwerk abzeichnen. Der geschlossene Raum der ehemaligen Kanzel wird geöffnet, die Symmetrie hergestellt. Der Altar rückt wieder zur Gemeinde.

Drehbare Raumteiler in Holz lassen sich zum Seitenschiff und Kirchenraum hin öffnen bzw. schließen und überzeugen durch ihre Eleganz der Einfachheit. Somit ergeben sich vielfältige Möglichkeiten einer flexiblen Zuschaltung. Entlang der östlichen Außenwand werden die Außenfenster mit Schrankelementen eingerahmt. Daraus entwickelt sich eine spannende Raumfolge aus Teeküche, Lager (Getränke, Putzmittel, Stühle), Mesnerraum und Sakristei.
Die runden Holzstützen werden zum Seitenschiff verglast und lassen sanftes Tageslicht in den Gottesdienstraum einfließen, nachts wird die Tageslichtsituation durch künstliche Beleuchtung simuliert.
Den Vorraum unter der Empore trennt eine Schichtung von Holz-Glas-Elementen vom Gottesdienstraum. Die Großzügigkeit und Flexibilität dieses Auftaktraums sowie der würdevolle Zugang zum Gottesdienstraum sollen nicht durch Einbauten beeinträchtigt werden. Der holzverkleidete Windfang umhüllt den Eingang, flankiert von zwei Schrankelementen als Garderobe sowie als Lager z.B. für die Kinderspielecke.

In unmittelbarer Nähe wird über das südöstliche Treppenhaus die Teeküche und das Lager z.B. zur Gestaltung von „Ständerlingen“ oder kleinen Zusammenkünften erreicht. Ein einfaches Schließsystem beschränkt die Zugänglichkeit zu den Raumfolgen. Die Toilette unter der Treppe zur Empore liegt außerhalb des Kirchenraums und ist sowohl für Veranstaltungen im Erdgeschoß als auch auf der Empore nutzbar.
Die Orgel verbleibt an ihrem historischen Standort. Eine akustische Abtrennung der Empore zum Gottesdienstraum ist über Schiebeelemente denkbar. Die Abtreppung auf der Empore bis auf den Zugang zur Orgel wird entfernt. Dadurch entstehen um die Orgel zwei Raumeinheiten z.B. für Gruppen- und Jugendarbeit.
Die heutige Sakristei in die Raumfolge des Seitenschiffs zu integrieren, ist der direkten und barrierefreien Anbindung des Gottesdienstraumes an den Innenhof geschuldet. Dabei soll die originale Vertäfelung in der Sakristei bewahrt werden.
Jeder der vier Eingänge übernimmt eine Aufgabe: Der überdachte Südeingang als historischer Hauptzugang wird durch den verkehrsberuhigten Gaiserplatz gestärkt. Der westliche Zugang über die jetzige Sakristei verknüpft Gottesdienstraum und neugestalteten Innenhof mit direkter Anbindung des Kindergartens. Der Zugang auf der Nordseite ist separater Eingang für Pfarrer und Mesner. Über den südöstlichen Zugang werden der Raum unter der Empore und die Empore erschlossen. Jeder Zugang trägt zu einer Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten der Christuskirche bei.
Den Raum im Dachgeschoß als ganzjährig nutzbarer Jugendraum anzudenken, klingt verlockend, setzt jedoch eine Dachdämmung, Sanitärräume sowie einen zweiten Rettungsweg voraus, der zu Eingriffen in die Originalfassade führt: Ein Fluchtfenster (1,20 m x 0,90 m), Fluchtbalkon mit Fluchtleiter sowie der Zugangssteg in F-90 fordert der Brandschutz. Konterkarieren diese baulichen Eingriffe nicht den Wunsch nach Erhalt der ursprünglichen Bausubstanz?

Beleuchtungskonzept

Die Elsässer-Kirche wurde ursprünglich durch vier 8-strahlige mächtige Kupferkronleuchter sowie ähnliche Wandleuchten belichtet. In Anlehnung daran sollten vier schlichte weiße Pendelleuchten mit hohem indirekten Lichtanteil (z.B. „Oslo-Pendelleuchte“ von Louis Poulsen) das lichtreflektierende Tonnengewölbe bestrahlen. Der Raum unter der Empore wird durch Deckenleuchten („Oslo-Micro“), die Empore und der Altarraum mit Wandleuchten („Oslo-Uplight“) indirekt beleuchtet. Die Leuchten sind dimmbar, das künstliche Licht paßt sich in seinen Lichtstimmungen den unterschiedlichen Nutzungen an. Durch ihr einheitliches modernes Erscheinungsbild unterstützen die Leuchtkörper den Wunsch nach gestalterischen Reduzierung auf das Wesentliche.

Möbel- , Material- und Farbkonzept

Das Farbkonzept kommt dem ursprünglichen Elsässer Konzept sehr nahe. Der Originalfußboden im Gottesdienstraum wird in Anlehnung im Raum unter der Empore fortgesetzt. Alle verputzten Erdgeschoßwände erscheinen bis zum Fries in einem hellen Grau, die Türen mit ihrer ursprünglichen weißen Fassung. Die weißen Verzierungen unterhalb des dunklen Frieses treten deutlich hervor, darüber erstreckt sich das weiße Tonnengewölbe, das durch die Pendelleuchten mit hohem indirektem Lichtanteil den Gottesdienstraum optisch und atmosphärisch erhöht.
Die modernen Elemente aus Holz orientieren sich in Struktur und Farbigkeit an den alten Holzgewänden und –decken mit ihren quadratische Intarsien ohne zu dominieren.
Das matte Weißglas zwischen den Drehelementen wird sandgestrahlt, die Glasscheiben zwischen Vorraum und Gottesdienstraum beeinträchtigen Einblicke nicht.
Ein zurückhaltender, stapelbarer Thonet-Holzstuhl, in der Farbe der Raumteiler gebeizt mit dunkler Stoffauflage, ermöglicht vielfältige Möblierungsvarianten und rundet das harmonische Miteinander von historischer Bausubstanz und modernen Einbauten ab. Die für unterschiedlichste Nutzungen flexiblen und offenen Räume vermitteln als zukünftiger kirchlicher Treffpunkt für Kinder und Familien ganz selbstverständlich Geborgenheit und ein hohes Maß an Wohlfühlatmosphäre für Menschen unterschiedlichster Couleur.

Energiekonzept

Die energetische Optimierung der Christuskirche begründet sich in der Verantwortung gegenüber dem Schöpfungsauftrag, der nicht in „Herrschaft über“, sondern „Leben mit und Verantwortung für diese Erde“ seinen tiefsten Sinn entfaltet. Der Einsatz von kostenintensiver Technik mit mechanisch aufwändigen und reparaturanfälligen Elementen wird auf ein Minimum reduziert. Die Ausgewogenheit zwischen Ökologie und Ökonomie sowie der angemessene Umgang mit der denkmalgeschützten und künstlerischen Qualität der Christuskirche, der einen Eingriff in die äußere Gebäudehülle ausschließt, steht im Vordergrund. Deutliche Einsparungen im Energieverbrauch sind erzielbar durch: Dämmung des Tonnengewölbes über dem Kirchenraum und der Empore. Schaffung von Temperaturzonen/ Pufferräumen durch energetische Optimierung sowohl der Außentüren als auch der sich anschließenden Innentüren als Windfänge und Einbau eines Windfangs am südlichen Hauptzugang. Erneuerung der Fenster mit Wärmeschutzverglasung in einheitlicher Sprossenaufteilung entsprechend des historischen Befunds. Dämmung der Außenwände gegen Erdreich im Zuge der Neugestaltung Innenhof und Gehwege. Dimmbare, sparsame und effiziente Energiesparleuchten mit weitstrahlenden Reflektoren für direktes/indirektes Licht und helle Deckenoberflächen zur Lichtlenkung. Heizungsanschluß an die energetisch optimierte Gasbrennwerttherme im Ernst-Traub-Gemeindehaus einschließlich Dämmung der Vor- und Rücklaufleitungen. Einbau von dezentralen Warmluftstationen mit Warmwasser als Energieträger im Dachraum der Christuskirche zur Beheizung und Belüftung des Kirchenraums. Individuelle Steuerung des Ventilatorlaufs, der Wärmeabgabe, der Luftfeuchte im Umluft- und Außenluftbetrieb mittels optimal verteilter, in das Tonnengewölbe integrierter Zuluftdüsen mit Archimedesregelung der Luftstrahllänge zur Vermeidung von Zugerscheinungen (z.B. Mahr–Calor–System). Fußbodenheizung im Vorraum unter der Empore zur Grundtemperierung. Niedrigtemperaturheizkörper mit „intelligenten“ Thermostatventilen für eine Grundtemperierung der Nebenräume und Erwärmung der Raumschale zur Vermeidung von Luftfeuchteschwankungen, Tauwasserbildung an kalten Außenwandoberflächen oder häufig schwankende Aufheizintensitäten. Warmwasseraufbereitung der Teeküche mit lokalem elektrischen Durchlauferhitzer, Kaltwasseranschluß im WC.
Bei diesen vorgeschlagenen aktiven und passiven Maßnahmen zur Energieeinsparung bleibt die gestalterische Qualität der Elsässer Kirche bei angemessenem Komfort und Technikaufwand weitestgehend unangetastet.

Außenanlagen

Nach den Planungen der Stadt Kirchheim unter Teck verändert sich der Gaiserplatz und damit die Verkehrsführung vor der Kirche. Die Kirche rückt damit an den Platz und erhält ein offenes Vorfeld. Dies ist angemessen und sollte nach Osten aufgegriffen werden, so dass die Gehwegfläche großzügig bis an das Gebäude herangeführt wird. Die Kirche wird damit selbstbewußt ein wichtiger Teil des öffentlichen Raums.

Der Kirchhof erhält eine warme Oberfläche aus einem Ziegelbelag. Der Ziegel nimmt Bezug zur Materialität der Fassade auf. Eine offene Baumscheibe schafft bessere Lebensbedingungen für die zentrale Linde im Hof. Vor der schützenden und rückenbildenden Hecke, die den Hof einfaßt, stehen Bänke und verbessern damit wesentlich die Aufenthaltsqualität für vielfältige Bespielungen.

Zusammenfassung

Durch den Rückbau mit seiner denkmalpflegerischen Rücksichtnahme einerseits, durch die neuen und zugleich maßstäblichen Einbauelemente andererseits behält der Kirchenraum seine Würde und erfährt zugleich eine neue, einladende Frische und Aufwertung für die zukünftigen Nutzungsideen der lebendigen Christuskirchengemeinde.