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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2009

Umgestaltung Nelson-Mandela-Platz Nürnberg

3. Preis

Preisgeld: 7.500 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Landschaftsarchitektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Geschichte des Ortes

Das Gebiet des heutigen Nelson-Mandela-Platzes liegt buchstäblich vor den Toren des mittelalterlichen Nürnbergs. Bereits im 14. Jahrhundert entstanden hier die Dörfer Tafelhof, Galgenhof, Gibitzenhof und Lichtenhof, welche vornehmlich die Versorgung der Burgbesatzung und der Bevölkerung von Nürnberg mit landwirtschaftlichen Gütern sichern sollten.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein kam Tafelhof und Galgenhof eine weitere wichtige Aufgabe zu: Hier wurde die schmutzige Wäsche der wohlhabenden Nürnberger gewaschen. In der Nähe des Fischbaches, welcher beide Ortschaften durchfloss, standen die Hütten der Bleicher und Wäscherinnen, direkt über dem Bach die „Fleihütten“. In großen Bottichen und Zubern wurde hier die Wäsche gekocht, gebleicht, gebläut und anschließend getrocknet.
Die heutige Tafelhofstraße und Galgenhofstraße sind die verbliebenen Reste der alten Dorfstraßen, an deren Seite der Fischbach in Richtung Sterntor durch die Stadtmauer geleitet wurde. Der Bach wurde erst 1897, im Zuge der Industrialisierung und des Eisenbahnbaus, verrohrt.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Ortschaften des Nürnberger Süden eingemeindet und zunehmend Standorte für die, in der Gründerzeit schnell wachsende, Industrie der Stadt. Der östliche Teil des Nelson-Mandela-Platz war, wie auch das Gebiet des Südstadtparkes, bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch Wohngebäude besetzt. So ergab sich damals die räumliche Situation eines offenen und belebten Celtisplatzes, der von gründerzeitlicher Bebauung umgeben war.

Situation
Heute stellt der Nelson Mandela Platz eine sowohl städtebaulich wie auch freiraumplanerisch unbefriedigende Situation dar. Seine angrenzenden Raumkanten sind durch die unterschiedlichen Traufhöhen und Fassadenansichten diffus und werden von den Besuchern als unangenehm wahrgenommen. Dieses Gefühl wird durch die unproportionierte Längsausdehnung entlang der Bahntrasse und der eingeschossigen Bebauung noch verstärkt. Im geltenden Bebauungsplan wird zwischen Platz und Bahn im Norden ein Baufenster festgelegt. Eine Sieben geschossige Bürostruktur könnte dem Platz eine angemessene Raumkante verleihen und würde die Emissionen der Bahntrasse zurück halten. Bis heute ist es jedoch nicht möglich gewesen einen Investor zu finden, so dass man über andere Lösungen nachdenken muss.
Die Nürnberger Südstadt stellt sich heute als dichte gründerzeitliche Stadterweiterung dar die ein hohes Defizit an wohnungsnahen Grünflächen und Quartiersplätzen hat. Vor diesem Hintergrund wurde der neue Südstadtpark entlang der Bahn angelegt der die Bedürfnisse nach Freiraum kompensiert und das Quartier mit den Grünbereichen der westlichen Altstadt verknüpft.


Konzept
Das städtebaulich- landschaftsarchitektonische Konzept hat zwei grundlegende Themen zum Ziel. Zum einen werden die Platzränder neu definiert und die fehlenden Proportionen korrigiert. Zum anderen wird dem Defizit an qualitätsvollen städtischen Freiflächen mit der Schaffung neuer Grünflächen entgegen gewirkt.


Entwurf
Die nördliche Platzkante wird über eine Bahn begleitende Architektur homogenisiert. Das zweigeschossige Volumen hält die Lärmemissionen der dahinter liegenden Bahnsteige zurück. Ein Filter aus Bäumen führt die Struktur des Südstadtparkes weiter und bildet mit seinen Kronenvolumen eine neue lichte Raumkante an der Nordseite des Platzes aus. Gastronomische Einrichtungen werden die Sonnenseite des Platzes im Schatten der Bäume mit Bestuhlung beleben. Die Zugänge zum Bahnhof bleiben frei von Bäumen und werden dadurch deutlich abgebildet.
Der östliche Teil des Nelson Mandela Platzes wird in Anlehnung an die historische Situation als grünes Volumen ausgebildet, welches an der Pillenreuther Straße einen offenen Platz vor dem südlichen Haupteingang des Bahnhofes formuliert. Ein mit Bäumen hergerichtet grüner Freiraum wird dem Quartier als Erholungsraum zur Verfügung stehen.
Der offene Platz an der Pillenreuther Straße wird im Süden vom Hotel und der Restauration begrenzt und bespielt.
In Anlehnung an die ehemaligen Wäschereien entlang des Fischbaches werden Wasserobjekte, die formal an die alten Zuber erinnern, auf dem Platz positioniert. Das Thema des `Wäsche waschen` wird über unterschiedliche Wasserzustände interpretiert. Ein überlaufender Zuber, ein brodelnder Zuber und ein dampfender Zuber werden für die Besucher ein erlebbares Wasserspiel bereit halten.
Die Laufbeziehungen von der Straßenbahn in das Quartier oder in den Bahnhof werden über die offene Platzfläche Barriere frei abgewickelt.
Die Qualität des neuen Nelson Mandel Platzes wird sich aus der Bipolarität des offenen Stadtplatzes und des grünem Quartierspark entwickeln.


Architektur
Für die derzeit sehr inhomogene Süd-Fassade des Nürnberger Bahnhofes schlagen wir eine neue schlanke, dynamisch gebogene und bahnbegleitende Hülle vor.
Städtebaulich wichtig für die Konturen der neuen Platzgestaltung vereinheitlicht und beruhigt diese neue Fassade den Nelson-Mandela-Platz und übersetzt dennoch die Dynamik der ein- und ausfahrenden Züge. Das Gebäude definiert sich durch seine Form und Fassade als Teil des Bahnkörpers ähnlich wie die andernorts vorhandenen Kollonaden.

Auf Platzniveau zieht sich eine Glasfuge als Fassade entlang, die Einblicke in die vor den Bahndamm geschalteten Funktionen zulässt und an den Stellen der Eingänge der DB im Osten und Westen zurückspringt.
Zwischen den beiden Eingängen wird eine Fahrradstation vorgeschlagen, die die 500 überdachten Fahrradstellplätze beherbergt und ebenfalls einen Fahrradverleih und –verkauf anbietet. Dieses System hat sich bereits an vielen deutschen Bahnhöfen bewährt und greift zudem das Thema der Mobilität und Dynamik des Bahnhofes auf. Die Fahrräder werden entsprechend der Form der Station in einer Linie entlang der Fassade gestellt bzw. gehängt. Ergänzt wird das Angebot durch eine Fahrradwerkstatt mit Büros z.B. für den ADFC im Osten des Areals.
Im Bereich des Cafés Southside wird durch die neue Hülle ein vorgeschalteter Bereich mit Galerie geschaffen, der Blicke auf den neuen Platz als auch auf die Gleisanlagen zulässt.
Das Vordach, das sich über die gesamte Länge der Hülle erstreckt, ermöglicht die Erreichbarkeit aller Funktionen auch bei schlechtem Wetter und dient ebenfalls als Wartebereich im Falle des Einsatzes von Schienenersatzverkehr.

Die Konstruktion besteht in Analogie an Bahnhofshallen aus einem Stahlbau, der im oberen Bereich zum Platz hin mit Profilbauglas verkleidet ist.
Des Weiteren werden auf dem Profilbauglas Lamellen angeordnet, die je nach Geschwindigkeit im Vorbeifahren oder –gehen eine eigene Dynamik erzeugen.
Zu den Gleisen hin wird die Fassade verglast, um Sichtbezüge durch das Gebäude herzustellen.


Materialität
Die Platzfigur wird durch die eine spezifische Materialität gestärkt und für den Betrachter lesbar. So kommt hier historischer Naturstein im Passeverband zum Einsatz, um eine adäquate Grundlage für die Entwurfselemente zu schaffen, welche sich aus der Geschichte des Ortes ableiten.
Die umliegenden Bereiche vor der Bebauung werden durch neutrale aber hochwertige Betonplatten besetzt. So kann dem hohen städtischen Nutzungsdruck entgegen gewirkt und an den Randbereichen des Planungsgebietes an die bestehenden Fußwege stimmig angeschlossen werden.
Die Wäscherinnen-Brunnen sind als konische Stahlbecken mit einer Verkleidung aus Holzbohlen konzipiert, um an die historischen Holzzuber der Wäscherinnen am Fischbach zu erinnern. Zwischen vier und sechs Metern im Durchmesser erheben sich die Wasserelemente dabei 70 Zentimeter über den Boden. Der größte der drei Brunnen ist mit dem Thema des Überlaufens belegt. Der zweitgrößte wird durch mehrere Nebeldüsen feinen Wasserdampf kreieren und der kleinste imitiert, in Anlehnung an kochendes Wasser, durch eingeleitete Druckluft einen Zustand des Brodelns. Eine variable Schaltung der drei Wasserspiele, auch im Zusammenhang mit der Beleuchtung, kann dem Platz unterschiedliche Gesichter verleihen und bietet einen hohen Erlebniswert für Besucher jeden Alters.
Die Hochbeete auf dem östlichen Teil des Platzes sind in hochwertigen Sichtbeton mit einem vorspringendem abgerundeten Rand vorgesehen und bieten Sitzmöglichkeiten mit Blick in den Park und zum Platz. Den Bewegungsströmen folgend sind die Hochbeete an einigen Stellen durchbrochen.
Um die Grünverbindung zum Südstadtpark zu schließen und gleichzeitig den Nutzern eine Richtungslenkung vorzuschlagen, wird der nördlichen Platzkante folgend eine Abfolge von Rasenflächen angelegt.
Entlang dem ehemaligen Verlauf des 1897 verrohrten Fischbaches wird eine sogenannte Fischbach-Spur mit Kleinsteinpflaster belegt und im Bereich der Wasserelemente durch querliegende Lichtelemente besetzt.


Pflanzkonzept
Ein lockerer Baumfilter aus Linden vor dem Bahngelände setzt die Bepflanzung des Südstadtparkes mit in seinem Volumen fort, bildet aber zusammen mit der neuen Architektur einen eigenständigen Raumabschluss des Nelson-Mandela-Platzes.
Auf dem offenen Platz wird ein hochwertiger Bestandsbaum erhalten und bildet zusammen mit den Wasserspielen ein Ensemble.
Das Baumvolumen im Osten des Platzes besteht, in Anlehnung an die Auengehölze des historischen Fischbaches, aus Blumeneschen welche in unregelmäßigen Abständen sowohl auf den Rasenflächen, wie in den Hochbeeten gepflanzt werden.
Die sitzhohen Hochbeete erhalten eine Blütenpflanzung mit winterharten Stauden.


Verkehr
Die Straße ‚Hinterm Bahnhof‘ wird begradigt und etwas nach Süden verlegt, während der Hummelsteiner Weg der östlichen Platzkante folgend nach Osten verlegt wird. So erhält der Nelson-Mandela-Platz eine eindeutige Zonierung. Der Idee eines Autofreien Aufenthaltsbereiches im Zentrum folgend, werden die Parkplätze fast vollständig durch Längsparken an die Ränder der Straßen gebracht. Zusammen mit dem DB-Parkplatz am Ostdurchstich werden insgesamt 80 Parkplätze im Wettbewerbsgebiet nachgewiesen. Die Andienung des Hotels mit Bussen und Taxis findet über den Platz statt und ist mit Markierungsnägeln gekennzeichnet.
Direkt am Ausgang des Westtunnels werden im Bedarfsfalle einige Längsparkplätze zur Bushaltestelle für die Bahn umgewandelt.
Die Fußgängerwege entlang der Platzränder werden eindeutig in Fußgänger- und Radverkehr zoniert. Den Radfahrern wird zudem in der Radstation durch Pläne das Radwegenetz der Nürnberger Innenstadt nahegebracht.


Beleuchtung
Der Neubau der Radstation wird dem Platz durch seine nächtliche Beleuchtung zusätzlich ein hohes Maß an gefühlter Sicherheit und Orientierung geben. Die Grundausleuchtung des Straßenraumes wird durch einfache Lichtstelen entlang der Straßen gewährleistet.
Auf dem zentralen Platz sorgen hohe Mastleuchten und eine Beleuchtung der Zuber von außen auch nachts für eine Unverwechselbarkeit des Ortes. Die Reminiszenz an den Fischbach wird durch eine unregelmäßige Bänderung mit querliegenden Lichtlinien hergestellt. Während die Fischbach-Spur tagsüber dezent in den Hintergrund rückt und die Wasserzuber im Zentrum des Interesses stehen, gibt die beleuchtete Spur dem Platz nachts ein neues Element.
Die Hochbeeteinfassungen erhalten integrierte Lichtelemente die für ein Unterleuchten und damit für angenehmes indirektes Licht sorgen.