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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2010

Neubau einer vierzügigen Grundschule, einer Zweifeld-Sporthalle, einer Schwimmhalle, einer sechsgruppigen Kindertageseinrichtung - Stadtteil Riedberg

Anerkennung

Ferdinand Heide Architekt

Architektur

HKK Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept
Der Entwurf für die neue Grundschule am Riedberg schreibt das städtebauliche Konzept – einer in Baublöcke unterteilten Stadtstruktur – weiter. Gemäß dem Leitbild der europäischen Stadt werden am Riedberg Straßen, Plätze und Parkanlagen angelegt, die von Blockrandbebauung gefasst werden. Vorgesehen ist eine Hierarchie öffentlicher Räume und privater Blockinnen-bereiche.
Die Baukörper der Grundschule und der Sporthalle werden daher so angeordnet, dass entlang der Graf-von-Stauffenberg-Allee die wesentlichen Kanten des Blockes durch kraftvolle Volumen definiert sind. Mit Schule und Turnhalle wird entlang der neuen Allee ein Baukörper aufgespannt, der den gekrümmten Straßenverlauf betont und unterstreicht: Mit einer spannungsreichen Krümmung schwingt der Baukörper von der Straßenflucht zurück und formuliert einen mit Platanen bestandenen Eingangs-platz. Vom Vorplatz, an dem auch die Bushaltestelle liegt, über das Foyer und die Eingangshalle wird bis zum Mehrzweckraum eine Raumfolge aufgebaut über die die Schule erschlossen wird.
Das gesamte Gelände wird der Topografie des Riedbergs folgend in Terrassen gegliedert, die sich zur Stadt und zur Skyline orientieren. Die radiale Struktur und die terrassierten Freiflächen geben dem Ensemble einen besonderen – aus dem Ort gewonnenen – Charakter.

Räumliche Organisation
Schule
Die Komposition der Baukörper besteht aus zwei „Einzelhäusern“ für die Klassen, einem Erschließungs- und Fachklassentrakt als Verbinder und einer Sport- und Schwimmhalle als Endpunkt. Jeweils vier Klassenzimmer und die dazugehörigen Nebenräume sind pro Jahrgangsstufe auf einer Ebene als eigenständige Raumfolge und überschaubare Organisationseinheit zusammengefasst. Die Flure sind als Kommunikationszone aufgeweitet und jeweils über einen Lichthof natürlich belichtet. Der gekrümmte Verbindungsflur zwischen den Häusern ist ein spannungsreicher Raum; seine Linearität erlaubt die Anordnung großzügiger Erschließungsrampen und freitragender Treppen.
Mehrzweck- Musik- und Speisesaal sind in ihrer Grundrissausbildung so angelegt, dass bei Veranstaltungen über seitliche Faltwände ein großzügiges Raumkontinuum geschaffen werden kann. Der Außenraum und seine Terrasse können nicht nur zum Essen im Freien, sondern auch bei Festen einbezogen werden. Der Lehrertrakt liegt im Erdgeschoss im ruhigen nördlichen Teil der Schule und ist zu den Klassenräumen über kurze Wege angebunden. Der Betreuungstrakt, ebenso im EG gelegen, ist zusätzlich eigenständig aus Osten vis a vis der Sporthalle zugänglich.
Alle Klassenräume werden über horizontale Fensteröffnungen belichtet und außerhalb der Heizperiode über Öffnungsflügel natürlich belüftet. Um den Tageslichteinfall in die Tiefe der Klassenräume so hoch als möglich, die Transmissionswärmeverluste der Fassade jedoch so gering als möglich zu halten, werden die Fenster in der mehrschaligen hochwärmegedämmten Fassade im Raum jeweils oberhalb einer massiven Brüstung nahezu bis zur Decke angeordnet. Die radiale Figur kann im Westen innerhalb der vorgegebenen Typologie stimmig um die Flächen des 2.Bauabschnitt ergänzt werden. Jedes „Klassenhaus“ verfügt über einen nach außen führenden, außenliegenden, notwendigen Treppenraum als ersten Rettungsweg. Der zweite Rettungsweg wird durch Anleiterbarkeit der Klassenhäuser von den südlich vor dem Gebäude angelegten Fahr- und Aufstellflächen gewährleistet. Der Luftraum in den „Klassenhäusern“ wird durch eine rauchdichte Verglasung (auch für die Akustik von Vorteil) von den Geschossflächen abgetrennt.

Turn- und Schwimmhalle
Die Nutzungen der Turn- und Schwimmhalle werden in einem zusammenhängenden Baukörper untergebracht. Hierdurch kann nicht nur ein gemeinsames Foyer ausgebildet werden, sondern beide Nutzungen können so gestapelt werden, dass größtmögliche Flächeneffizienz und Wirtschaftlichkeit entsteht: So befinden sich die Umkleidetrakte und die Sanitärzellen der Schwimmhalle direkt über denen der Turnhalle. Während die Turnhalle nahezu ebenerdig liegt, wird das Schwimmbecken im 1.OG angeordnet. Von hier erlauben große seitliche Verglasungen einen weiten Blick über das Schulgelände hinweg auf die Stadt. Das Foyer der Sporthalle wird von einem Vordach überdeckt vom Straßenraum erschlossen. Die Halle ist angebunden und dennoch eigenständig erschlossen und ein signifikanter Baukörper an der Ecke zur römischen Straße. Das Dachtragwerk der Turnhalle ist als Faltwerk ausgebildet, über das blendfreies, gut dosierbares Nordlicht in das Halleninnere fällt.

Kindertageseinrichtung
Die Grundrissorganisation der Kindertageseinrichtung folgt der Idee einen Kranz von Nutzungen um eine zentrale zweigeschossige Halle zu gruppieren. Dabei sind die Gruppenräume und die dazugehörigen Nebenräume so angeordnet, dass eine optimale Verbindung zur Freifläche gegeben ist. Alle Räume, in denen sich Kinder im Obergeschoss aufhalten, haben einen direkten Fluchtweg auf einen dreiseitig vorgelagerten Balkon, von dem man in zwei Richtungen über Außentreppen nach unten flüchten kann, von dem aber auch die Freiflächen im täglichen Betrieb direkt erreicht werden können.

Architektursprache / Fassadengestaltung
Mit der vorgeschlagenen Architektursprache soll dem Anspruch nach einer urbanen, großstädtischen Schule gerecht werden. Klare Volumen definierten Stadtkanten und den öffent-lichen Raum. Die neue Grundschule sollte als eines der größten öffentlichen Gebäude des Stadtteils Riedberg (neben den Bauten der Universität und dem neuen Gymnasium) ein selbstbewußtes aber auch nachhaltiges Gebäude sein. Daher sollen neben der Passivbauweise, alle Außenfassaden mit einer hochwertigen Klinkervorsatzschale versehen werden, in die alle Fensteröffnungen mit einer zusätzlichen Profilierung eingelassen sind. Mit diesem Fassadenmaterial ist nicht nur eine Dauerhaftigkeit gewährleistet, sondern es wird auch ein deutlicher Bezug zu den anderen öffentlichen Neubauten aufgebaut.
Eine besondere Akzentuierung erhalten Baukörper und Fassade zur Graf-von-Stauffenberg-Allee: Während die steinernen Volumen der Klassenhäuser und der Sporthalle sichtbare Akzente setzen, verbindet eine filigrane Struktur einer in vertikale Elemente gegliederten Fassade, die dem Straßenverlauf folgt, die einzel-nen Baukörper. Im Bereich der Eingänge von Schule und Sporthalle öffnet sie sich; der Verglasungsanteil der elementierten Fassade (geschl. Paneele, Holz-Glasfenster bzw Holzlamellen) wird deutlich erhöht.
Schule und Sporthalle werden nicht nur durch die gleichen Fassadenmaterialien, sondern auch durch das Vordach miteinander verbunden. Die gewünschte Materialität findet weitere Anwendung bei den Klinkermauern der trassierten Freiflächen sowie bei der Fassade der Kindertagesstätte, die die Anlage als Ensemble komplettiert.

Außenanlagen / Erschließung
Die straßenbegleitende kompakte Bebauung öffnet große Chancen für die Gestaltung der Freianlagen: Vorgeschlagen wird eine großzügige übergeordnete Gestaltung aller Flächen. Schule und Kita werden lediglich durch einen Zaun oder einen Höhenversprung voneinander getrennt. Die Freiflächengestaltung verfolgt die Idee, eine Vielzahl unterschiedlicher Flächen anzubieten: Die Bandbreite reicht von den „urbanen“ befestigten Platz- und Hofflächen über große freie Bereiche im Herzen der Anlage bis zu den kleinteiligen Schulgärten. Die terrassenartige Struktur der rückwärtigen Freiflächen mit Rasen-, Tennen- und gepflasterten Flächen wird durch kleine Mauern und Treppenbänder gegliedert. Vier „Terrassen“ bieten jeweils ein unterschiedliches Nutzungsprofil und eine differenzierte Gestaltung an. Im Bereich der Gebäude finden sich ruhige, begrünte Innenhöfe. Eine weitgehend ebene befestigte Fläche schließt sich an und bietet aktivere Freiräume für Schulpausen. Der natürlichen Topografie folgend reiht sich – durch eine kleine Stützmauer getrennt - ein Bereich für die Schulgärten, Spielgeräte und freies Spiel an. Über Treppen erschlossen öffnet sich eine große Wiesen- und Rasenfläche in welche auch das Spielfeld und die Laufbahnen integriert sind. Im Gelände um eine weitere Stufe abgesenkt, schließt sich ein waldartig und dicht gepflanzter Bereich des Schulgeländes an. Hier können aktive (Kletter-) Spielbereiche, ein Lehrgarten sowie ein Lehrpfad der heimischen Gehölze angelegt werden. Baumgruppen strukturieren den Raum und spenden Schatten. Die gewünschten „weißen Flächen“ können auf allen Ebenen des terrassierten Geländes angeboten werden.

Energiekonzept / Nachhaltigkeit
Der Neubau von Schule und Kindergarten im Passivhausstandard stellt nicht nur sehr hohe Anforderungen an die Gebäudehülle, sondern macht auch ein effizientes und abgestimmtes Technikkonzept erforderlich. Von zentraler Bedeutung ist aber auch, dass der Stromverbrauch beispielsweise durch Kunstlicht minimiert wird. Zur Reduzierung der Wärmeverluste des Gebäudes werden für die Sporthalle, die Klassentrakte und die Kindertageseinrichtung zunächst kompakte Baukörper ausgebildet. Die soliden Fassaden dieser Baukörper stellen eine hochwärmegedämmte zweischalige Hülle mit einem U-Wert unter 0,15 W/m2K dar. In die massive Fassade werden die auf das erforderliche reduzierten Fenster mit einem U-Wert unter 0,8 W/m2K luftdicht eingesetzt. Durch die minimierten Wärmeverluste ist der Jahreswärmebedarf so gering, dass die Restwärmezufuhr über die ohnehin erforderliche Zuluft möglich ist. Die Zuluft erfolgt über eine Lüftungsanlage mit Lüftungswärmerückgewinnung. Die Zuluftführung liegt im Deckenbereich (nur punktuell abgekofferte Trassen). Zur natürlichen Belüftung der Aufenthaltsräume außerhalb der Heizperiode werden in der Fassade dennoch Öffnungsflügel angeboten, die mit Falzkontakten überwacht werden.
Um den Bedarf an elektrischer Energie zur Beleuchtung der Klassenzimmer möglichst gering zu halten, werden horizontale Fensterbänder oberhalb einer geschlossenen Brüstung vorgesehen. Der Tageslichtanteil und die Tageslichtausbeute in der Tiefe der Räume wird verstärkt durch eine Tageslichtumlenkung – ein System horizontaler Reflektoren vor den Fenstern – in das auch der außen liegende Sonnenschutz integriert ist . Der Sonnenschutz-Lamellenstore ist so geknüpft, dass er ebenso im herabgefahrenen Zustand der Tageslichtumlenkung dienen kann. Alle Decken und Wände mit einem Anstrich mit hohem Reflexionsgrad tragen ebenso zu optimalen Lichtverteilung bei. Auch die Erschließungsflächen und Flur kommen weitgehend ohne Kunstlicht aus; vorgesehen sind ausschließlich natürlich belichtete Flure.
Auch die Fassaden des Fachklassen – und Erschließungstraktes werden streng nach Wärmegewinnen und – verlusten gestaltet: D.h. die nach Süden orientierten Flurfassaden, bei denen von Wärmegewinnen bis zu 280KWh/m2a ausgegangen werden kann, werden deutlich großflächiger geöffnet, als die Nord- und Westfassaden, bei denen von minimalen Wärmegewinnen ausgegangen wird. Mit der Umsetzung einer „abwasserreduzierten“ Schule soll ein erheblicher Beitrag zur Nach-haltig-keit geleistet werden. Hierzu werden Maßnahmen wie abwasserlose Urinale, Mehr-kammerzisterne zur Nutzung des Regenwassers für WC-Spülungen und die adiabate Abluftkühlung vorgeschlagen. Alle Baukörper erhalten eine extensive Dachbegrünung zur Verzögerung und Reduzierung der Regen-wasser-einleitung. Das restliche Regenwasser der Schulgebäude wird über Rigolen in den Grünflächen versickert. Sporthalle und Kindertagesstätte werden an Stauraumkanäle angebunden, über die zeitverzögert eingeleitet wird.
Die Versorgung mit Wärme/Heißwasser sollte in Eigenversorgung über ein BHKW erfolgen. Mit diesem ließe sich der Aufwand für die Versorgung aller Gebäude optimieren. Ein Grundbedarf an Strom könnte ebenso abgedeckt werden. Ferner bietet sich die Region auf Grund der geologischen Verhältnisse für die Nutzung von Erdwärme / Geothermie an. Unabhängig von der Gründung werden Pfähle gesetzt, um die Temperaturdifferenz für eine Wärmepumpe nutzbar zu machen.
Mit Photovoltaik-Elementen auf den nach Süden geschlossenen schrägen Flächen der Shed-dachkonstruktion der Turnhalle kann Strom erzeugt und in das öffentliche Netz eingespeist werden. Mit der zu erwartenden Einspeisevergütung ist eine Wirtschaftlichkeit der Anlage sicher-gestellt.
Das für den Passivhausstandard angestrebte A/V Verhältnis bei der Turnhalle würde eigentlich ein Dachtragwerk begünstigen, das eine geringe Tragwerkshöhe und eine annähernd ebene Oberfläche hätte, aber dann wirtschaftlich und bautechnisch ungünstiger wäre. Wir schlagen eine shedartige Konstruktion vor, die (ohne Gefahr von Undichtigkeiten bei zu flach geneigten Verglasungen) ganztägig eine gleichmäßige Ausleuchtung der Spielfläche ermöglicht.

Barrierefreiheit
Die Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Personen wird innerhalb der Schulgebäude durch zentrale Aufzüge, durch zentral gelegene Behinderten Wc´s und durch breite Erschließungsflächen sicher gestellt. In den Außenanlagen gibt es an den Stellen, wo Höhenunterschiede überwunden werden müssen, Rampen mit 6% Steigung und Zwischenpodesten. Der Eingangsplatz ist über die gesamte Breite niveaugleich an die Dessauer Str. angebunden. Um die Belange von sehbehinderten Menschen zu berücksichtigen wird vorgeschlagen, alle besonderen Situationen (Beginn und Ende von Treppen, Kreuzungspunkte von Erschließungswegen etc...) im Boden durch taktil wahrnehmbare Strukturen kenntlich zu machen. In den Handläufen von Geländern aber auch an Griffstangen und Griffen wird in Brailleschrift der jeweilige Standort benannt.

Fazit / Konzept
Der Neubau der Grundschule ist eine große Chance, mit einer bedeutenden öffentlichen Baumaßnahme den Stadtteil Riedberg städtebaulich und architektonisch zu stärken. Stadträumlich kann die straßenbegleitend angeordnete Schule einen Akzent setzen, der die ursprüngliche Idee einer großstädtischen Stadterweiterung wieder aufgreift und der den vorstädtischen Strukturen, die sich am Riedberg leider teilweise eingestellt haben, etwas entgegenstellt. Die radiale Komposition der Baukörper sowie die terrassierte Gestaltung der Freiflächen unterstreicht die Topografie und Geometrie des Grundstückes und zitiert nicht ungewollt die Sprache der Siedlung Römerstadt.