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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2010

Neubau einer internationalen Kindertagesstätte für 120 Kinder

2. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

Peter W. Schmidt Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Das Grundstück für den Neubau einer Kindertagesstätte der Stadt Bonn befindet sich inmitten des ehemaligen Regierungsviertels. Gesäumt von Gründerzeitvillen und großmaßstäblichen Verwaltungsgebäuden bis hin zum ehemaligen Abgeordnetenhochhaus und dem Telekom-Tower ist im Blockinnenbereich eine Fläche vorgehalten. Das vom Auslober und über den Bebauungsplan fixierte Baufeld nimmt keine städtebaulichen Bezüge auf. Die Anlieferung und verkehrliche Zuwegung zum Gebäude erfolgt über die Heussallee, eine fußläufige Zuwegung ist von der Winston-Churchill-Straße aus vorgesehen.

Mit dem zweigeschossigen Baukörper der Kindertagesstätte, die acht Gruppen umfasst, wird im Blockinnenbereich eine klare und präzise Besetzung des Baukörpers vorgenommen. Das einfache und klar strukturierte Volumen beruhigt das städtebauliche Bild, zumal die umgebenden Gebäude große Flächen des jeweiligen Grundstückes überbauen und in ihrer äußeren Gestalt von einer klaren Linienführung bezüglich Baufluchten und Höhen weit entfernt sind. Mit dem Neubau der Kindertagesstätte wird ganz bewusst der Kontrast gesucht. Dies zeigt sich in der Maßordnung und Proportion sowie in der Wahl der Materialien des Hauses. Die vom Auslober bestimmten Vorgaben zu der äußeren Erschließung werden aufgenommen. Bei einer Annäherung an das Gebäude von der Heuss-Allee, wird der Blick durch den L-förmigen Baukörper förmlich gefasst, die Eindeutigkeit der Zuwegung und der Eingangssituation mit einer einfachen Geste gelöst.

Der zweigeschossige Baukörper nimmt in dem längeren Schenkel des L-förmigen Hauses pro Geschoss jeweils vier Gruppenräume nebst deren Nebenraum und Schlafraum auf. Im kurzen Schenkel des Gebäudes sieht der Entwurf die allgemeinen und administrativen Nutzungen vor. Dem Wunsch des Auslobers nach einer klaren Gliederung und einer wenig beeinträchtigenden Durchwegung des Hauses wird damit Rechnung getragen. Im Erdgeschoss befinden sich die beiden zusammenschaltbaren Mehrzweckräume, die wiederum eine Erweiterung zum Foyer und in den Außenbereich erfahren. Die kleine Verwaltungseinheit, die Sozialräume und dienenden Räume für die Beschäftigten sind im Obergeschoss vorgesehen und auf kurzem Wege erreichbar. Den Räumen ist eine Terrasse vorgelagert.

Die eigentlichen Gruppenräume sind geschossweise gegeneinander versetzt, so dass zur Gartenfassade entgegen der Eingangsfassade ein Wechsel aus Vor- und Rücksprüngen und großzügigen Panoramafenstern entsteht. Die Gestalt des Hauses setzt hierbei mehr auf eine bewegte Fassadengestalt, die in Verbindung mit der aus der Ordnung des Gebäudes abgeleiteten Außenraumgestaltung und der Bewegung vom Außenraum ein Wechselspiel der Innen- und Außenraumbezüge und dem Anspruch einer Variabilität in der Alltagsnutzung entspricht. Die vier Gruppenräume im Obergeschoss erhalten eine direkte Zuwegung zum Garten, die den Charakter einer Burgtreppe aufweist und im Wechsel mit den Terrassen und der Theatertreppe die Einheiten jeweils abzeichnet. Überhaupt wird der Freiflächengestaltung im südwestlichen Garten groß Beachtung geschenkt. Zum einen leitet sie sich linear aus dem Gebäude ab, es gibt eine Zonierung, die der jeweiligen Gruppe zugeordnet ist. Übergreifend von Nord nach Süd oder Ost nach West können alle Zonen erlebt werden. Wichtig ist uns bei dem Entwurf, dass den Kindern eine haptische und räumliche Erfahrung spielerisch nahe gebracht wird.

Der Grundriss ist modular aufgebaut und leitet sich als kleinsten gemeinsamen Nenner aus den Neben- und Schlafräumen, bzw. Gruppenräumen ab. Die großen Panoramafenster in den Gruppenräumen und im Flur sind als Kastenfenster konzipiert, die aufgrund ihrer tiefen Leibungen Sitz- und Spielnischen für die Kinder ergeben. Die Eigenständigkeit der Gruppen wurde vom Auslober gewünscht und findet ihre Entsprechung in der jeweils zugeordneten Garderobe, den Toiletten und geforderten weiteren Nebenräumen. Die flurbegleitende Wand, die diese Räume aufnimmt verspringt und zeichnet den Versatz der Gartenfassade im Inneren nach. Das Gebäude öffnet sich zum Licht und schafft gleichzeitig durch den Versatz eine Individualität für die einzelnen Gruppen. Es ist vorgesehen, die inneren Einbauten allesamt in Holz auszuführen, die Böden als Parkettbelag, die Erschließungsflächen gegebenenfalls in Stein oder Linoleum. Das Gebäude ist auch unter energetischen Gesichtspunkten als zweischaliges Mauerwerk konzipiert. Die Vormauerschale ist ein heller Klinker mit vollflächig geschlossenen Fugen, die wiederum zu einer Rauhigkeit und besonderen Haptik der Außenfassade führen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Aus der Häufung der sich ähnelnden Entwurfskonzepte ist ersichtlich, dass die Gegebenheiten des Baugrundstücks und mithin die Einschränkungen in der Situierung des künftigen Gebäudes ein im Grundriss L-förmiges Gebäude nahe legen. So auch bei diesem Beitrag, der mit seiner gleichermaßen stringenten wie bauplastisch differenzierten Geste überzeugen kann.
Es entstehen klar definierte Außenräume - im Nordwesten der Eingangsbereich, gegenüberliegend im Südosten der Freibereich des Kindergartens. Diese Stringenz hat ihre Entsprechung in der Typologie des Gebäudes. Alle Gruppenräume sind ausschließlich im längeren, die allgemein genutzten Raumgruppen im kürzeren Schenkel organisiert. Die lineare Erschließung der Gruppenräume erscheint auf den ersten Blick stereotyp, auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch mit der Staffelung der Einheiten eine interessante räumliche Plastizität. Die Teilbereiche der Gruppen liegen stimmig zueinander. Sehr positiv ist im Erdgeschoss der überdeckte Übergang zwischen Innen- und Außenraum zu bewerten. Dasselbe gilt für die Gruppenräume im Obergeschoss, jeder mit einer eigenen Terrasse und eigener Treppe in den Garten.
Das plastische Spiel des Baukörpers auf der Gartenseite entwickelt eine eigenständige Bildsprache, die zwar eher gehobenen Wohnungsbau als Kindergarten assoziiert aber dennoch als der Bauaufgabe angemessen überzeugen kann. Ob die seitlich angelagerte "Theatertreppe" und die baulich überhöht gerahmten Treppenabgänge den Entwurf stärken oder schwächen lässt sich kontrovers diskutieren. Im Falle einer Weiterbearbeitung wäre zu prüfen, ob hier etwas weniger Geste dem Entwurf in seiner sonstigen Sinnfälligkeit gut täte.
Ein besonderer Aspekt ergibt sich aus der gewählten Konstruktion und Materialität. Sicher wird die Anfangsinvestition für das massive Gebäude mit der Bekleidung in Sichtmauerwerk höher sein als bei der Mehrzahl der Mitbewerber. Allerdings gilt es auch zu bedenken, dass die solide Bauweise lange Erneuerungsintervalle und damit eine auf längere Sicht angelegte Ökonomie erwarten lässt. Außerdem gäbe es im Innenausbau Einsparpotentiale.
Sowohl entlang der Südost- wie an der Südwestseite ist die Baugrenze überschritten. Inwiefern dadurch die Genehmigungsfähigkeit beeinträchtigt sein wird oder durch ein Verschieben des Baukörpers gegebenenfalls hergestellt werden könnte, wäre im Fall einer weiteren Bearbeitung zu klären.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Entwurf in seiner Stringenz um einen wichtigen Beitrag zur gestellten Bauaufgabe.