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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2010

Park auf der Harburger Schlossinsel

Ankauf

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Park auf der Harburger Schlossinsel
Parkskulptur und Harburger Chronografie

Idee
Die grüne Sternfigur auf der Schlossinsel wird zur zentrierenden Parkskulptur. Auf den Promenaden wird Geschichte ermessen und immer wieder neu erlebt.

Städtebauliche Idee und Strukturansatz
Die Harburger Insel ist ein Geschichtsort, der Harburg als Ganzes in der Vergangenheit rückverankert. Die vorliegende städtebauliche Idee geht darauf ein und ist in hohem Maße identitätsstiftend: Sie ermöglicht Assoziationen mit der Grundfigur der barocken Fortifikation und zentriert mit dem Sternmotiv auf den Entwicklungskern des historischen Burg- und Schlossstandortes. Es wird zunächst vorgeschlagen, diese Grundrissidee als räumliche Struktur zu verstärken. Aus der Sternfigur wird eine sternförmige Parkskulptur, die auf den Ort des verlorenen Harburger Schlosses fokussiert. Die Landschaftsarchitektur wird dabei zum Erzählmedium für die Geschichte und Transformation des Ortes.
Mit der Entscheidung, die wenigen baulichen Relikte zu überdecken und damit dauerhaft zu konservieren, stehen nur wenige authentische Geschichtszeugnisse zur Verfügung. Das Schlossrelikt mit seinen Überformungen hat als Baudenkmal nicht die Kraft, die historische Identität des Ortes zu tragen. Eine Besonderheit stellt allerdings das Relief dar: Die Höhenlage des Schlosshofes 2 Meter über den angrenzenden Quartieren bedeutet eine sinnlich wahrnehmbare Herausstellung, die in der Parkidee aufgegriffen wird.
Die grünen Finger des Sterns werden als flach geneigte Rasenkörper ausgebildet, die von den Inselrändern zur Mitte hin ansteigen und damit in ihrer Böschungslinie anbinden an die Höhenlage des Schlosshofes. In ihrer detaillierten Ausbildung erzählen sie von der Entwicklungsgeschichte des Ortes.

Parkfinger
Die grünen Finger werden selbstähnlich nach identischen Prinzipien gestaltet:
Die Rasenkörper der Parks sind eingebettet in asymmetrisch bemessene Parkpromenaden, wobei jeweils die breitere Seite mit mittelformatigen Blütenbäumen bepflanzt ist.
Diese Leitpromenaden sind mit einer steinernen Linierung quer zur Hauptachse versehen. Jede der beschrifteten Linien steht für ein dokumentiertes historisches Ereignis auf der Harburger Schlossinsel, von der ersten Erwähnung im 11. Jahrhundert bis zur Umsetzung der ersten Baufelder in der Entwicklung als neues Stadtquartier in den 10er Jahren des 21. Jahrhunderts. Durch die zeitproportionale Einbringung der Linien entsteht so eine chronografische Maßleiste. Man kann sich Geschichte erwandern, erhält ein Gefühl für die Verhältnismäßigkeiten von historischen Seinszuständen.

Die Chronografie ist ausgehend vom Schlosshof radialsymmetrisch aufgetragen auf die Leitpromenaden. Die Zeitrechnung beginnt jeweils vor dem Schloss und endet an den Zugangs- und Wasserplätzen. „Enden“ ist dabei relativ zu verstehen: neue Leisten werden weiterhin eingebracht, der Bau ist als Prozess zu verstehen und es bestehen räumliche Reserven bis zum Jahr 2100.
Die Rasenkörper korrespondieren mit den Zeitleisten und bilden die historische Entwicklung in vereinfachter Form nach. Die als Ganzes mit 2-3 % geneigten Böschungsflächen erhalten eine charakteristische Terrassierung mit 30 cm hohen Rasenstufen. Die entstehenden Ebenen können gelesen werden als die Entwicklungsplate aus der Harburger Schlossinsel: Die Burg, das Schloss, die Fortifikation, das Werftengelände, und an den Eingangsplätzen das neue Stadtquartier.

„Schlosshof“
Der neue Schlosshof bildet das räumliche und ideelle Zentrum der Harburger Schlossinsel. Die vorgeschlagene Gestaltung trägt Züge des Ephemeren, ist aber auch in der Lage, mittelfristig Bestand zu haben. Eine wichtige Voraussetzung angesichts der ungewissen Entwicklungsperspektive.
Der bestehende Westflügel wird mit einer L-förmigen Gartenstruktur ergänzt, die die historische Dreiflügelanlage andeutet ohne sie im Detail nachzuzeichnen. Die Aussenkanten zum Park sind dabei gefasst mit geschichteten Brettstapelwänden (H=1,20m), die an den ersten (Holz-)Bau auf der Insel erinnern. Die geschichteten Hobeldielen können im Fall einer späteren Bebauung als Baumaterial, z.B. als Bodenbelag im Hof, weiterverwendet werden. In den Winkel eingestellt ist eine mäandrierende Heckenstruktur, die als Ausstellungsgarten genutzt wird. Die entstehenden Konchen werden mit wetterbeständigen Ausstellungstafeln bestückt, wobei um die Heckenkörper ein Rundweg zugrunde gelegt wird. Der Hof selbst ist mit einem feinen Rasenteppich gestaltet, auf dem eine Folge historischer Modellreliefs aus Feinkornbeton ausgestellt ist. Der Altbaumbestand wird erhalten und bildet die vegetative „Inselkrone“.
Die Ausstellung im Schlosshof bildet den informativen Rahmen für die Chronografie der Promenaden und bildet insofern das Herzstück der Ausstellungselemente auf der Insel.

Sumpfblüten: Der Spielplatz
Die Gestaltung des Spielplatzes ist auf die Offenheit der Situtation und die Lage in der Blickachse zwischen Wasser und Schlosshof abgestellt. Ein hölzernes Spielplateau mit Sandspielbereich ist leicht in den Rasen eingesenkt, aus dem Plateau faltet sich mit Blick auf das Wasser eine durchgängige Sitzbank. Die Spielobjekte sind skulptural gestaltet und spielen mit dem Thema „Sumpfblüten“: an Schilfhalmen wird gehangelt und geklettert, ein riesiger (Sumpf-)Schildkrötenpanzer dient als Spielhaus und Calla-Blüten dienen als Drehobjekte. Kleine Spielinseln liegen um die Objekte in der Form von Calla-Blättern im Rasen und sind mit Trittplatten verknüpft.

Wasserplätze
Die Wasserplätze am Ende der grünen Finger entwickeln sich zu Sitzstufen-anlagen auf die Wasserebene hinunter. Jeweils in der Fluchtverlängerung der Promenaden werden Trittstufen eingelegt. Das abschließende Wasserplateau ragt leicht über die Baufluchten hinaus, um die räumliche Figur der Insel von außen erlebbar zu machen. Straßenräume und Gehwegbereich werden auf Stadtebene zu Abschlussbastionen, die eingelegten Treppenläufe werden mit einer Art Treppenauge von den Wangen losgelöst.

Material und Pflanze
Die Promenaden werden als Wassergebundene Decken in warmem hellgrau bis perlweiß ausgebildet. Die Linierung besteht aus 15cm schmalen, eingefärbten Betonbahnen mit eingelegten Metallbuchstaben. Die Treppen-anlagen an den Wasserplätzen bestehen aus hellen Beton-Fertigteilelementen. Aus dem gleichen Material bestehen schmale Stufen und die Trittplatten in den Rasenbereichen, die diese zurückhaltend erschließen. Für die Brettstapelwand wie auch das Spielplateau wird witterungsbeständiges Lärchenholz vorgeschlagen, die Spielinseln werden als Kunststoffflächen hergestellt.
Der durchgängig verwendete Straßenbaum der Insel (gebäudeseitig) ist die großkronige Quercus palustris (Sumpfeiche). Die Leitpromenaden werden von lockerwüchsigen Blütenbäumen geprägt.

Interaktion
Der Vorschlag einer Chronografie für die Schlossinsel ist nicht einfach als Geschichtsparcours zu verstehen. Er bildet auch das Spielfeld für eine lebendige Aneignung des Ortes. Die Linierung der Bodenbeläge trägt als Kennung neben einer Jahreszahl einen Buchstaben, der eine eindeutige Zuordnung zur jeweiligen Achse ermöglicht. Jede Linie ist als Station eindeutig definiert. Mittels Audioguides werden für jede Station Höreinträge abrufbar, die zu ihr gehören. Nahe liegend ist es zunächst, sich die Geschichte Harburgs während eines Spaziergangs erzählen zu lassen (zwischen Lotseplatz und Schloss). Für die Finger sind jedoch unterschiedliche Erzählstränge denkbar, die die Ortsgeschichte mit zeitgeschichtlichen Nebenerzählungen und Abschweifungen zum Alltagsleben, Modephänomenen der Zeit, Ereignissen an anderen Orten oder Musikeinspielungen ergänzen und konfrontieren. Gesprochen und eingespielt werden die Kurzstücke von Bewohnern Harburgs. Für kurze Zeiten, z.B. während der Sommerfeste, wird die Harburger Insel so zum kulturellen Ereignis.

Umsetzung
Die vorgegebene Entwicklung der Insel mit den entsprechenden Restriktionsphasen wird durch die Robustheit des Entwurfes einfach zu begleiten sein. In einem ersten Bauabschnitt wird der Fokus auf die Herstellung des Schlosshofes und der Finger Süd, Nord und Nordost (teilweise) gelegt. Zwischen den Baufeldern im Osten werden die Grundstrukturen mit den Baumpflanzungen und der Wassertreppe angedeutet, ansonsten aber entsteht ein eher extensiver Parkteil. Bäume (und Beton) können aber mit den Elementen des 1.BA gemeinsam altern. Die langfristige Geschlossenheit des Gesamtbildes wird so vorbereitet.
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