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Einstufiges begrenztes Gutachterverfahren | 07/2009

Veringeck - Interkulturelles Wohnhaus für pflegebedürftige Senioren

Ansicht Strasse

Ansicht Strasse

3. Rang

hildebrandt.lay.architekten partnerschaft mbB

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau: den Block schließen

Das Grundstück für den Neubau des Interkulturellen Wohnhauses für pflegebedürftige Senioren befindet sich im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Die städtebauliche Struktur des Wohngebietes ist durch Wohnungsbau verschiedener Epochen und unterschiedlicher Typologien charakterisiert: Gründerzeitbauten, Blockrandbebauungen, Zeilenbauten und kleintei-lige Reihenhäuser. Das neue viergeschossige Wohnhaus bindet sich auf selbstverständliche Weise in das vorhandene Stadtgefüge der unmittelbaren Umgebung ein, indem der Blockrand an der Ecke Veringstraße / Veringweg geschlossen wird.

Leitthema «Interkulturelles Wohnen»: Strukturen schaffen für Vielfalt

«Interkulturelles Wohnen» bildet einen Spannungsbogen zwischen dem Verbindenden und den Gemeinsamkeiten der Kulturen sowie der individuellen Vielfalt der Bewohnerinnen und Bewohner, welche die jeweiligen kulturellen Wurzeln widerspiegelt. Aus der Interpretation dieses Themas entsteht ein Gebäudekörper mit einer äußeren Hülle, die in ihrer changierenden Farb- und Materialwahl Verbindendes und zugleich Vielfalt ausdrückt. Im Inneren lässt eine variabel bespielbare Raumstruktur unterschiedliche Wohnszenarien zu – entsprechend der Verscheidenartigkeit der Biografien und Lebensbilder der Bewohner.

Erscheinungsbild: lebendig

Erde als elementares Element mit ihren Farbschattierungen, Gerüchen und Eigenschaften verbindet die verschiedenen Kulturen; sie bildet einen Erfahrungsschatz, den die Bewohner unterschiedlichster Herkunft teilen. Diese kollektive, zugleich auch sehr persönliche Erinnerung wird durch fein gestufte, erdige Farbtöne in der Fassade zum Ausdruck gebracht.
Horizontale weiße Bänderungen gliedern das Gebäude ebenenweise und führen um die Ecke. Dazwischengesetzte, unregelmäßig breite Fassadenpaneele aus Faserzement stehen im Wechsel mit ebenfalls unterschiedlich breiten bodenhohen Fenstern. Die zueinander versetzt angeordneten Erker- / Balkonelemente ergeben ein plastisches Schattenspiel. Im Ergebnis entwickelt die Fassadengestaltung einen eigenen Rhythmus, der das Individuelle und die Vielfalt gegenüber dem Uniformen der Umgebung hervorhebt. Das Wohnhaus präsentiert sich nach außen lebendig, ohne dabei aufdringlich zu sein.

Öffentliche Nutzungen im Erdgeschoss: Teilhabe am Quartiersleben ermöglichen

Dem Erdgeschoss kommt die Aufgabe zu, die Öffnung zur Nachbarschaft und Vernetzung mit der Umgebung herzustellen. Dementsprechend erfolgt die zentrale Erschließung des Wohnhauses von der Hauptstraße, der Veringstraße, aus; ein zweites Rettungstreppenhaus liegt am Veringweg.
Das architektonische Konzept basiert auf frei in das Erdgeschoss eingestellten Körpern, die sich zwischen geschlossenen Raumspangen am Anschluss zu den Nachbarbebauungen und den Treppenhäusern aufspannen. Dadurch entsteht ein Raumfluss, der zusammen mit der großzügigen Öffnung des Hauses nach außen vielfältige Einblicke, Ausblicke und Durchblicke ermöglicht.
Im Eingangsbereich des Gebäudes laden außen wie innen eingebaute Bänke zum Verweilen ein. Direkt gegenüber dem Haupteingang befinden sich das Büro des Pflegedienstes mit Blick in das Foyer sowie der Zugang zur Tagespflege, seitlich werden das Café sowie der Hamam erschlossen. Die farbig klar akzentuierten Körper der einzelnen Nutzungsbereiche tragen zu einer einfachen Orientierung bei.
Das Café nimmt die prominente Lage an der Ecke ein und orientiert sich mit seinem Gastraum großflächig zur Straße. Hier kommen Bewohner des Hauses mit Nachbarn aus dem Quartier in Kontakt, Kommunikation und Austausch werden möglich.
Der Hamam ist ebenfalls ein wichtiger Ort sozialen Lebens, der entsprechend seiner Funktion introvertiert organisiert ist; er verfügt über Badenischen unterschiedlicher Temperaturstufen. Der Ruheraum schiebt sich als Pavillon in den Garten mit Orientierung nach Süden, geschützt vor ungewollten Einblicken durch immergrüne Bepflanzungen. Die Chipkarte, die zum Eintritt in den Hamam berechtigt, wird im Café erworben.
Die Tagespflege hat mit ihren verschiedenartigen Aufenthaltszonen sowohl Bezug zum weniger frequentierten Veringweg als auch großflächig in den südlich angrenzenden Garten. Die Wohnbereiche gruppieren sich um die im Mittelpunkt angeordnete Küche.

Garten: die Bewohner aktivieren

Das Konzept des Gartenhofs steht mit seinen «grünen Inseln» ganz bewusst zu der sonst eher orthogonalen Haltung seiner Umgebung. Dieser Gartenhof ist eine Oase. Sie dient dem Wohlfühlen und der Entspannung, bietet aber genauso Raum für Geselligkeit, Begegnung mit den Mitbewohnern und Fitness. Die verschiedenen Aufenthaltsbereiche sind durch Pflanzungen an den Rändern grün gerahmt.
Die Formen der «grünen Inseln» entstehen durch geschwungene Pflanzbeete, welche die unterschiedlichen Sinne ansprechen. So bietet das Kräuterhochbeet in der Nähe zur Terrasse der Tagespflege eine perfekte Kombination, um Gerüche und Geschmack mit Kochen und Essen zu verbinden. Das Duftbeet stellt mit farbigen und duftintensiven Pflanzen Assoziationen zu Kindheits- und Jugenderinnerungen her. Das Tastbeet fördert vor allem den haptischen Sinn; unterschiedlichste Oberflächenstrukturen der Pflanzen können zugleich als therapeutischer Ansatz genutzt werden.
Das Spalierobst und die dahinter stehenden Obstbäumchen im südlichen sowie der im nördlichen Bereich angepflanzte Wein können geerntet werden und finden weiterhin «köstliche» Verwendungen. Die rollbaren Pflanzkübel bieten dem gesamten Außenraum Lebendigkeit. Sie können je nach Bedarf verstellt werden und sorgen für intime Räume. Wer Ruhe und Entspannung sucht, findet diese unter der begrünten Pergola. Durch «Baumpatenschaften» und Pflege der Staudenbeete erhalten die Bewohnerinnen und Bewohnern ein Gefühl der Verantwortung und werden zum Gärtnern aktiviert.

Selbstständiges Wohnen auch bei Pflegebedürftigkeit: Variabilität zulassen

Im Kern der Wohnetagen liegt der Gemeinschaftsraum als «Marktplatz» der Bewohner, der sich zum gemeinsam genutzten Gartenhof orientiert. Er bietet sowohl die Möglichkeit, von den Nachbarn, als auch gemeinsam mit Gästen und der Familie genutzt zu werden. Dieser Treffpunkt wird ebenso wie die Wohnungen von einem Mittelflur aus erschlossen, der in den Bereichen des Haupttreppenhauses, des Gemeinschaftsraumes und dort, wo er an die Fassade stößt, aufgeweitet wird und Tageslicht erhält.
Die Eingänge zu den Wohnungen sind räumlich und farblich akzentuiert und dienen im Sinne eines «Haus im Haus-Prinzips» der Adressenbildung. Wesentliches Anliegen ist es, Strukturen zu schaffen, die auch in der vorgegebenen Kleinteiligkeit ein Höchstmaß an Veränderungen zulassen und somit unterschiedlichen Lebensmustern Rechnung tragen. Die Varianten zeigen, wie mal dem Wohnen, mal dem Kochen oder auch dem Schlafen eine unterschiedliche Präsenz eingeräumt wird – je nach den persönlichen Wünschen der Bewohner sowie den Ab-hängigkeiten und Bedürfnissen, die sich aus der Pflegebedürftigkeit ergeben.
Der überwiegende Teil der Wohnungen hat einen Bezug zur Straße und bietet aus den eigenen vier Wänden heraus über das Beobachten Teilhabe am Leben «draußen». Im Sinne einer optimalen Nutzung wird auch der Freisitz der Wohnung als ein wandelbares Element interpre-tiert, dass im Winter Erker und im Sommer Balkon mit großflächig zu öffnenden Türen ist. Dies ermöglicht im Gegensatz zu einer reinen Balkonnutzung eine ganzjährige Nutzbarkeit – ein gerade bei den sehr kleinen Wohnungen wichtiger Vorteil.

Demenz-Wohngemeinschaft: Geborgenheit und Normalität schaffen

Die Demenz-Wohngemeinschaft ist nach dem «Cantou-Prinzip» rund um die «Feuerstelle» – die Wohnküche – organisiert. Über einen nur durch Raumteiler abgegrenzten Eingangsbereich gelangt man unmittelbar in den zentralen Aufenthaltsbereich der Bewohner mit Blick zum Garten. Die Wohnküche und ein Sitzbereich gruppieren sich um die in der Gebäudeinnenecke liegende, geschützt angeordnete Dachterrasse. Eine weitere Wohninsel gibt den Blick auf die Strasse und in die Umgebung frei. Durch die Grundrisskonzeption sowie die Farb- und Materialwahl entsteht eine wohnliche, Geborgenheit ausstrahlende Atmosphäre.
Die Aufenthaltsbereiche gehen in Flurzonen über, von denen aus die Bewohnerzimmer zu-gänglich sind. Auch hier ist das Konzept «Haus im Haus» entwurfsbestimmend: die Individuali-tät der Bewohnerinnen und Bewohner soll innerhalb der Wohngemeinschaft ablesbar sein. Die Eingangsbereiche zu den Zimmern werden als «Vorgartenzone» interpretiert – also noch zum Zimmer gehörend, aber mit Bezug in die Gemeinschaft. Diese Eingangsbereiche markie-ren mit wechselnden farblichen Ausgestaltungen eindeutige Adressen für die dementen Be-wohner und geben klare Orientierungshilfen. Sie können von den Bewohnern individuell als «Biografie-Wände» gestaltet werden. Die entstehende Nischenbildung schafft einen lebendigen und abwechslungsreichen Erlebnis- und Bewegungsraum für das Durchwandern der Räume.
Die Zimmer selbst lassen je nach persönlichem Wunsch variable Möblierbarkeiten zu. Großzügige Fenster sorgen für gute Tageslichtverhältnisse und Ausblick zur Straße bzw. in den Garten. Durch ein Tür-Fenster-Element ist bei Bedarf eine visuelle Verbindung mit dem Flurbereich und den dort vorbei Kommenden gegeben. Dies ermöglicht auch dann Kontakt zur Gemeinschaft, wenn zur Demenz eine Bettlägerigkeit hinzukommt.
Grundriss EG

Grundriss EG

Demenz-Wohngemeinschaft

Demenz-Wohngemeinschaft

Plan 1

Plan 1

Plan 2

Plan 2

Plan 3

Plan 3

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