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Mehrfachbeauftragung | 07/2009

Maßnahmen zu Infrastruktur, Organisation und Gestaltung der Besucherführung mit Schwerpunkt Lagerzugang in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Lageplan

Lageplan

1. Preis / Gewinner

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Idee:
Für die Gedenkstätte des KZ Flossenbürg ist ein neuer Zugang zu verfassen. Ziel ist dabei die kognitive und emotionale Erschließung eines Geländes, das lange verborgen und verstellt war. Im Mittelpunkt stehen die Nachzeichnung verlorener Strukturen und eine schlüssige Folge didaktischer Stationen. Räumlich verklammert ein mineralisches Band die historischen Lagerteile mit der Gedenklandschaft im Osten. Dieser von allen überflüssigen Strukturen befreite Raum dient als Bewegungsraum, offenes Erkundungsfenster und atmosphärisches Feld.

Die didaktischen Stationen: Ein Rundgang

Ankommen: Die zentrale Information
Zentraler Ankunftsort für den Besucher ist die historische Trafostation. Der Besucher erhält im umgebauten Gebäude alle Informationen zu den Einrichtungen und Angeboten der heutigen Gedenkstätte. Neben dem Lageplan des Geländes stehen Veranstaltungskalender und Infos zur Verfügung. Das Gebäude ist Treffpunkt für angemeldete Führungen, ggf. werden hier auch die AudioGuides ausgegeben. Die vorhandenen sanitären Anlagen werden weitergenutzt. Der erforderliche Umbau muss dem (für die Besucherintuition) hervorragend gelegenen Gebäude dabei mehr Prägnanz und Zeichencharakter verleihen. Der Besucher entscheidet hier ob er sich dem Hauptgelände zuwendet oder dem Casino mit den Seminareinrichtungen und der Cafeteria. Das Casino ist dazu mit einer direkten Treppenspange an den Platz am Trafo angebunden.

Erkundungsfenster: Das mineralische Band
Unmittelbar mit Betreten des Gedenkstättengeländes ist der Besucher mit dem offenen Raum des mineralischen Bandes konfrontiert. Dieses vegetationslose, spröde Feld durchzieht die historische Lagerstruktur in der Breite des Appellplatzes bis zur Silberhüttenstraße. Die Präsenz des Lagers wird sofort am Ankunftsort spürbar. Die Gebäude stehen ohne jede Einbindung auf der Platzfläche. Durch einen markanten Belagswechsel von heller Schotterdecke zu dunkler wassergebundener Wegedecke wird der Unterschied zwischen Mannschafts- und Häftlingsbereich unterschieden. Das Feld wird durch einen einführenden Prolog eröffnet und mit dem Archiv der Namen am Friedhof abgeschlossen. Es bleibt dem Besucher überlassen, ob er den Erzählspuren über den Platz folgt oder sich seine Wege selbst wählt.

Prolog: Eröffnung an der Silberhüttenstraße
Eine Baumreihe bildet einen Filter zwischen dem Straßenraum der Silberhüttenstraße und dem mineralischen Band. Mit einer den Bäumen vorgelagerten Stelenreihe wird der Besucher nach Süden geführt. Die Stelen geben die wichtigsten Basisinformationen zu Charakter und Entwicklungsstadien des Lagers. Bewusst wird der Besucher um die Kommandantur mit ihrem Torbogen herumgeführt.

Spur: Der Weg der Häftlinge
Eben nicht durch den Torbogen der Kommandantur, sondern dem Weg der Häftlinge folgend, gelangt der Besucher auf das Gelände. Diese Verbindung zwischen Bahnstation im Dorf und Lagereingang ist als unbefestigter Pfad im vorliegenden amerikanischen Luftbild dokumentiert. Sie wird als fragmentierte Folge von Bodenplatten im Belag deutlich gemacht und führt durch das Lagertor mitten auf das Lagergelände. Die den Platz fassende Hecke dient als Hintergrund für Infostelen zum mörderischen System der Zwangsarbeit.

Schwelle 1: Lagergrenze und Tor
Welche Bedeutung der Lagereingang für die Lagerinsassen hatte, lässt sich an der Dislozierung der Torpfosten ins ‚Tal des Todes‘ ermessen. Eine Rückführung wird nicht vorgeschlagen. Diese Schwellensituation wird durch die baulichen Nachzeichungen der Pfosten und des Zauns, sowie den markanten Belagswechsel verdeutlicht.

Topografische Orientierung: Das Doppelmodell
Mit Grundwissen zum Lager (einschl. der Lagepläne) wird der Besucher bereits am Prolog erstmals vertraut gemacht. Für die zentrale topografische Orientierung wird der Schwerpunkt des Geländes vor dem Appellplatz vorgeschlagen. Ein Doppelmodell im Maßstab 1:250 stellt den historischen und den heutigen Zustand dar und ermöglicht damit einen detaillierten Abgleich der erhaltenen Strukturen und Nachzeichnungen mit dem lagerzeitlichen Zustand. Von keinem Ort aus sind die verschiedenen Lager und Gedenkstättenbereiche besser und plastischer überschaubar, an keinem anderen Ort ist das Lager besser spürbar.

Ort des Terrors: Appellplatz
Die Bezeichnung „Platz“ stellt einen Euphemismus dar für diesen Unort, der sich lediglich als Leerstelle zwischen den Baracken entäußert. Nichts als leerer Raum erwartet den Besucher zwischen Küche und Wäscherei, mithin den zentralen Ausstellungsorten der Gedenkstätte.

Individuelles Gedenken: Das Archiv der Namen
Den östlichen Abschluss des Appellplatzes bildet eine lamellenartige Sequenz von Wänden die die Namen der Opfer tragen können. Dieses steinerne Archiv besetzt die Schnittstelle zwischen dem lagerzeitlichen Bereich der Gedenkstätte und der Gedächtnislandschaft im Osten. Die Anordnung der Wandscheiben nimmt die Flucht und Taktung der Grenzanlage auf und bildet eine halbdurchlässige Raumkante. Das individuelle Gedenken ist von herausragender Bedeutung für die Erinnerungskultur in Flossenbürg wie an anderen Orten des Terrors. Die Grenze zwischen dem Ort des Leidens und den bestehenden Orten der Erinnerung wird als der angemessene und richtige Standort für diese so wichtige Ebene angesehen. Die Dimension des „Archiv der Namen“ leitet sich ab aus der Nennung der Namen von 100.000 Häftlingen im Konzentrationslager Flossenbürg (100.000 Namen, Futura BK BT, 50 Pt., Zeilenabstand 50 Pt. = ca. 240qm) .



Nachzeichnungen und Infosystem:
Mit einem gestalterisch zurückgenommenen System von Nachzeichnungen wird der historische Ort anhand seiner verlorenen Strukturen lesbar gemacht. Die Zeichen weisen dabei einen gewissen Abstraktionsgrad auf, die die Imagination des Betrachters herausfordern sollen. Das Material für die Nachzeichnungen ist durchgängig Beton in unterschiedlichen Ausführungen. Die Nachträglichkeit der Nachzeichnungen und Infosysteme sollen dem Besucher an jedem Ort erkennbar sein.

Die Barackenfelder
Die Barackenfelder werden auf dem Gedenkstättengelände mit flachen Betonschwellen nachgezeichnet. Sie beschränken sich auf die ostwestgerichteten Langseiten der Gebäude, auf ein Schließen der Gebäudekonturen wird bewusst verzichtet: Der Charakter der zusammenhängenden Struktur („Barackenfeld“) wird damit gestärkt, die gegenständliche Bedeutung des einzelnen Gebäudes etwas zurückgenommen. Die Schwellen können zerstörungsfrei auf vorhandene Fundamente aufgelegt werden. Noch vorhandene Fußbodenbereiche können zwischen den Schwellen leicht überfüllt werden. Archäologische Grabungsbereiche werden zeitweise offengehalten und auch den Besuchern erläutert. Nach Befundung werden die Relikte überdeckt und die Schwellen aufgesetzt. Der jeweilige Zwischenbereich wird mit einer Rasentragschicht und einen Rasen belegt.

Im Häftlingsbereich sind die Schwellen ca. 20 cm erhaben. Die Struktur wird damit auch aus Augenhöhe räumlich erfahrbar – auch begünstigt durch das vorhandene Relief. Verwendet wird ein hochwertiger Beton mit Granitzuschlag. Auch hier wird das Innere mit Rasen begrünt.

Für die SS-Bereiche des Lagers wird die Verwendung bodenebener Schwellen aus konventionellem Beton vorgeschlagen.
Für den Siedlungsbereich im Norden bestehen selbstverständlich nur sehr eingeschränkt Handlungsmöglichkeiten. Zum Verständnis der Lagerstruktur wären übergreifende Elemente aber wünschenswert die die Barackenfelder auch hangwärts erkennen lassen. Es wird vorgeschlagen in einer öffentlich kofinanzierter Nachbarschaftsinitiative die jeweiligen Grundstücksgrenzen in den Baufluchten mit vereinheitlichten Heckenstrukturen zu bepflanzen. Die allzu große Dominanz der baulichen Details am Hang würde damit ebenfalls gemildert.

Lagerzaun und Tor
Für den Lagerzaun werden schlanke Betonstelen in der Höhe des Lagerzauns verwendet. Die Taktung entspricht dem Abstand der Zaunpfähle. Der Trennstreifen an der Zaunanlage wird als intensiv gemähter Rasenweg (mit Rasenschotter) ausgebildet. Die Nachzeichnungen der Torpfosten werden ebenfalls in Beton gefertigt. Sie erhalten eine leichte Linierung die der Fügung der historischen Pfosten entspricht.

Infosystem
Langfristig wird vorgeschlagen im Sinne der Geschlossenheit des Materialkonzeptes das Infosystem umzustellen auf Betonstelen. Die Informationen werden dabei im Siebdruckverfahren aufgebracht.

Die verkehrliche Situation:

Gedächtnisallee
Der heutige Verlauf der Gedächtnisallee überlagert in problematischer Weise den Zusammenhang der Lagerstrukturen und den Weg der Häftlinge. Es wird vorgeschlagen, die Straße im Platz aufgehen zu lassen und die erforderliche Südanbindung der Siedlung damit über die Platzfläche zu gewährleisten. Erforderlich ist dabei die Ausweisung als verkehrsberuhigten Bereich (VZ 325) für die Anlieger. Die Zufahrt erfolgt wie heute über die Parkplätze an der Silberhüttenstraße, die Fahrbahn sowie die Stellplätze an der Südseite bleiben erhalten und werden zum Platz mit einer 2m hohen Eibenhecke abgeschirmt. In Entsprechung der räumlichen Situtation wird eine Umbenennung von Gedächtnisallee in Gedächtnisplatz vorgeschlagen.

Parkkplatz
Für den Parkplatz wird vorgeschlagen ihn als schiefe Ebene zwischen Birkenstraße und Silberhüttenstraße einzulegen und dramatische Höhensprünge und Rampungen weitgehend zu vermeiden. Die Busstellplätze sind im Norden angeordnet, die Fahrzeuge werden nach kurzem Halt an der Infostation von den Fahrern dort geparkt. Die maximale Anzahl von KFZ-Stellplätzen befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hauptzugangs an der Trafostation. Bei Festivitäten kann der Parkplatz in Teilen entsprechenden Raum für Zelte und kleinere Einrichtungen bieten.
Perspektive Eingangsbereich

Perspektive Eingangsbereich

Perspektive Kommandantur

Perspektive Kommandantur

Infomationssystem /
Nachzeichnungen

Infomationssystem / Nachzeichnungen