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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2010

Städtebaulicher Wettbewerb - Stadtoval Aalen

3. Preis

JKL PartG mbB Landschaftsarchitekten und Stadtplaner Prof. Dirk Junker & Lennart Harmeling

Landschaftsarchitektur

H+O Architekten BDA Partner GmbB

Architektur

Erläuterungstext

Städtebaulicher Wettbewerb Stadtoval Aalen

Die künftige Entwicklung des Wettbewerbsgeländes bietet mit seiner innenstadtnahen Lage und guten verkehrlichen Anbindung einen Brückenkopf nach Osten, der in seiner baulichen Dimensionierung einen eigenständigen Entwicklungsschub ermöglichen sollte. Da eine konkrete Investitionsnachfrage zurzeit noch nicht vorliegt, ist es notwendig ein flexibles städtebauliches System anzubieten.

Die hier vorgeschlagene stadträumliche Ordnung des „Neuen Aalener Ovals“ ist zweckmäßig und eindeutig. Neben den Gleisanlagen entsteht ein `grünes Band´, welches die erhaltenswerten Bestandsgebäude einfasst, für ganz Aalen zu einer Anlaufadresse wird und damit ein Ziel aus der LGS-Bewerbung Aalens umsetzt.
Östlich dieses Bandes ist eine klare Block/Clusterstruktur vorgesehen, welche für ein neues urbanes Quartier die wünschenswerte Dichte an Wohn- und Geschäftsbebauung realisiert.

Wohnen, Dienstleistung und gewerbliche Nutzung, sowie Einzelhandel sind ein sinnvoller und wirtschaftlich vertretbarer Mix, der in einem neuen Quartier in einzelnen Clustern individuell entwickelt werden kann.

In Straßen und Plätzen entsteht eine urbane Dichte und Lebendigkeit. Die weitläufige Parkanlage dient als lebenswertes Aushängeschild für das neue Quartier. Innenstadtnahes attraktives Wohnen für Studenten und „Best Ager“ in Verbindung mit einem räumlichen Angebot für Einzelhandel und Dienstleistungsanbieter läßt ein modernes Quartier entstehen, das auch für die örtlich angrenzenden Wohnviertel eine zentrale Bedeutung haben wird.

Ein Markenzeichen sind auch das Gasometer, das als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum genutzt werden kann, und das Dienstleistungs- und Gründerzentrum in der alten Bahnbetriebshalle. Beide markanten historischen Bauwerke, sind identitätsstiftende Pole für das neue Quartier.

Entwicklungsmöglichkeit in drei Bauabschnitten

Im ersten Schritt werden im Norden drei Cluster mit Einzelhandel, Dienstleistung und Wohnen, das Dienstleistungs- und Gründerzentrum, sowie der zentrale Quartiersplatz errichtet. Der prinzipielle Charakter des neuen Stadtteils ist somit gesetzt. Die Kanten der Blocks beziehen sich auf die Gebäudestellung des ehemaligen Bahnbetriebsgebäudes und sorgen für stadträumlichen Halt. Die Fußgängerbrücke sollte als wichtiger Brückenschlag zur Altstadt schon zu Anfang realisiert werden. Zwischen erstem Bauabschnitt und dem noch bestehenden südlichen Lokschuppen wird ein temporärer Baumhain gepflanzt, wenn die Entwicklungszeit bis zu Schritt 2 zu lange dauern sollte

Der zweite Bauabschnitt schließt die Lücke bis zur noch in Funktion befindlichen Bahnbetriebstankstelle mit Lokschuppen durch zwei weitere Cluster. Die bis dahin entstandene Quartiersgröße ist ausreichend als eigenständige Entwicklung, doch ist die Verbindung bis zum Gasometer ein erstrebenswertes Ziel, das durch eine attraktive bauliche Nutzung dieser Flächen wirtschaftlich interessant gemacht wird.

In diesem letzten Schritt besetzt ein attraktiver Gebäudekomplex schließlich den Platz des ehemaligen Lokschuppens. Hier werden hochwertige Einzelhandelsflächen im Sockelgeschoß, Büros und Praxen, sowie Wohnen am Park werden hier realisiert. Eine Durchwegung des gesamten Areals in Nord-Süd-Richtung ist jetzt möglich.

Der Neue Park und der Öffentliche Raum

Eine große frei Rasenfläche wird begrenz von der östlichen Allee und den lockeren Baumgruppen und Themenfeldern im Westen. Im Norden bildet eine große Wasserfläche den Auftakt für den Park. Am historischen Bahngebäude gelegen, öffnet sich hier ein schöner Platz zu Stufen am Wasser. Die streng gefasste Ostseite des zentralen Rasenbandes ist mit der verkehrlichen Erschließung der urbane Rand des Parks. Hier münden die Gassen aus dem Quartier, hier sind die Flächen für Außengastronomie und öffentliches Parken. Die Gassen und Plätze im Quartier können zur Anlieferung befahren werden, bieten aber keine dauerhaften Stellplätze. „Shared Space“, das gleichberechtigte Nebeneinander der verschiedenen Straßennutzer ist für das gesamte Quartier das angestrebte Ziel.

Die Westseite des Parks bildet unter einem lockeren Baumdach verschiedene Spiel- und Fitness-Angebote, Sitzgelegenheiten und Wieseninseln. Dieser Parkteil kommt scheinbar von den umgebenden Hügel herab und bildet die Fortsetzung der Grünzüge. Hier kann man beschützt von einer schallreduzierenden Wand spazieren und die Seele baumeln lassen.

Bauliche und inhaltliche Struktur der Cluster

Sockel und Aufbauten
Auf Basis eines eingeschossigen Sockels erheben sich zwei- bis dreigeschossige Körper, die in der Regel eine Wohnungen und auch Büros beinhalten. Diese Körper erfüllen durch ihre Stellung und Höhenstaffelung zwei zentrale Bedingungen:
Durch die Besetzung der Außenecken werden stadträumlich wichtige Kanten ausgebildet und artikuliert. Die Stellung der Körper zueinander gewährleistet für jede Wohneinheit eine optimale Belichtung und Sicht nach Südwesten.

Flexibilität des Systems
Das Sockelgeschoss ist so konzipiert, dass unterschiedliche Nutzungen und Raumgrößen bereitgestellt werden können. Für eine Nutzung beispielsweise eines Vollsortimenters oder Drogeriediscounters kann die vollständige Grundfläche des Sockels zur Verfügung gestellt werden. Wenn jedoch Flächeneinheiten für kleinere Ladengeschäfte oder Dienstleistungen benötigt werden, werden in den Sockelgeschossen Höfe vorgesehen, die übliche Raumtiefen und –größen ermöglichen und diese belichten. Die Flexibilität des Systems bezieht sich jedoch auch auf die Vertikale: Je nach Bedarfsanalyse können im Sockel auch Wohneinheiten realisiert werden – oder umgekehrt Büronutzungen in den oberen Geschossen.

Urbanes Wohnen mit Freiräumen
Aalen bietet vor Allem eines: zentrumsnahes Wohnen gekoppelt mit fantastischen Landschaftsausblicken. Trotz aller gewünschten und realisierten Verdichtung werden diese Landschaftsausblicke für alle Wohneinheiten gewährleistet. Daneben wird durch das Anordnen von vielen Maisonettwohnungen in der Wahrnehmung eher eine Typologie des `Reihenhauses´ evoziert, weniger von Geschosswohnungen. Durch die Höhenstaffelung wird zudem erreicht, dass neben den durchgehenden Loggien viele Wohneinheiten auch über großzügige Dachterrassen verfügen. Jede Wohneinheit verfügt also über privaten Freiraum mit Ausblick.

Klare architektonische Gestalt
Wir wünschen uns, dass das differenzierte Volumenspiel von Sockel und Aufbauten durch eine klare architektonische Gliederung zusammengebunden wird: Die Geschossdecken sind kräftig artikuliert, dazwischen spannen transparente oder geschlossene Glaspaneele unterschiedlicher Färbung. Schiebeelemente sorgen für eine Fassadenstaffelung.
Die Konstruktion basiert auf einem Schottensystem und verbindet leistungsfähige Flexibilität mit effizienter Bauausführung.

Profitieren von der Topografie
Das Oval wurde bei seiner Entstehung als industriell genutzte Fläche künstlich auf ein Höhenniveau abgegraben. Um den neuen Stadtteil an die östliche Siedlungsstruktur heute wieder anzubinden, wird also im Prinzip der ursprüngliche Geländeverlauf wieder hergestellt. Damit diese Maßnahme einen Mehrwert erzielt, wird die Anbindung mit einem strukturellen Höhensprung zwischen der ersten und zweiten Reihe der Blocks / Cluster (in Ost-West-Richtung) hergestellt. Unter den östlichen Blocks / Cluster entsteht somit Raum für die Unterbringung aller erforderlichen Stellplätze. Die Parkierung öffnet sich zum zentralen Quartiersplatz.

Drei Sonderbaukörper

Dienstleistungs- und Gründerzentrum Start-Up
Das Bahnbetriebsgebäude bietet vor allem im Zusammenspiel mit der vorgeschlagenen Bebauungsstruktur eine klare, eindeutige Adresse im neuen Stadtteil. Zudem verfügt es über eine hervorragende Gebäudestruktur, innerhalb derer sich variable Raumgrößen und Raumverbünde optimal realisieren lassen.

Im Erdgeschoss wird die beträchtliche Raumhöhe dazu genutzt, separat nutzbare Einheiten für Ausstellung und Firmenpräsentation, Konferenz- und Besprechungsräume sowie Gastronomie bereitzustellen. Im 1.OG wird die Raumhöhe und der Satteldachaufbau dazu genutzt, eine weitere Ebene zu realisieren und somit für eine effiziente Ausnutzung des Gebäudevolumens Sorge zu tragen. Die fassadenseitigen Raumspuren ermöglichen aufgrund des statischen Systems eine freie Einteilung in unterschiedlich Große Einheiten. Der großzügige Mittelflur bietet das Potenzial für gemeinschaftlich zu nutzende Einrichtungen wie Wartezonen, Teeküchen und Kopierer.

Ausstellungs- und Veranstaltungsraum Kunsthalle Gasometer

Der Gasometer stellt in Aalen so etwas wie eine Landmark dar. Seine Präsenz ist von vielen Punkten aus spürbar: perfekt geeignet also für eine Nutzung, die sich nicht nur an Aalener Einwohner sondern auch an Gäste wendet. Um die Fassade nicht strukturell verändern zu müssen, ist eine Nutzung ohne Tageslicht anzustreben. Die Verfasser schlagen daher die Nutzung einer Kunsthalle vor: durch gezielte, überschaubare Eingriffe kann der Gasometer dieser neuen Funktion gerecht werden. Ein Vorbau im EG nimmt Empfang, Ticketing, Garderoben und WC´s auf und gibt dem ungerichteten Bauwerk seine Orientierung zum `Grünen Band´.

Der Gasometer selbst mit seiner Höhe von ca. 44 m wird in 7 Geschosse a 6m Raumhöhe unterteilt. Lediglich eine Fluchttreppenanlage, ein Aufzug und eine offene Treppe werden eingebaut – diese befindet sich in einem Luftraum, welcher die gesamte Höhe des Gasometers erlebbar macht. Die geschaffenen Ausstellungsebenen haben eine Fläche von jeweils ca. 250m2 und sind sowohl als Einzelräume oder mit temporären Unterteilungen bespielbar. Als Dachaufbau wird ein Café mit Rundumblick über Aalen vorgeschlagen.

Mehr als nur eine Verbindung

Die Fußgänger- und Fahrradbrücke zwischen Bahnhof und neuem Stadtteil ist ein mehrdeutiges Bauwerk. Neben der reinen Verbindung zweier Orte in der Stadt, stellt sie auch Flächen für den Aufenthalt bereit. Durch diese Verbindung von Bewegungs- und Verweilräumen entsteht ein `Mehr´ gegenüber einer rein funktionalen Brückenverbindung: denn jeder Punkt in einer Stadt, von dem aus man einen Überblick genießt, bietet eine besondere Qualität.

Auch die Auf- und Abgänge werden besonders gestaltet. An der Bahnhofsseite wird ein weiterer Raum für das Parkieren von Fahrrädern (vergleichbar mit dem Fahrradparkhaus im Anschluss an die Unterführung im Süden) angeordnet. Auf der Ostseite mündet die Brücke in ein Spiel von unterschiedlichen Aufenthaltsebenen und macht so den Abgang zu einer Abfolge von vertikalen Räumen. Um die Nutzungsfrequenz zu stärken, werden Zugänge zu den Bahnsteigen angeboten.

Ökologische Gedanken

Neben den üblichen baulichen passiven Maßnahmen zur Energieeinsparung ist die Energieversorgung über ein zentrales Blockheizkraftwerk oder Geothermie anzustreben. Die Frage einer Versickerung von anfallendem Regenwasser direkt über versickerungsfähiges Material und unterirdische Rigolen ist abhängig von den Schadstoffkonzentrationen aus der bisherigen Nutzung. Dieses Wäre wünschenswert und kann in eine Parkkonzeption integriert werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser schlägt eine großzügige Grünachse vor, die ihren Ausgangspunkt folgerichtig am bestehenden Bahnbetriebsgebäude hat und bis zum Gasometer reicht. So entsteht für das Quartier eine signifikante und in Lage und Größe gut gewählte Adresse. Das besondere dabei ist der offen gestaltete Rand nach Westen zum Bahnkörper hin. Daraus entsteht eine wohltuende grün gestaltete Raumöffnung zur Altstadt hin. Der vorgeschlagene Steg über die Bahngleise verbindet so künftig die Stadt mit dem Hirschbachtal.

Das Verhältnis zwischen Baukörper und Baumpaketen liegt in einer wohltuenden Balance. Die sechs Baufelder umschließen jeweils einen grünen Hof. Die Stellung der Baukörper zueinander ermöglicht eine gute Belichtung und hohe Wohnqualität. Die Verknüpfung zu den angrenzenden Wohnbebauungen gelingt über die Wohnwege auf sehr einfache Art und Weise.

Das Freiraumkonzept ist schlüssig und wohl proportioniert. Die Wohn- und Dienstleistungsgebäude sind fast selbstverständlich am neuen Park angeschlossen. Die künftige Nutzung des Bahnbetriebsgebäudes als Dienstleistungs- und Gründerzentrum ist ein wichtiger Impuls für das gesamte Quartier und wird daher positiv bewertet.

Die vorgeschlagene Bebauung weist ein flexibles System auf: Das Sockelgeschoss ist so konzipiert, dass unterschiedliche Nutzungen und Raumgrößen darüber entstehen können. Dies ergibt einen interessanten Mix aus Wohnen und Dienstleistung in jedem der Baufelder. Die Nutzung des Sockelgeschosses zu Gewerbezwecken wird jedoch sehr kritisch gesehen.

Das System spricht auch für eine gute modulare bzw. variable Realisierungsmöglichkeit. Die Haupterschließung über die Braunenstraße bleibt bestehen, somit werden unverhältnismäßig hohe Erschließungskosten vermieden. Die Anbindung des motorisierten Individualverkehrs ist gut. Die Arbeit stellt einen sehr wertvollen Beitrag zur gestellten Aufgabe dar.