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Nichtoffenes Verfahren | 11/2009

Gutachterverfahren Werderscher Markt

1. Preis

TREIBHAUS Landschaftsarchitektur Berlin/Hamburg

Landschaftsarchitektur

Ines Alkewitz - BĂŒro fĂŒr Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung

Architektur

ErlÀuterungstext

Zur Historischen PrÀgung des Freiraumes Werderscher Markt

Der Platzraum Werderscher Markt hat in seiner annĂ€hernd 400 jĂ€hrigen Geschichte die verschiedensten Entwicklungen ĂŒberdauert. Immer aber blieb das „Herz“ im Zentrum der FlĂ€che als Freiraum erhalten. Die FlĂ€chenausrichtung und die
Bebauung an den PlatzrÀndern dagegen, wurden immer wieder stark verÀndert. Einhergehend mit dieser VerÀnderung wechselte auch die Nutzung des Platzraumes und die Befestigung seiner OberflÀchen. Je nach Nutzungsintension und
stĂ€dtebaulicher Absicht blieb das „Herz“ des Platzes erkennbar oder wurde vollstĂ€ndig ĂŒberformt.

Der Nachbau der BĂ€renbrunnen-Plastik durch Walter Sutkowski und seine Wiederaufstellung im historischen Platzzentrum im Jahr 1958, war unter den zu dieser Zeit geltenden Vorstellungen fĂŒr die „Modernisierung“ des StĂ€dtebaus im historischen Zentrums der Stadt eine bedeutende baukĂŒnstlerische Leistung!
Der BĂ€renbrunnen als Symbol des traditionsreichen Marktbrunnens stand und steht „richtig“ am / im historischen Marktkreuz* - im Zentrum des historischen Marktplatzes -.

*“...Überlebenswichtig fĂŒr die frĂŒhen StĂ€dte und ihre MĂ€rkte war der Marktbrunnen. In den WohnhĂ€usern gab es keine Wasserversorgung, auf dem Markt mussten Lasttiere und Schlachtvieh getrĂ€nkt werden. Die FunktionsfĂ€higkeit des Brunnens war also unbedingt zu sichern, zum Teil mit großem Aufwand -... . In grĂ¶ĂŸeren StĂ€dten gab es Brunnen auch in anderen Stadtvierteln, der Marktbrunnen hatte jedoch herausgehobene Bedeutung. Hier - oder in etwas spĂ€terer Zeit vor
dem nahe gelegenen Rathaus - befand sich das Marktkreuz als Zeichen des vom König garantierten Marktrechts.“ .. (Gottfried Kiesow, Das verkannte Jahrhundert im Jahrbuch der Deutschen Stiftung fĂŒr Denkmalschutz, 2005)


RAUMANALYSE

Ursprung bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
Der Werderscher Marktplatz ist das Zentrum der Neustadt Friedrichswerder. Die Ware wurde auf Booten ĂŒber den Wasserweg zum Markt transportiert. Im imaginĂ€ren Marktkreuz stand der Marktbrunnen. Kirche und Rathaus (die spĂ€tere MĂŒnze) standen sich als Stadtarchitektur der geistigen und der weltlichen Macht gegenĂŒber. Die hauptsĂ€chlichen Wege- Beziehungen verliefen in Nord-SĂŒd-Richtung.

Entwicklung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts
Die MarktflĂ€che wurde in Straßen, Verkehrsinseln und SchmuckgrĂŒn zergliedert. Mit dem Anschluss der Französischen Straße an den Markt (1850) wurde aus dem Marktplatz die so genannte “Werder Straße“. Marktware wurde nun auch mehr
auf dem Landweg transportiert. Die Hauptwege-Beziehungen verlaufen in Ost-West Richtung. Die Umorientierung des vorstÀdtischen Marktzentrums zu einer innerstÀdtischen Passage zur Stadtmitte (zum Schloss!) war von Schinkel planerisch gewollt und mit seinen Bauten am Markt auch ausgelöst worden. Der Freiraum als Marktort war hier nicht mehr Programm, der Standort des Marktbrunnens nicht mehr notwendig.
1928 schuf der Bildhauer Hugo Lederer (1871 –1940) aus rotem Porphyr eine Skulptur fĂŒr einen BĂ€ren-Brunnen, sie wurde im historischen Marktzentrum aufgestellt und formulierte fortan wieder die Platzmitte des Marktes.1958 fertigte Walter Sutkowski (1890 –1983) eine Kopie der im Krieg zerstörten Skulptur aus rotem Lavatuff die an gleicher Stelle aufgestellt wurde.

Maßgaben fĂŒr den heutigen Freiraum Werderscher Markt ( im Stadtbild des 21. Jahrhunderts )

Der BĂ€renbrunnen steht am historischen Marktkreuz. Die rĂ€umliche Mitte muss mit der FreiflĂ€chenorganisation betont, gestĂ€rkt werden. Der Platz Rand, an seiner sĂŒdlichen Seite ist, vor allem auch unter Einbezug des Verkehrsflusses in Ost-
Westrichtung offen, durchlĂ€ssig. Die drei verbleibenden RĂ€nder mĂŒssen den auch historisch wichtigen Raumabschluss durch GebĂ€ude erhalten, d.h. sie mĂŒssen geschlossen wirken. Die Freiraumgestaltung der PlatzflĂ€che muss ĂŒber- und
durchschaubar sein.

Raumdimension und RaumbezĂŒge

Mit dem Nachzeichnen der RaumbezĂŒge in historischen Luftbild-Aufnahmen aus den Jahren 1915 und 1928 wird die wechselvolle VerĂ€nderung der Raumdimensionen der PlatzflĂ€chen besonders deutlich.
1915 : BegrĂŒnte Kleinarchitekturen (wie Kiosk, Litfaß-SĂ€ule und Pissoir) flankieren die Werder-Straße, wenden sich ihr zu und vom Platz-Raum ab. Es entstanden den Platz-Eindruck zerteilende Vorder- und RĂŒckseiten!
1928 : mit der Errichtung des BÀrenbrunnens als Symbol des Marktbrunnens erfolgte eine rÀumliche Wiederherstellung des historischen Markt-Raumes. Aufbauten und Schmuck-Bepflanzung wurden entfernt. Lediglich zwei BÀume wurden in der Brunnenflucht (in Richtung Bauakademie) neu gepflanzt.

ENTWURFSPROGRAMM

Licht und Schatten
Die Simulation der VerschattungsflĂ€chen bezieht die geplante Neubebauung mit ein. Sie zeigt, dass die Besonnung der PlatzflĂ€chen ausreichend ist. Je nach Jahreszeit gibt es immer wieder andere Möglichkeiten fĂŒr den Aufenthalt in besonnten
oder in verschatteten Bereichen, vor allem in FassadennĂ€he. Die Außengastronomie als wĂŒnschenswerte Form der aufenthaltsorientierten Platznutzung kann und wird sich mit der Neubebauung einstellen.

Die Topographie
Sensibel differenziert soll eine neue Topographie der PlatzflĂ€che den notwendigen funktionalen Kompromiss zwischen stĂ€dtebaulicher Maßhaltigkeit und Verkehrsbedarf vorgeben. Die gestalterische AnnĂ€herung an den alten zentrierten Stadt- Raum Markt, gibt dabei diese beiden AnsprĂŒche vor.
Der Stadt-Boden vor der Kirche wird vom GebĂ€ude aus nach SĂŒden bis zur Gehbahn geneigt. Parallel zur Gehbahn “Werderscher-Markt“ ergibt sich ein Höhenunterschied von minus 30 cm. Die Absenkung hebt die Kirche optisch auf ein Podest, was sie im Sinne Schinkels (wieder) zum Monument macht. Die
notwendige Entfernung der provisorischen Rampe im Eingangsportal der Kirche und die Wiederherstellung der Stufe erklĂ€rt sich dabei von selbst. Die FlĂ€chen im Verkehrsraum der Straße “Werderscher Markt“ bleiben funktional durchlĂ€ssig, sie sind begeh- und ĂŒberrollbar. FĂŒr motorisierte Fahrzeuge aber sind sie nicht befahrbar (2 Stufen). Die Platz- FlĂ€che um den BĂ€renbrunnen wird in nördlicher Richtung aufgefĂŒllt. Parallel zum Gehweg “Werderscher-Markt“ wird der bereits vorhandene Höhenunterschied von plus 30 cm erhalten, die FlĂ€che wird nach Norden geneigt und lĂ€uft dort fast bĂŒndig in die PlatzflĂ€che aus. Der BĂ€renbrunnen erhĂ€lt zusammen mit den Standorten der beiden Platz-BĂ€ume ein großzĂŒgiges Podest. Der hier denkmal-geschĂŒtzte Bodenbereich wird durch den Bodenauftrag schonend gesichert.

Die Raum-Beziehungen und ihr Liniennetz
Die gestalterische Komposition von FlĂ€chen und Linien um das Platz-Zentrum gibt dem Stadtboden an diesem Ort wieder ein Gestalt-Maß, das die historischen RaumbezĂŒge deutlich macht. Die parallele, lineare Ausrichtung von OberflĂ€chen-
Befestigung und Linierung setzt den BÀrenbrunnen auch optisch wieder in die Koordinaten-Kreuzung auf dem Platz - ins Marktkreuz -. Die Linierung / BÀnderung des Marktbodens wird mit dem Einbau lÀngsformatiger Steinplatten (Natur- oder
Kunststein) erreicht, sie ist als Motiv der berlintypischen Gehbahnfassung mit dunklen BasaltpflasterbÀndern angeglichen.

Die Kanten und OberflÀchen
Kanten und Stufen aus schmalen Steinblöcken und Steinplatten (Natur oder Kunststein) fassen die topographischen AbsĂ€tze / Höhenunterschiede am BĂ€renbrunnen sowie am Vorplatz der Kirche. Die PlatzflĂ€chen im Norden schließen immer bĂŒndig an die GebĂ€ude an. Die gesamten PlatzoberflĂ€chen sind steinern. Die Pflasterung mit Kleinstein (Granit und Muschelkalk) soll mit einem deutlich diagonal zum Platzrahmen verlegten Fugen-Bild erfolgen. Die Befestigung der OberflĂ€chen ist in drei Einheiten gegliedert:
Glattes Diagonalpflaster mehrfarbig und weiß (Muschelkalk und wenige Marmorintarsien) im Vorfeld der Kirche Grobe Diagonalpflasterung einfarbig, hellgrau (Granit) im Vorfeld der GebĂ€ude und als Sockelbefestigung der Kirche Gekörnte Deckschicht einfarbig, hellgrau (Kalksplitt) am BĂ€renbrunnen als wasserdurchlĂ€ssiger Baum-Sockel.

Die Ausstattung der PlatzflÀchen
Sitzmöbel auf dem Platz sollen sparsam eingesetzt werden, einladend, nicht als Hindernisse! Denkbar sind Standorte im Schatten der BĂ€ume oder an den neuen GebĂ€uden, dort wo sich vermutlich ohnehin Außengastronomie einstellen wird.
Vorgeschlagen werden einfache Sitzblöcke (nur in den Schnittansichten als „Platzhalter“ dargestellt) Form, Format und StĂŒckzahl der Sitzmöbel sollen an den tatsĂ€chlichen Bedarf angepasst werden, d.h. eine vollstĂ€ndige „Bestuhlung“ erfolgt
erst nach vollstÀndiger Platzrandbebauung.
Alle sonstigen Ausstattungen (Poller, Papierkörbe, FahrradstĂ€nder, Schilder, Masten etc. ) befinden sich außerhalb der KernplatzflĂ€chen in den bereits durch den Bestand vorgegebenen Ausstattungslinien am Gehwegrand.
Beleuchtet werden die PlatzflĂ€chen durch die Straßenbeleuchtung, dabei wird die vorhandene Objektbeleuchtung (vier Bodenstrahler) an der Friedrich-Werderschen-Kirche integriert. Der Bereich um den BĂ€renbrunnen kann durch Bodenstrahler, die unter die BĂ€ume gerichtet werden, auch bei Dunkelheit als Zentrum erkennbar bleiben.

Der BĂ€renbrunnen
Die heute im Brunnen vorhandene Wassertechnik funktionierte vermutlich als Kreislaufspringbrunnen. Die ursprĂŒngliche Auslegung der Plastik könnte allerdings wegen der vier beckenartigen Vertiefungen als Trinkbrunnen konzipiert gewesen
sein - Marktbrunnen = Trinkbrunnen -. Ein im Prinzip wĂŒnschenswerter Trinkwasser-Betrieb dĂŒrfte die Unterhaltungskosten der Anlage ĂŒberfordern und ist nach heutigen Hygienebestimmungen ohne optisch störende VerĂ€nderungen an der Plastik
vermutlich nicht realisierbar. Es wird daher hier die Auffassung vertreten, das die Symbolkraft des BĂ€renbrunnens nicht unweigerlich durch „kĂŒnstliches“ Wasser verniedlicht werden muss.

ENTWURFSAUSRICHTUNG

Die Aufgabe, den Markt als Freiraum neu zu definieren und zu ĂŒberplanen ist ein Auftrag zur Freistellung und Freihaltung von geschichtsintensivem Stadtboden!
„....Seit Minimal art, Land art und Arte Povera ist der Erdboden, auf dem wir stehen, der Boden der RealitĂ€t ... - auch fĂŒr die Kunst -... .“
(Prof. Marlis GrĂŒterich, Köln 2009 in einem Interview ĂŒber die Platzierung von Kunst / Skulptur im öffentlichen Raum)
Der vorhandene freie Platz-Raum erhĂ€lt mit der bewusst minimalen Gestaltung den aus der Sicht der Stadtgeschichte so wichtigen, Boden zurĂŒck!

Beurteilung durch das Preisgericht

Im Hinblick auf die gewĂ€hlte MaterialitĂ€t / OberflĂ€chengestaltung und dank BerĂŒcksichti-gung vorhandener dominierender GebĂ€ude bzw. Vegetation wurde ein ausgewogener, ansprechender Entwurf vorgestellt. Die topografische Besonderheit mit der Absenkung der FlĂ€che vor der Kirche im Kontrast zur Anhebung der FlĂ€che am Werderschen Markt, die Idee des „Pflasterteppichs“ vor der Kirche und die verbindenden PflasterbĂ€nder werden als harmonische und zurĂŒckhaltende, dem Ort angemessene Gestaltungsideen empfunden. Der Entwurf erscheint dem Ort sehr angemessen, feinsinnig und dem (Werderschen) Markt gewidmet.

Jedoch wurde auch festgestellt, dass sich mit BerĂŒcksichtigung der im Entwurf nicht dargestellten vorhandenen angrenzenden Einbauten (Verkehrsschilder, Poller, Lichtsignalanlage) ein anderes Bild in der Wirklichkeit ergeben wird.

Folgende Elemente sollten im Rahmen der weiterfĂŒhrenden Planung diskutiert und ggf. vor Ort ĂŒberprĂŒft werden:

- Absenkung vor der Kirche ( Notwendigkeit allgemein und im Hinblick auf Barierrefreiheit),
- die geplante Anordnung von Schlitzrinnen,
- Betonmauer mit Natursteinoptik,
- Farboptionen der zu verwendenden Materialien.
- ÜberprĂŒfung der dunklen PflasterbĂ€nder (nördlicher Bereich).