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Einladungswettbewerb | 04/2010

Kloster Lorsch

Neues Besucherzentrum (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Neues Besucherzentrum (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

1. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

TOPOTEK 1

Landschaftsarchitektur

merz merz

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser formulieren ihren Entwurfsansatz aus einer stringent entwickelten Grundposition, die die überkommenen Siedlungs- und Freiraumstrukturen in ihrer historischen Überformung als gegebene Voraussetzung akzeptiert. Demzufolge wird nicht versucht, die ursprüngliche Erschließungssituation von Westen über die Torhalle zu thematisieren, sondern im Gegensatz hierzu die Rudimente der Klosteranlage Lorsch in ihrem chronologischen Zusammenhang seiner Entstehungsgeschichte zum Kloster Altenmünster zu entwickeln. Dadurch wird die latente Gefahr einer vorgefass-ten Erwartungshaltung in der Erfahrbarkeit des Klosterareals Lorsch zugunsten der Schaffung einer völlig neuen, weil unbelasteten Dramaturgie und Qualität der Rezepti-on beider Klosterstandorte vermieden. Im gleichberechtigten, wertfreien Nebeneinan-der der überkommenen Zeitzeugnisse von Topographie, Architektur und Kulturland-schaft wird in Ost-West-Richtung ein Besucherweg inszeniert, der die Torhalle, im Ge-gensatz zur bisherigen Besucherführung, als Abschluss und Höhepunkt der Annähe-rung an Kloster Lorsch definiert. So wird bereits durch die räumliche Festschreibung der Anlage eine Attraktivität der Wegeführung initiiert, die Altenmünster und Lorsch in einen physisch erfahrbaren Zusammenhang stellt. Die Polarität und Stringenz dieses Leitgedankens erfordert eine zentrale Erschließungseinrichtung, die, entgegen der Vorgaben der Auslobung, östlich jenseits der Weschnitz vorgeschlagen wird. Durch diesen Ansatz gelingt es den Verfassern den Besucherzustrom ohne zusätzliche Be-lastung des innerörtlichen Verkehrs optimal zu konzentrieren. Als Schleuse zum Über-gang nach Altenmünster dient ein neues Besucherzentrum, dass neben funktionalen Aspekten der Sammlung der Besucher und Inszenierung der Ausblicke nach Lorsch dient. Im gewollten Gegensatz zur gewachsenen Kulturlandschaft erfolgt die Zuwe-gung nach Lorsch auf einem „Weg der Kultur“ nicht als Anpassung an die vorhandene Topographie, sondern als scharfer, artifizieller Schnitt, der in Richtung und Höhenlage die Verletzung des Bodens beabsichtigt, um so die Bewegung durch die Landschaft bewusst zu machen. Im gleichen Duktus der artifiziellen Überformung erschließt von Osten ein Durchbruch durch die Klostermauer das Areal an einer Stelle, die histori-sche Hierarchien der baulichen Anlage bewusst relativiert und offen lässt. Im Sinne ei-ner assoziativen Erfahrbarkeit des Klostergeländes erfolgt der Rundweg innerhalb der Klosteranlage, die von störender Vegetation befreit und durch gezielte Modellierung geglättet, nur im Bereich der neu erfundenen Vertiefung einer möglichen Kirchenaus-dehnung subtile Anreize zur Erfahrbarkeit des Ortes anbietet. Das konsequente Vermeiden von Konkretisierung zu Gunsten einer assoziativen Erfahrbarkeit des Ortes wird, angesichts der ungesicherten Kenntnisse zum Baubestand des Klosters, beson-ders gelobt. Diese Haltung bestimmt sowohl die konsequente, idealisierte Einbettung des gesamten ursprünglichen Grundrisses der Klosteranlage in eine Rasenfläche un-terschiedlicher Funktionsqualität, als auch die architektonische Behandlung des Kir-chenrestes, durch temporär anmutende Folienbespannungen an Stelle der neuzeitli-chen Vermauerungen. Temporäre Konstruktionen im gleichen Duktus ermöglichen er-kennbar die flexible Fortführung archäologischer Arbeiten im Gelände, bzw. die An-deutung von Grabungsbefunden in Bodenfenstern. So werden die überkommenen Baulichkeiten und Freianlagen in ihrer geschichtlichen Eigenheit und spezifischen In-dividualität gleichberechtigt und wertfrei nebeneinander gestellt. Im Gegensatz zur be-sonderen Dramaturgie der Zuwegung erfolgt der Rückweg über den „Weg der Natur“, der, nun die bestehende Wegeführung nutzend zum karolingischen Labor, der Tabak-scheune und wieder nach Altenmünster führt.
So bestechend und intelligent der konzeptionelle Ansatz der Arbeit gelobt wird, be-dingt dieser verschiedene Einschränkungen in der Funktion. Die Positionierung des zentralen Parkplatzes jenseits der Weschnitz führt zu langen Wegen der Besucherfüh-rung, die insbesondere bei schlechter Witterung und für Behinderte, beschwerlich und bei ungenügender Bespielung langweilig wird. Durch den Landschaftsschnitt der Zu-wegung muss die Odenwaldallee als Erschließungsstraße aufgegeben werden. Der Bau eines Besucherzentrums, neben dem karolingischen Labor und einem zusätzli-chen Museum in der Tabakscheune erfordert zusätzliche Aufwendungen für Personal und Betrieb. Die Anfahrbarkeit des, am Karolingerplatz positionierten Busparkplatzes führt zur zusätzlichen verkehrlichen Belastung der Klosterstraße. Die Belagsübergän-ge und -ausprägungen zum Benediktinerplatz, der Nibelungenstraße und dem nördli-chen ehemaligen Klostergelände werden als idealisiert gewürdigt, scheinen jedoch re-alistischerweise kurzfristig schwer umsetzbar. Die Vorfläche der Torhalle mit Aufschüt-tung und Absenkung der Kirchenachse bleibt in seiner gewollten Ausführung unklar. Die Lage des karolingischen Labors im Landschaftsgürtel zwischen Siedlungsrand und Weschnitz führt zu einer zusätzlichen Zersiedelung und Verunklärung der Raum-übergänge der Stadt zur Landschaft.
Trotz der genannten Nachteile stellt der Entwurf einen herausragenden, konsequent entwickelten Planungsansatz dar, der, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der schrittweisen Umsetzung von Einzelmaßnahmen, als übergeordnetes Leitbild der zu-künftigen Entwicklung der Welterbestätte und ihrer stadt- und freiräumlichen Einbin-dung dienen kann.
Zu den wesentlichen Punkten zählt hierbei:
• Freistellen des Landschaftsraumes zwischen Kloster Lorsch und Kloster Al-tenmünster
• Freistellen der ortsprägenden Bauten der Klosteranlage Lorsch durch Aus-nehmen von Gehölzen
• Öffentliche Nutzung der Klosterwiese als Festplatz, bzw. für temporäre Veran-staltungen
• Erschließung des Gesamtgebietes von Osten einschl. Verlagerung des anfal-lenden Besucherverkehrs östlich der Weschnitz
• Einbettung der Gebäude im Klosterareal Lorsch in eine modellierte einheitliche Rasenfläche

Aus Sicht des Preisgerichtes wird die Behebung der genannten Nachteile bei Überar-beitung des Entwurfes ohne Einschränkung der konzeptionellen Qualitäten als mach-bar angesehen.
Neugestaltung Klosterareal Lorsch (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Neugestaltung Klosterareal Lorsch (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Besucherführung (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Besucherführung (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Blick über die Welterbestätte (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Blick über die Welterbestätte (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Neugestaltung Kirchenfragment (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)

Neugestaltung Kirchenfragment (TOPOTEK 1 / hg merz architekten museumsgestalter)